"Mit der DDR schien auch der SED-Antifaschismus zunächst erledigt. Doch Sozialangst, Autoritätsschwund der Regierung, der Rechtsextremismus und die Lauheit der Bürger geben der linken Agitation inzwischen neuen Sauerstoff."
In zahlreichen Aktionsbündnissen unterschiedlichster gesellschaftlicher Kräfte hat der Antifaschismus die alten Tarnfarben aufgefrischt... Über die dabei genutzten Strategien, Organisationen, Meinungsführer, Allianzen und Aktionsziele unterrichtet das neue Buch des Bonner Professors für Politische Wissenschaft, Hans-Helmuth Knütter... Er will warnen vor jenem Antifaschismus, der in Wahrheit nichts anderes sei als die Recycling-Version des Totalitären Sozialismus von gestern."
Die Faschismuskeule - Das Letzte Aufgebot der Linken
von Hans-Helmuth Knütter
Vorwort Die Wiedervereinigung und der Zusammenbruch des Sozialismus 1989 bis 1991 wurden von der Linken als Niederlage empfunden. Die Gewißheit, in Übereinstimmung mit den historischen Gesetzmäßigkeiten zu handeln, wurde durch diese Ereignisse schwer erschüttert. Durch die Thematisierung der kommunistischen Verbrechen bestand zudem die Möglichkeit, daß die Annäherung, die das politische Establishment der Bundesrepublik und erhebliche Teile der Medien lange Zeit mit den Linksaußen- Kräften praktizierten, aufgehoben würde.
Es gab Hoffnungszeichen dafür, daß die der CDU, FDP und SPD nahestehenden Meinungsführer in Wissenschaft und Politik, die über Jahre hinweg den »real existierenden Sozialismus« anerkannt und sich an ihn angenähert hatten, nun verstärkt auf Distanz zur extremen Linken gingen. Die »Anerkennung der Realitäten« war nun auf einmal nicht mehr zeitgemäß. Die Einheitsfront der »fortschrittlichen« Kräfte, die in den Kampagnen gegen Berufsverbote und Nachrüstung ihre Wirksamkeit so überzeugend bewiesen hatte, schien gefährdet. In dieser Situation kamen die Wahlerfolge rechter und rechtsextremer Parteien und die Anschläge gegen Ausländer für Teile der Linken wie gerufen. Man besann sich auf eine alte, aber sehr wirksame Bündnis- und Propagandastrategie, nämlich den »Antifaschismus«.
Der Antifaschismus hat gegenüber früheren Jahrzehnten an theoretischem Gehalt verloren. Faschismustheorien spielen seit 1989/1990 im Linksextremismus keine Rolle mehr. Eine Verengung auf antifaschistische Schlagworte (Antirassismus, Antisexismus, Gegnerschaft gegen Ausländerfeindlichkeit) ist zu beobachten. Die aktionistische Komponente hat im gleichen Maß zugenommen wie die theoretische an Bedeutung verloren hat. Ungeistigkeit und Aktionismus gehen insofern Hand in Hand, als Aktionismus Bedenkenlosigkeit voraussetzt. Je primitiver, desto hemmungsloser. Intellektualität schafft Bedenken.
Diese Einschätzung muß notwendigerweise zu der Folgerung führen, daß ein aktionistisch-anarchistischer Antifaschismus wegen seiner Primitivität doch eigentlich ungefährlich sei. Dies war richtig - der Antifaschismus wird keinen Erfolg haben, wohl aber Wirkung zeitigen. Seine Bedeutung gewinnt er durch die Werteunsicherheit seiner Gegner, deren Schwäche und Opportunismus dem » Antifaschismus« eine Bedeutung verschaffen, die ihm von der Substanz her nicht zukommt.
Besonders betrüblich ist der Opportunismus der etablierten politischen Kräfte, die immer wieder behaupten, den Extremismus von links und rechts gleichermaßen zu bekämpfen. Zwar hat der Rechtsextremismus seit 1989/90 an Bedeutung zugenommen, aber nicht, weil er in politischer, organisatorischer und ideologischer Hinsicht stärker geworden wäre, sondern weil der Linksextremismus an Gewicht und Einfluß zunächst verloren hatte. Nach wie vor ist der Rechtsextremismus konzeptionell schwach und gesellschaftlich geächtet. Insbesondere in Kreisen der Medien- Intellektuellen, die mit dem Anspruch der Meinungsführerschaft auftreten.
Anders verhält es sich mit dem Linksextremismus. Trotz der Pleite von 1989/91 ist er besser organisiert, in meinungsführenden Teilen der Gesellschaft anerkannt. Vor allem dann, wenn er hedonistisch, antistaatlich und antifaschistisch auftritt, ideologisch durch den Antifaschismus gegen Kritik immunisiert. Das Netzwerk der Sympathisanten reicht bis in die etablierten Parteien und Medien, Schulen und Universitäten hinein. So gesehen ist der Linksextremisrnus trotz des schweren Rückschlages, den er 1989/91 erlitten hat, nach wie vor gefährlicher. Es ist kurzsichtig, den Blick ausschließlich auf den (relativen) Anstieg des Rechtsextremismus seit 1990 zu richten. Er verdankt nicht ihm seine Stärke, sondern der Schwächung seiner Feinde. Wenn es zutrifft, daß die Zahl rechtsextremer Gewalttaten die der linken übersteigt, darf doch nicht übersehen werden, daß vor 1989 die Linksextremen mindestens zwei Jahrzehnte lang das Monopol auf dem Gebiet der politischen Kriminalität hatten. Jene, die bei der Bewältigung der nationalsozialistischen Vergangenheit gerne von Verdrängung reden, verdrängen diese Tatsache selbst.
Der Opportunismus der CDU/CSU ist für diese Situation mitverantwortlich. Gebannt starrt die Union auf die rechte Konkurrenz, die ihr weitere Wähler abwerben könnte. Deshalb bekämpft sie voller Konkurrenzangst alle rechten und rechtsextremen Parteien, was zusätzlich noch den Nebeneffekt hat, Angriffen auf die CDU/CSU wegen eigener Rechtstendenzen entgegentreten zu können.
Die Linksextremen stellen für die CDU/CSU keine Konkurrenz um Wählerstimmen dar. Sie erzielen bestenfalls kurzfristige taktische Erfolge. Zugleich aber wird der Linksextremismus verharmlost und erscheint als weniger gefährlich, ja sogar als akzeptabel. Politik wird durch Taktik ersetzt. Kurzfristiges opportunistisches Denken von Wahl zu Wahl tritt an die Stelle langfristiger strategischer Konzepte zur Sicherung der streitbaren Demokratie. Während nach 1945 für ungefähr zwei Jahrzehnte die Gemeinsamkeit der Demokraten auf der Grundlage des antitotalitären Grundkonsens bestand, wird nunmehr dieser Grundkonsenses der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zugunsten einer antifaschistisch-volksdemokratischen Grundordnung abgelöst.
Die Weimarer Republik ist nicht an der Stärke ihrer Gegner, sondern an der Schwäche und Konzeptionslosigkeit derjenigen zugrunde gegangen, die sie eigentlich hätten stützen sollen. Es mangelt der heutigen deutschen politischen Kultur an einer strategischen, nicht nur an den Augenblick gebundenen Konzeption. Deswegen gibt es gegenüber dem politischen Extremismus, insbesondere dem linken, keine Prävention, sondern immer nur Reaktion auf aktuelle Ereignisse.
Die Sensibilität für die Gefährlichkeit des Linksextremismus wird abgebaut, er wird durch Verschweigen verharmlost oder erscheint wenigstens als das kleinere Übel. Der antitotalitäre Grundkonsens zerfällt, und der Linksextremismus kann sich etablieren.
Angesichts dieser Schwäche deutscher politischer Kultur ist eine Besinnung auf die antitotalitäre Tradition überlebenswichtig für unsere Demokratie. Der Antifaschismus ist ein Versuch desorientierter Linker, die eigene Existenz zu rechtfertigen. Es gilt, diesen Anspruch als pseudomoralisch zu demaskieren und die Lösungsvorschläge als gefährlichen Irrweg aufzuzeigen.
Ideologen, Dogmatiker und opportunistische Interessenvertreter werden indes durch Aufklärung nicht erreicht. Gerade angesichts vielfältiger historischer Vorbelastungen der Demokratie in Deutschland, einer weit verbreiteten Werteunsicherheit und Maßstablosigkeit ist es aber einen Versuch wert, der Fehlentwicklung entgegenzutreten.
Dieses Buch hätte ohne die Unterstützung meiner Mitarbeiterinnen nicht entstehen können. Mein Dank gilt deswegen Christiane Florin, Monika John und Gabriela Knütter M. A. Besonders danke ich dem Cheflektor des Ullstein-Verlages, Herrn Dr. Rainer Zitelmann, auf dessen Anregung das Buch zurückgeht.
Bonn, im September 1993 H.-H. Knütter. servus |