Deutsche Konzerne erhöhen Dividendenausschüttungen
ULF SOMMER HANDELSBLATT, 29.11.2004
DÜSSELDORF. Deutschlands börsennotierte Unternehmen verdienen in diesem Jahr so viel wie noch nie und geben einen Großteil der Erträge an ihre Aktionäre weiter. Erstmals werden im kommenden Jahr sieben Unternehmen im Deutschen Aktienindex (Dax) eine Dividende ausschütten, die es mit der Rendite deutscher Staatsanleihen aufnehmen kann oder diese sogar übertrifft. Das zeigen Berechnungen der Landesbank Rheinland-Pfalz (LRP) und des Handelsblatts.
Mit 15,2 Mrd. Euro werden die 30 Dax-Unternehmen fast so viel ausschütten wie im Rekordjahr 2000. Damals waren es nach Angaben des Deutschen Aktieninstituts 15,8 Mrd. Euro. Im kommenden Jahr zahlen vermutlich 25 Unternehmen eine höhere Dividende als 2004. Darauf deuten die Berichte zum dritten Quartal hin. Mit dem Chemie- und Pharmakonzern Bayer präsentierte in der vergangenen Woche das vorletzte Dax-Unternehmen seine Bilanz. Der Konzern war das achte Dax-Unternehmen, das seine Ergebnisprognose für das laufende Jahr erhöht hat.
Pro Aktie im Dax ergibt sich für 2005 eine durchschnittliche Dividendenrendite von 2,7 Prozent. In diesem Jahr sind es weniger als zwei Prozent. Zum Vergleich: Anleihen des deutschen Staates erbringen bei einer Laufzeit von zehn Jahren derzeit nur 3,7 Prozent.
Berechnungen der LRP zufolge schütten die Dax-Unternehmen im kommenden Jahr 41 Prozent mehr aus als 2004. Rund die Hälfte zum Gesamtplus von vier Mrd. Euro trägt die Deutsche Telekom bei. Sie kündigte nach zwei Nullrunden in den vergangenen Jahren an, im kommenden Jahr 62 Cent pro Aktie zu zahlen (siehe („Gewinnbringer“). Das ist mehr als erwartet und entspricht bei einem derzeitigen Aktienkurs von 16 Euro einer Rendite von 3,9 Prozent. Noch höhere Renditen werden Tui und Daimler-Chrysler mit 4,4 bzw. 4,6 Prozent erbringen. 3,5 Prozent und mehr können Anleger auch bei Eon, RWE, Thyssen-Krupp und MAN erwarten.
Damit liegen die Dividendenrenditen von sieben Dax-Unternehmen in der Nähe der Rendite zehnjähriger Bundesanleihen. Das hat es noch nie gegeben. Zwar ließ sich in den 70er-Jahren mit Aktien eine Dividendenrendite von bis zu fünf Prozent erzielen. Damals war die Inflationsrate aber hoch, und der deutsche Staat zahlte für seine Anleihen mehr als zehn Prozent Zinsen.
Auch bei der Hypo-Vereinsbank, Commerzbank und Lufthansa dürfte die dividendenlose Zeit vorbei sein. Bei Adidas-Salomon erwarten Analysten sogar eine fünfzigprozentige Anhebung der Dividende. Wie bei der Telekom ermöglicht auch dem Sportartikelhersteller die Schuldentilgung eine großzügige Ausschüttung. „Viele Firmen investieren weniger in Anlagen und Produkte und schütten ihre Gewinne an ihre Anteilseigner aus“, sagt Andreas Hürkamp von der LRP.
Anleger, Pensionsfonds und Investmentfonds drängen die Unternehmen zu höheren Dividenden. Deutschlands größte Fondsgesellschaft DWS mit ihrem 1,8 Mrd. Euro schweren Fonds „Top-Dividende“ etwa verzeichnet in diesem Jahr über eine halbe Mrd. Euro Zuflüsse. Der Fonds investiert weltweit in Aktien mit hoher Dividendenrendite. Die Investmentbank Goldman Sachs befragte weltweit ihre Analysten und konstatiert, dass es an den internationalen Finanzmärkten „immer mehr Hinweise gibt, dass Unternehmen ihre Dividenden erhöhen“. Das Handelsblatt errechnete, dass für die Unternehmen im Euro Stoxx 50 im kommenden Jahr die durchschnittliche Dividendenrendite bei knapp drei Prozent liegen wird. Im weltweit meistbeachteten amerikanischen Index S&P 500 dürften es knapp 2,5 Prozent sein – nach nur einem Prozent Ende der neunziger Jahre.
Stellt man die Ausschüttungen in Relation zu den Gewinnen, können sich die Unternehmen die Großzügigkeit leisten. Rund fünf Wochen vor Ablauf des letzten Quartals zeichnet sich ab, dass die Dax-Firmen in diesem Jahr so viel wie noch nie verdienen. Gegenüber 2003 beträgt das Plus 60 Prozent. Das belegen übereinstimmende Berechnungen der Finanzdatenspezialisten Ibes und JCF. Bei ihnen laufen die Unternehmensbilanzen und die Erwartungen aller großen Investmentbanken der Welt zusammen.
Die Quartalsberichte zeigen aber auch, dass der Gewinntrend im kommenden Jahr nach unten zeigen wird. Adidas-Salomon etwa verbuchte zuletzt weniger Aufträge in Europa. Viele Autokonzerne leiden unter der Euro-Stärke. Infineon gab einen vorsichtigen Ausblick. RWE kürzte die Ziele für 2004. Ibes und JCF rechnen damit, dass im kommenden Jahr das Gewinnwachstum europaweit unter zehn Prozent fallen wird. Entsprechend dürften dann auch die Dax-Dividenden nicht mehr so stark zulegen. Die LRP-Experten erwarten für 2005 „nur“ noch ein zehnprozentiges Plus. Mit dann 16,5 Mrd. Euro Gesamtausschüttung wäre aber der Rekord des Boomjahres 2000 übertroffen.
HANDELSBLATT, Montag, 29. November 2004, 06:02 Uhr
MfG kiiwii
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