Capital: Geben Sie der US-Wirtschaft keine Chance?
Christoph Bruns: Ich kann nicht erkennen, wo Wachstum herkommen soll. Die amerikanischen Konsumenten sind hoch verschuldet, ihre Einkommen kaum gestiegen. Die Arbeitslosigkeit ist hoch. Nun soll der Staat wieder einspringen, obgleich er ebenfalls immens verschuldet ist. Da sind unsere europäischen Wackelkandidaten wie Spanien oder Italien Waisenkinder dagegen.
Warum keine Zustimmung zu diesen Behauptungen von Bruns? Nun, hier ist Bruns wie viele andere Analysten auf dem Stand von Karl Marx geblieben, was ich nicht Karl Marx vorwerfen will, denn der war ein Kind seiner Zeit und kannte damals in seiner statischen Welt nur Kapitalakkumulation als Wachstumsquelle, sondern dem Bruns. Spätestens seit den Studien des Nobelpreisträgers Solow wissen wir, dass Wachstum fast ausschließlich durch technischen Fortschritt und die Steigerung der Produktiviät entsteht. Und da sind die Aussichten für die USA nachwievor hervorragend, denn die Produktivitätsteigerungen in den USA liegen langfristig immer noch bei über 2%, während Europa nur 1% schafft. Und dabei sind die Produktivitätssteigerungen in Europa sehr ungleich verteilt - während die Skandinavier fast die Amis erreichen, schaffen die Italiener nur 0,3%.
Und um jetzt noch die Kurve zu bekommen: Eine höhere Produktivität führt zu billigeren Produkten, das so übrig bleibende Geld kann für andere neue Produkte ausgegeben werden: Tablet-Compute, I-Pads usw. - wenn der Strukturwandel klappt. Das dabei zusätzliche Einkommen entstehen, scheint über den Horizont des Herrn Bruns hinauszugehen. Lieber Herr Bruns, die Höhe der Einkommenssteigerungen wird langfristig fast allein von der Steigerung der Produktivtät bestimmt - und wenn das mit Schwankungen geschieht, nennt man das Konjunktur.
Und auch in Sachen Strukturwandel sind die Amis den Europäern meist noch überlegen - und insofern sind weniger Neubaubeginne in den USA und Explosionen beim Tablet-Absatz gute Nachrichten, weil sie uns zeigen, dass in den USA der Strukturwandel gut funktioniert. Und bei Analyse der Wachstumsunterschiede hat man übrigens als Hauptursache die Unterschiede in der Adaption des Internets und alles was damit zuammenhängt geortet. |