Impfstoffe helfen dem Körper beim Kampf gegen Krebs
Von Vlad Georgescu und Maria Vollborn
Die Patientin hat den Tumor in der Brust zu spät erkannt, nun kämpfen die Ärzte um ihr Leben. Immerhin: Mehr als die Hälfte aller betroffenen Frauen überleben die Diagnose Brustkrebs, doch weit über 19 000 Frauen sterben pro Jahr, weil ihr Körper den Kampf gegen die Tumorzellen verlieren hat – trotz Operation, Chemo- oder Strahlentherapie.
DÜSSELDORF. Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit zeichnet sich nun im Kampf gegen den Krebs ein vielversprechender neuer Therapieweg ab: Eine Impfung soll den Körper beim entscheidenden Abwehrkampf unterstützen. Diethelm Wallwiener, Studienleiter und Direktor der Universitäts-Frauenklinik Tübingen, untersucht seit geraumer Zeit zusammen mit Heidelberger Kollegen die Wirksamkeit dieses Therapie-Ansatzes bei Brustkrebs-Patientinnen. Auch die Deutsche Krebshilfe ist von der Schlagkraft des Verfahrens überzeugt. Sie fördert die Studie mit über 400 000 Euro.
Die Überlegung der Forscher gründet sich auf eine Eigenart des Lebens. Im Laufe der Evolution hat sich nämlich jeder Organismus einAbwehrsystem zugelegt, das Eindringlinge wie Bakterien oder Viren an Hand bestimmter Merkmale ihrer Oberflächenstruktur und -form identifiziert. Wurden diese so genannten Antigene erkannt, produziert der Körper Killerzellen, die den Eindringling suchen und zerstören.
Bei Brustkrebs-Zellen versagt dieser Schutzmechanismus. Zwar erkennt der Organismus die Zellen an ihren speziellen Tumor-Antigenen. Nur: Die einsetzende Reaktion des Immunsystems ist meist zu schwach, um die Krebszellen auszumerzen.
An dieser Stelle setzen die neuen Impfstoffe an. Sie bestehen aus so genannten Brustkrebs-Antigenen – jenen Oberflächenmustern der echten Krebszellen also – die es zu erkennen gilt. Hierfür stellen die Forscher zunächst Tumor-Antigene im Labor her, die für den Menschen ungefährlich sind und mischen sie mit speziellen Immunzellen – den so genannten dendritischen Zellen – aus dem Blut der Patientin. Diese dendritischen Zellen nehmen die Antigene huckepack und wandern nach der Injektion des Zell-Cocktails unter die Haut mit ihrer Antigenfracht zu den Lymphknoten. Dort aktivieren sie gezielt spezifische Abwehrzellen, die alle Zellen im Körper vernichten, auf denen die Brustkrebs- Antigene sitzen – insbesondere das Tumorgewebe und die Metastasen. Eine klinische Studie an 30 Brustkrebs-Patientinnen soll nun in einer ersten Phase klären, ob die Impfung verträglich ist und ob sie auch tatsächlich so wirksam ist, wie die Forscher erhoffen. „Die Impfung erfolgt ergänzend zur Standardtherapie im Anschluss an oder in Kombination mit allgemein anerkannten Therapieverfahren“, erläutert Brigitte Gückel, Studienkoordinatorin an der Universitäts-Frauenklinik Tübingen den Einsatz des Verfahrens. Das heißt, dass die Brustkrebspatienten nicht auf die bewährten Therapien verzichten sollen, wohl aber Schützenhilfe via Spritze erhalten könnten, wenn alle Stricke reißen.
Wie steinig der Weg zum einsatzbereiten Krebsimpfstoff sein kann, zeigt ein Beispiel aus der Pharmaindustrie. So haben das kanadische Biotech-Unternehmen Biomira Inc. und die Merck KGaA in einer groß angelegten, zulassungsrelevanten Phase-III-Studie über Jahre hinweg auf den Impfstoff „Theratope“ gesetzt. Doch ausgerechnet bei Frauen mit metastasierendem Brustkrebs erfüllte er die Erwartungen nicht. Ob andere Firmen erfolgreicher sind, muss sich erst zeigen. Die in Braunschweig ansässige Vakzine Projekt Management GmbH (VPM) hat jetzt vom US-amerikanischen Memorial Sloan-Kettering Cancer Center in New York eine weltweite exklusive Lizenz für Patente erworben, die verschiedene genetisch veränderte Zelllinien umfassen. Diese sind nach Angaben der Gesellschaft für Biotechnologischen Forschung (GBF) in der Lage, das Immunsystem von Krebspatienten zu stimulieren. Auf die Ergebnisse dürften vor allem Männer gespannt sein: Der Impfstoff soll dem Prostatakrebs den Garaus machen.
HANDELSBLATT, Donnerstag, 22. April 2004, 08:30 Uhr
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