Killer-Tsunami in Südostasien !
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Es dauerte nur Stunden, bis die Welt Filme von der Tsunami-Katastrophe sah. Private Videos fanden blitzschnell den Weg ins Fernsehen
von Kathrin Spoerr
Die millionenfache Anteilnahme der Weltbevölkerung an der Flutkatastrophe in Asien hat auch diesen Grund: Die Macht der Bilder. Der Tsunami war eine der am besten bebilderten Naturkatastrophen, die es in der Mediengeschichte gab. Noch nie zuvor hatte man überhaupt je Bilder des Phänomens "Tsunami" gesehen. Selbst Forscher, die sich ein Leben lang mit der wissenschaftlichen Erklärung dieses Naturereignisses beschäftigt hatten, wußten bis zum 26. Dezember 2004 nicht, wie es aussieht, wenn die Flutwelle sich mit ihrer verheerenden Gewalt dem Festland nähert. Lediglich die Schäden, die Ereignisse wie diese hinterließen, konnten in der Vergangenheit dokumentiert werden.
Diesmal war es anders. Es dauerte gerade mal zwei Stunden, bis die ganze Welt die ersten Filme von der Flutwelle sah: Der amerikanische Nachrichtensender CNN strahlte sie zuerst aus, kurz darauf hatte auch NBC eigenes neues Material. Das deutsche Publikum mußte ein wenig länger warten.
Alle diese ersten Filme waren von Amateuren gedreht worden. Vornehmlich handelte es sich um Videoaufnahmen von Strandtouristen, die zumeist in den Feriengebieten Thailands gedreht wurden. Aber auch aus Banda Aceh in Indonesien tauchten schnell Aufnahmen auf, die von einheimischen Hobbyfilmern gedreht wurden. Wie aber kamen diese Videofilme, die eigentlich fürs Wohnzimmerkino gedacht waren, in die Fernsehstudios?
"Viele Leute, die einen besonderen Zufallsschuß auf dem Band haben, sind sich des Wertes einer solchen Aufnahme durchaus bewußt", sagt Thorsten Pütsch, Sprecher des Nachrichtensenders N24. "Sie bieten ihr Material den Sendern an. Entweder sobald sie wieder zu Hause sind, oft aber auch schon den Reportern, die später an der Unglücksstelle eintreffen." Es sei auch sehr üblich, daß sich Journalisten gezielt an Touristen wenden, in der Hoffung auf Raritäten.
Der Markt für private Videoaufnahmen floriert, seit die Kameras immer kleiner, billiger und besser werden. Der Absturz der Concorde bei Paris, der Anschlag auf die Synagoge von Djerba, die Attentate auf das Word Trade Center in New York - auf alle diese Katastrophen hatte irgend jemand gerade zufällig sein Objektiv gerichtet. "Die Qualität der privaten Aufnahmen steigt. Das Material, das wir angeboten bekommen, ist heute oft sendetauglich. Das war früher nicht so", sagt auch Michael Wulf, geschäftsführender Chefredakteur von RTL-News.
Die Bereitschaft der Fernsehsender, ihnen angebotenes Filmmaterial zu kaufen, scheint sich stark zu unterscheiden - jedenfalls aber die Bereitschaft, darüber Auskunft zu geben. Die öffentlichen Fernsehanstalten scheinen etwas zurückhaltender zu sein als die privaten. ARD aktuell beispielsweise gibt an, sich vor allem auf Agenturmaterial gestützt zu haben. Das ZDF will nur ein einziges privates Video gekauft haben - ein besonders beeindruckendes indes, gedreht von einem Ehepaar aus Norderney, das auch selbst bei Fernsehgroßereignissen wie der ZDF-Spendengala Anfang dieser Woche, auftrat. Deren Film dokumentiert neben der Welle selbst, daß das Nahen des Tsunami zunächst als attraktives Naturschauspiel wahrgenommen, und erst im letzten Moment als Gefahr erkannt wurde.
"Es ist normaler Journalistenalltag, daß uns Amateuraufnahmen über alles mögliche angeboten wird", sagt dagegen Thorsten Pütsch, Sprecher von N24. "Jedes Video, das uns geschickt wird, sehen wir uns an. Und wir senden es, wenn es in irgendeiner Form interessant ist und einen Erkenntnisgewinn bringt." Auch über Geld redet N24. "Preise zwischen 100 und 5000 Euro sind normal - je nachdem, wie gut und bedeutend die Aufnahme ist und was der Anbieter verlangt." Je mehr Material es aber gebe, desto weniger sei eine Aufnahme wert. Tsunami-Filme müßten inzwischen sehr spektakulär sein, um einen Abnehmer zu finden.
Aber längst nicht alle Sender reden so offen über ihre Strategie. Bei Deutschlands ältestem Nachrichtensender N-TV heißt es, man zahle grundsätzlich nichts für private Angebote. RTL ist nicht ganz so radikal, aber "wir sind sehr vorsichtig, weil es Leute gibt, die Geld mit dem Leid der Menschen machen wollen", gibt Wulf von RTL pars pro toto zu Protokoll. Daß RTL eine Aufnahme bezahle, sei die ganz große Ausnahme. Weniger Hemmungen haben die Sender allerdings, wenn die Agenturen, die alle Fernsehkanäle als Nachrichtenspender abonnieren, Material liefern, das ebenfalls von Privatleuten gekauft wurde. Oft verweisen die Sender private Anbieter sogar an diese Agenturen, die meist eine deutlich größere Bereitschaft zeigen, spektakuläre Privatvideos, auch für viel Geld, zu kaufen. Die wichtigsten Agenturen heißen Reuters TV und APTN. Sie verfügen über gigantische Korrespondentennetze und sind in der Regel die ersten, die über bedeutende Ereignisse berichten können. Doch natürlich kann auch das beste Korrespondentennetz nicht in der Lage sein, Zufallsaufnahmen von Unvorhersehbarem zu machen. Die Agenturen gelten sie als Hauptkäufer des Privatmaterials. Allerdings sind Reuters und APTN den meisten Fernsehzuschauern unbekannt - obwohl mehr als die Hälfte aller Berichte und Bilder auf sogenannte Feed-Material von ihnen beruht. Lehnt ein Sender aus "ethischen Gründen" ein privates Video ab, kann er es oft trotzdem zeigen, wenn es, etwas später, von einer Agentur geliefert wird.
Doch längst nicht alle Privat-Filmer wollen mit ihren Aufnahmen Geld verdienen. So bot der Österreicher Wolfgang Ranner seine Aufnahme vom zerstörten Khao Lak unentgeltlich einer Reihe von Fernsehsendern an. Er hatte von einem offenen Lastwagen aus die Kamera entlang der Hauptstraße laufen lassen. N24 zeigte seinen Film und lud ihn ins Studio ein, um ihn auch zu erläutern. Ranners Motiv: "Ich wollte allen zu Hause Bangenden helfen, sich einen authentischen Eindruck vom Ausmaß der Zerstörung zu machen."
Artikel erschienen am Sa, 8. Januar 2005
Q: http://www.welt.de/data/2005/01/08/385061.html
Gr. luki2, schönes Wochenende noch!
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Knapp zwei Wochen nach dem verheerenden Tsunami sieht sich Kanzler Gerhard Schröder heftiger Kritik von der Union ausgesetzt. Ein CDU-Bundestagsabgeordneter sprach von einem "skandalösen Versagen" bei der Soforthilfe für die Opfer. CSU-Chef Stoiber sagte, er bezweifle, dass Deutschland die zugesagten Finanzhilfen leisten könne.
Osnabrück - Der CDU-Bundestagsabgeordnete Georg Schirmbeck sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung": "Es hätten schon lange Hubschrauber nach Südostasien geschickt werden müssen." Doch sei die Bundeswehr derzeit nur ungenügend einsatzfähig, "weil sie über längere Zeit unterfinanziert" worden sei.
Statt "irgendwann Millionenbeiträge zur Verfügung zu stellen", müsse Deutschland jetzt unverzüglich und unbürokratisch helfen, verlangte Schirmbeck. Tatsächlich seien aber nicht staatliche Helfer aus Deutschland, sondern vorrangig Nichtregierungsorganisationen im Katastrophengebiet im Einsatz, kritisierte der CDU-Politiker.
Der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber stellte einem Bericht der "Bild"-Zeitung zufolge sogar in Frage, ob Deutschland die versprochene Millionensumme überhaupt aufbringen kann. "Schröder hat nicht gesagt, woher er das Geld nehmen wird", sagte Stoiber. Es sei völlig ungeklärt, "wie wir diesen Betrag von 500 Millionen Euro an Hilfen schultern können".
Die EU hatte beschlossen, insgesamt 1,5 Milliarden Euro Soforthilfe und Hilfe für den Wiederaufbau bereitzustellen. Davon stellt Deutschland mit den von Bundeskanzler Gerhard Schröder für die nächsten fünf Jahre angekündigten 500 Millionen Euro den größten Anteil, gefolgt von Großbritannien mit 75 Millionen Euro und Italien mit rund 70 Millionen Euro.
MfG
kiiwii
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500 mio € sind doch quasi Peanuts für Eichel; warum kann er dann nicht beantworten, wie er es finanziert ? Hat mit Kleinkariertheit nix zu tun, denn niemand bestreitet die Richtigkeit der Hilfe.
SPIEGEL: FLUTHILFE-FINANZIERUNG
SPD schimpft über Unions-Kritik
Der Streit über die deutsche Fluthilfe ist voll entbrannt. Als "herzlos und geschmacklos" hat die Bundesregierung die Kritik führender Unionspolitiker an den Hilfszusagen für die Krisenregionen in Asien kritisiert. Die Unionspolitiker Wulff und Stoiber hatten Klarheit über die Finanzierung der 500 Millionen Euro verlangt.
Wulff und Stoiber: Klarheit über die Fluthilfe verlangt
Weimar - Führende SPD-Politiker haben die Kritik aus der Union empört zurück gewiesen. Die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis sagte am Rande einer SPD-Vorstandsklausur heute in Weimar: "Jemand, der so rechnet, hat da, wo andere Menschen ein Herz haben, eine Registrierkasse."
Auch Bundesfinanzminister Hans Eichel zeigte sich verärgert über die Kritik der beiden Ministerpräsidenten Christian Wulff und Edmund Stoiber: "Ich habe selten - und Sie wissen, ich achte sehr aufs Geld - etwas so Kleinkariertes erlebt, wie angesichts dieser Flutkatastrophe von Herrn Wulff oder von Herrn Stoiber."
Wulff verlangt von der Bundesregierung Klarheit über die Finanzierung der staatlichen Hilfe von bis zu 500 Millionen Euro. Ähnlich hatte sich vergangene Woche auch Stoiber geäußert. Eichel ließ die Finanzierung der auf drei bis fünf Jahre geplanten Hilfe weiter offen, wandte sich aber angesichts der Katastrophe gegen Diskussionen in dieser Frage: "Natürlich müssen wir das an anderer Stelle einsparen, das kann ja überhaupt keine Frage sein. Mir kann aber auch keiner erzählen, dass das bei gutem Willen nicht geht. Darüber noch eine Debatte zu führen, da fehlt mir jedes Verständnis." Simonis sagte, Wulff sei wohl neidisch, dass er nicht die Idee zur Fluthilfe gehabt habe. Im SPIEGEL-Interview schloss SPD-Chef Franz Müntefering Steuererhöhungen für die Finazierung aus.
Wulff hatte der "Bild"-Zeitung gesagt, die deutsche Hilfe für das Katastrophengebiet dürfe nicht zu Lasten anderer Regionen gehen. "Es wäre nicht zu verantworten, dass durch Umfinanzierung Kinder in Ruanda und Sudan verhungern." Wulff äußerte die Befürchtung, dass die Spendenbereitschaft der Bevölkerung nachlassen könne, wenn die Bundesregierung die Finanzierung der staatlichen Hilfe nicht transparent mache.
Schröder und Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul berichteten dem in Weimar tagenden SPD-Vorstand über die Fluthilfe.
MfG
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Thailand wird nach Angaben aus Behördenkreisen die Untersuchung von mehr als 2000 nicht identifizierten Opfern wiederholen. Dazu gehöre die Exhumierung von mehr als 600 Leichen, hieß es am Montag.
Dieser Schritt sei nötig, weil viele Opfer direkt nach der Flut vor zwei Wochen hastig beerdigt worden seien. Selbst die grundsätzliche Einteilung nach Thailänder oder Ausländer müsse neu vorgenommen werden.
In Thailand waren in den Fluten vom 26. Dezember nach offiziellen Angaben 5303 Menschen umgekommen. Davon sind 2159 nicht identifiziert. In dem Land werden auch noch zahlreiche deutsche Urlauber vermisst.
Dokumente und DNA-Tests nötig
„Wenn wir von jetzt an sagen, dass wir sie identifizieren können, müssen wir ihre Namen kennen und irgendeine Art Dokument haben, das ihre Identität bestätigt", teilten die Behörden mit.
Innenminister Bhokin Bhalakula kündigte DNA-Tests bei allen nicht identifizierten Leichen an. Ausländer, die befürchteten, dass unter den Toten Angehörige seien, sollten bei der Polizei ihrer Heimatländer eine genetische Probe abgeben.
Diese werde dann für einen Vergleich nach Thailand geschickt. Ein Sprecher der Behörden in Phang Nga sagte, auch bei vielen bereits genetisch untersuchten Leichen müsse der Vorgang wiederholt werden, weil die aufgemalten Identifikationsnummern später durch ein Desinfektionsmittel weggewischt worden seien.
Asiate oder Europäer?
Der Chef einer forensischen Einheit der britischen Polizei in Thailand, Graham Walker, sagte der Nachrichtenagentur Reuters, die Einordnung als Asiate oder Europäer müsse von drei Ärzten einstimmig getroffen werden.
Dabei würden unter anderem die Gesichtsknochen und das Behaarungsmuster an den Armen begutachtet. Gegenwärtig arbeiten Gerichtsmediziner aus mehr als 20 Ländern an der Identifizierung der Leichen. Solche, die vermutlich von Ausländern stammen, werden in gekühlten Behältern aufbewahrt.
Die Identifikation dürfte Wochen, wenn nicht sogar Monate dauern.
Q: http://focus.msn.de/hps/fol/newsausgabe/newsausgabe.htm?id=10331
Gr. luki2
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Die Politiker aus den westlichen Ländern sollten ihre Besuche in den südostasiatischen Krisengebieten sofort stoppen, fordert der Chef der Uno-Helfer in Thailand. Denn durch die Visiten werde die Arbeit in den von der Flutwelle zerstörten Regionen oft völlig blockiert.
Oslo/Phuket - In der vergangenen Woche seien allein zwölf Außenminister nach Phuket gekommen, beklagte sich Jan Eil Mosand in einem Interview mit dem Osloer Rundfunksender NRK. Neben der aufwendigen Betreuung vor Ort nannte Der Norweger vor allem Sicherheitsmaßnahmen am Flugplatz als größtes Problem durch die Besuche von ausländischer Politprominenz. "Diese Besuche blockieren mitunter unsere Arbeit fast völlig", sagte Mosand in Phuket. Die westlichen Politiker sollten ihre Besuche in den Katastrophengebieten deshalb sofort stoppen.
MfG
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In New York ließ die UNO erklären: Nach der Flut komme die größte UN-Hilfsoperation aller Zeiten. Die Arbeit taten derweil andere, von Armeestäben mit ihren Pionieren bis hin zu vielen kleinen NGOs. Regierungen kamen, die deutsche mit der Bundeswehr und dem Technischen Hilfswerk, dem weltweit wohl besten zivilen Wiederaufbauteam. Wo aber ist die UNO?
Eine Organisation, die sich jetzt auch wieder nur in den klimatisierten Sälen der großen Hotels in Jakarta und Bangkok aufhält, ist nicht in der Lage, die Hilfe und die Helfer vor Ort zu organisieren, gar die Führung zu übernehmen. Die UNO hat schon auf dem Balkan, in Ruanda, in Liberia und in Sierra Leone versagt. Ganz zu schweigen vom Süd-Sudan. Aber sie konnte sich bisher immer durchmogeln, weil unsere Abgeordneten nicht so genau nachfragen.
Ich sage das ungern, und es war nicht immer so. Ich erinnere mich an den 15. Mai 1980 - es war meine erste Begegnung mit der UN-Flüchtlingsagentur UNHCR. Zu dritt oder viert haben wir in dem Lager Cam Camp die Zelte aufgeschlagen und Hand angelegt. Einer der UNHCR-Leute war ein patenter Australier, Miller hieß er. Ich kann ihn nicht vergessen: Denn solche Leute gibt es nicht mehr. Sie fahren durch die Straßen der jeweiligen Hauptstädte und sonnen sich im Bewußtsein ihrer Bedeutung.
Die UNO hilft gern, indem sie massenhaft Nahrungsmittel bereitstellt. Oft viel zu lange. In Afghanistan etwa ist es mittlerweile so, daß dieses fleißige Volk keine Gratisnahrungsmittel mehr braucht. Ja, die Bauern und kleinen Landwirte beklagen sich, denn die Gratisnahrungsmittel verderben ihnen die Preise.
Die UNO-Agenturen, die ich besuchte, haben nie ein Ergebnis vorweisen, nie ein Termingeschäft abwickeln müssen. Im Kosovo, von der dortigen Bevölkerung Unmikistan genannt (wegen der UN-Mission im Kosovo UNMIK), funktionierte auch drei Jahre nach der Vertreibung der Serben 1999 die Strom- und Wasserversorgung noch nicht. Es handelt sich wohlgemerkt um das kleinste Land Europas. Hätte man diese Arbeiten einer großen Firma als Termingeschäft gegeben, hätte sie das termingerecht abgeschlossen. Die UNO-Verwaltung nicht.
Niemand trägt bei der UNO politische Verantwortung, zum Beispiel für das Desaster in den schönen Flüchtlingslagern um den Kivu-See im Grenzgebiet von Ruanda. Dort fütterte die UNO die Völkermörder. Sie waren clever genug, von den Nahrungsmitteln etwas einzubehalten, zu verkaufen und Waffen dafür zu erwerben.
Die UNO darf sich nicht im Faulbett der Gelder ausruhen, die aus aller Welt reichlich kommen. Das tut sie aber andauernd. Sie muß ihre diplomatische Unnahbarkeit überwinden. Die UNO-Hilfsagenturen müssen wieder operational werden. Die Millers müssen wieder dort arbeiten. Das Flüchtlingswerk UNHCR darf nicht mehr das Budgetgeld aus dem deutschen Haushalt bekommen und das Geld - unter Einbehaltung von 20 Prozent - an kleinere NGOs weitergeben, die dann die Arbeit tun.
Solche bürokratischen Weltagenturen haben ihre Führungsrolle verspielt. Rupert Neudeck
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Laut einer umstrittenen Theorie sind die Kanaren eine tickende Zeitbombe. Sie könnten auseinander brechen und eine verheerende Flutkatastrophe in Europa und sogar den USA auslösen.
Das Szenario könnte dem Drehbuch eines Horrorfilms aus Hollywood entstammen. Ein Vulkanausbruch auf der Insel La Palma lässt das Kanaren-Eiland in zwei Teile auseinander brechen und eine Hälfte in den Atlantik stürzen. Dadurch würde nach Ansicht des britischen Wissenschaftlers Bill McGuire ein Mega-Tsunami ausgelöst, der die Flut in Asien noch in den Schatten stellen würde.
Die Horrorvision von McGuire ist nicht neu. Der Wissenschaftler vom Londoner Benfield Hazard Research Centre hatte sein Katastrophenszenario schon vor vier Jahren entwickelt. Doch durch die Flut in Asien erhielten seine Prophezeiungen neue Aktualität. In der Fachwelt ist die Theorie jedoch heftig umstritten. "Sie ist schlichtweg Unsinn", sagt Juan Carlos Carracedo. Der führende Vulkanologe auf den Kanarischen Inseln hält die Theorie für "übertrieben und falsch".
Hintergrund: Tsunamis - Berge aus WasserInfografik: So funktioniert ein Tsunami-FrühwarnsystemNaturkatastrophe: Die asiatische Apokalypse20 Meter hohe Wellen könnten New York zerstören
Nach dem Szenario von McGuire könnte bei einem Einsturz der Insel die Flutwelle an den Kanaren eine Höhe von über 100 Metern erreichen und sich mit der Geschwindigkeit eines Düsenjets über den Atlantik ausbreiten. An der Ostküste der USA hätte die Welle danach noch eine Höhe von 20 Metern und immense Zerstörungen in Städten wie New York oder Miami zur Folge.
In den USA, Spanien, Portugal, Großbritannien, Frankreich, in der Karibik und Westafrika wäre das Leben von Millionen von Menschen in Gefahr, warnte McGuire. Noch im vorigen Sommer forderte der Experte die US-Regierung auf, für den Ernstfall Evakuierungspläne auszuarbeiten. Außerdem müsse auf La Palma der Vulkan Cumbre Vieja von Wissenschaftlern ständig genau beobachtet werden.
Die Insel wird auseinander brechen
Die Fachwelt ist sich weitgehend einig, dass die Insel irgendwann mal auseinander brechen könnte. Die meisten Wissenschaftler halten es jedoch für unverantwortlich, den Anschein zu erwecken, als stünde eine solche Katastrophe in naher Zukunft bevor. "Wir haben es hier mit geologischen Prozessen zu tun, die sich in Zeiträumen von Millionen von Jahren abspielen", sagt Carracedo.
Im Zentrum der Theorie steht der Vukan Cumbre Vieja zeichnet sich dadurch aus, dass seine Wände Risse aufweisen. Niemand weiß, wie viele Ausbrüche der Vulkan aushalten wird. In den vergangenen 500 Jahren brach er sechs Mal aus, zuletzt 1949 und 1971. Laut Carracedo blieben all diese Ausbrüche ohne große Folgen: "Wenn der Cumbre Vieja das nächste Mal ausbricht, wird mit ziemlicher Sicherheit nichts passieren."
McGuire räumte mittlerweile ein, dass sein Katastrophen-Szenario nur eine Hypothese sei. "Niemand weiß, ob es wirklich so kommen wird", sagte er der Madrider Zeitung "El Mundo". Auf die Frage, ob er sich trotz seiner Horrorvision auf La Palma ein Haus kaufen würde, antwortete der Wissenschaftler: "Ja, ich spiele sogar ernsthaft mit dem Gedanken. Mir gefallen die Kanarischen Inseln sehr."
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Sollte der Teil wirklich mal abrutschen, wird man die Weltkarten neu drucken müssen. Vielleicht ist die Plattenverschiebung doch ein Vorbote von größeren Veränderungen in naher geologischer Zukunft...also in ca. einigen 10.000 Jahren.
Wir werdens sehen oder eben nicht.
utscheck
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Der Uno-Koordinator für humanitäre Einsätze, Egeland, hat mitgeteilt, dass jedes Jahr rund 250 Millionen Menschen von Naturkatastrophen betroffen seien. Diese seien für die Menschheit bedrohlicher als Krieg und Terror. Er forderte den Aufbau eines umfassenden Frühwarnsystems.
Drei Milliarden Menschen leben in gefährdeten Gebieten
New York - Erdbeben, Flutwellen und Wirbelstürme bedrohen nach Einschätzung der Vereinten Nationen die Menschheit in weitaus stärkerem Maß als Terrorismus und Kriege. Jan Egeland, Uno-Koordinator für humanitäre Einsätze, sagte in New York, weltweit seien Jahr für Jahr 250 Millionen Menschen direkt von Naturkatastrophen betroffen. Drei Milliarden Menschen, also rund die Hälfte der Weltbevölkerung, lebten in gefährdeten Regionen. Vehement forderte Egeland den Aufbau wirksamer Frühwarnsysteme.
Mit Blick auf die verheerende Flutkatastrophe in Asien mit mehr als 150.000 Toten sagte er: "Der nächste Tsunami kommt vielleicht erst in hundert Jahren. Aber nächstes Jahr wird es wahrscheinlich mehrere Wirbelstürme geben, die genauso viele Menschen in Lebensgefahr bringen." Kuba habe zum Beispiel schon ein gutes Orkan-Warnsystem, Haiti aber nicht. "Wir brauchen ein internationales System", forderte er.
Egeland nannte es "unglaublich", dass Experten am 26. Dezember seit Stunden von dem drohenden Tsunami im Indischen Ozean wussten, zur selben Zeit sich aber tausende Menschen ahnungslos am Strand aufhielten und nicht gewarnt wurden.
Vom 18. bis zum 22. Januar wird es im japanischen Kobe zur Internationalen Konferenz zur Katastrophenvorsorge kommen. Zu dem Treffen werden 4000 Teilnehmer aus 140 Staaten erwartet. Hauptthema ist ein globales Frühwarnsystem, das den Planungen zufolge noch in diesem Jahr in Betrieb gehen soll.
Auch Uno-Generalsekretär Kofi Annan hatte sich für ein weltumspannendes Warnsystem für Tsunami-Wellen und andere Naturkatastrophen ausgesprochen. Kein Teil der Welt dürfe vergessen werden, mahnte er an.
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SPIEGEL
Deutschland will Warnsystem für 45 Millionen Euro bauen
Die Bundesregierung will in Südostasien ein Tsunami-Frühwarnsystem aufbauen - als Entwicklungshilfe für die von der Flut betroffenen Länder. Die Kosten bezifferte Forschungsministerin Edelgard Bulmahn auf 45 Millionen Euro.
Ministerin Bulmahn: "Es geht nicht um Konkurrenz, sondern um schnelle Hilfe"
Berlin - Das Angebot an die südostasiatischen Länder steht: Deutschland will in der Region ein Tsunami-Warnsystem aufbauen, das von führenden deutschen Geowissenschaftlern entwickelt werden soll. Das System koste 45 Millionen Euro und könne Teil der von der Bundesregierung angebotenen Hilfe über 500 Millionen Euro sein, sagte Forschungsministerin Edelgard Bulmahn heute in Berlin. Zuvor hatten die Wissenschaftler ihr Konzept bei Bundeskanzler Gerhard Schröder vorgestellt.
Schröder erklärte, ein solches Warnsystem könne nur gemeinsam mit den betroffenen Ländern und den anderen Partnerstaaten aufgebaut werden. "Das erfordert eine internationale wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit auf höchstem Niveau", sagte der Kanzler.
Laut Bulmahn soll bereits die kommende Woche beginnende Internationale Konferenz zur Minderung von Katastrophenfolgen im japanischen Kobe über das deutsche Konzept beraten. Der Plan für ein satellitengestütztes Warnsystem war von Wissenschaftlern des Geoforschungszentrums Potsdam (GFZ), der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover sowie dem Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-Geomar) in Kiel erarbeitet worden.
"Deutsche Geoforschung international führend"
Dreistufige Vorwarnung: Wie ein Tsunami-Vorhersagesystem funktioniert
Bulmahn erklärte, das deutsche System sei offen für die Kombination mit entsprechenden Systemen der USA und Japans. "Es geht nicht um Konkurrenz, sondern wir wollen eine schnelle Hilfe für die Menschen." Die deutsche Geoforschung sei international führend und verfüge über modernste Technologie.
Noch in diesem Jahr soll entschieden werden, welches System im Indischen Ozean eingerichtet wird. "Wir wollen mit den betroffenen Ländern kooperieren", sagte Bulmahn. Außerdem wolle die Bundesregierung das System auch in Europa anbieten, um etwa im Mittelmeer drohende Tsunamis rechtzeitig erkennen zu können.
Das deutsche Frühwarnsystem könnte dem GFZ-Vorstandsvorsitzenden Rolf Emmermann zufolge in zwei Stufen aufgebaut werden. Binnen einem bis drei Jahren könne zunächst das eigentliche Frühwarnsystem mit neu entwickelten Drucksensoren am Meeresboden, Funk-Bojen und moderner Auswertungssoftware an Land errichtet werden, sagte er.
Meeresboden-Sensor des PMEL vor dem Aussetzen: Tsunami verrät sich durch Druckschwankungen
Die Bojen sind laut Emmermann eine bereits erfolgreich getestete Neuentwicklung. Das von den Deutschen entwickelte System biete erstmals die Möglichkeit, Bewegungen der Bojen millimetergenau in Echtzeit zu erfassen. Nur Deutschland verfüge über einen entsprechend spezialisierten Satelliten mit einem GPS-Empfänger und damit über die Möglichkeiten, Meeresoberflächen stetig auszumessen. In einigen Jahren könnten mit dem System sämtliche Meeresoberflächen weltweit in Echtzeit überwacht werden, betonte Emmermann.
Ein erstes Basis-Warnsystem im südasiatischen Raum würde rund 25 Millionen Euro kosten, der Aufbau ein bis drei Jahre dauern. "Wir haben die Partner zusammen, um das zu leisten", sagte der GFZ- Forscher. Die seit Jahren bestehenden Kontakte vor Ort erleichterten den Aufbau nationaler Datenzentren in den betroffenen Ländern. Ein großer Vorteil des deutschen Konzeptes sei zudem, dass es sich auf andere Regionen wie den Mittelmeerraum übertragen und problemlos mit weiteren Konzepten ergänzen lasse. Auch die Erfassung von Hurrikanen und anderen Wetterphänomenen sei möglich.
Ein großes Problem bliebe allerdings auch mit der besten Vorhersage zunächst ungelöst: Viele Menschen in Südasien sprächen kein Englisch und hätten weder Handy noch Radio, sagte der Präsident der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover, Friedrich-Wilhelm Wellmer. "Wir müssen Strukturen im Lande schaffen, mit denen die Informationen auch wirklich bis nach unten geleitet werden."
Zweifel am deutschen Konzept
Tsunami-Boje des amerikanischen PMEL: Aufbau eines funktionierenden Frühwarnsystems hat Jahrzehnte gedauert
Den Forschern des Potsdamer Geoforschungszentrums GFZ steht derzeit ein Netz von rund 50 Erdbeben-Messstationen zur Verfügung. Wegen der hohen Tsunami-Gefahr sollen im Indischen Ozean etwa 30 bis 40 weitere Messstationen entstehen.
Experten außerhalb Deutschlands bezweifeln allerdings, ob die ehrgeizigen Pläne der deutschen Forscher realistisch sind. US-Forscher hatten Jahrzehnte gebraucht, ehe sie im Pazifik - wo 90 Prozent aller Tsunamis entstehen - über ein funktionierendes Frühwarnsystem verfügen konnten.
Die Unesco will bis Mitte 2007 ein globales Tsunami-Warnsystem vorbereiten. Im Juni 2006 könnte als erster Teil ein regionales System für den Indischen Ozean aufgebaut sein, sagte der Generaldirektor der UN-Organisation für Kultur, Bildung und Wissenschaft, Koichiro Matsuura, in Paris. Auf 30 Millionen Dollar schätzt Matsuura die Kosten für dieses Regionalsystem, ein bis zwei Millionen Dollar werde der Betrieb jährlich ausmachen. Wichtig für den Aufbau des Systems sei die Zusammenarbeit der Unesco-Ozeanographen mit der Welt-Wetterorganisation (WMO) und anderen internationalen Partnern.
MfG
kiiwii
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Eine der schlimmsten Naturkatastrophen in der Menschheitsgeschichte hat auch eine gewaltige Spendenbereitschaft mit sich gebracht. Privatpersonen, Institutionen und Regierungen sprachen den betroffenen Gegenden Rekordspenden zu.
Immer mehr Unternehmen aus aller Welt folgen diesem 'Trend' und zeigen sich solidarisch. So stellten Riesenkonzerne wie Siemens oder Kimberly-Clark bereits Geld- und Sachspenden in Millionenhöhe in Aussicht.
Laut Analysten beläuft sich die Summe der Spendengelder, alleine von Unternehmen und deren Mitarbeitern, weltweit auf über eine Milliarde US-Dollar. 'Sowas hat es zuvor noch nie gegeben', lassen Experten verlauten.
Quelle: www.stock-alert.org
von www.shortnews.de
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Jakarta - Wie das indonesische Gesundheitsministerium bekannt gab, beläuft sich die Zahl der Opfer allein in dem Land auf mittlerweile 166.320. Laut Ministerium beruhen die Angaben auf den letzten Berichten aus den verwüsteten Provinzen Aceh und Nord-Sumatra. Dort richtete der Tsunami nach einem Seebeben der Stärke 9 die größten Schäden an. Die neuen Zahlen schlössen zahlreiche Personen ein, die zuvor noch als vermisst galten, sagte ein hochrangiger Mitarbeiter des Ministeriums.
In der Provinzhauptstadt Banda Aceh und an der zerstörten Nordwestküste Sumatras werden jeden Tag noch etwa 2000 Leichen geborgen. "Wir haben schon mehr als 90.000 Menschen begraben. Nach unseren Schätzungen könnten es bis zu 150.000 werden", sagte Haniff Asmara von der Sozialbehörde der Provinz Aceh. Rund 700.000 Menschen hätten ihr Obdach verloren. Die Verteilung der Hilfsgüter ist laut Asamara wegen der zerstörten Infrastruktur und der schwierigen Sicherheitslage durch muslimische Separatisten nach wie vor ein großes Problem. "Allein an der Westküste wurden mindestens 30 Brücken weggespült."
Der Weltgesundheitsorganisation WHO bereitet derweil weiterhin die Gefahr eines Ausbruchs von Seuchen unter den Überlebenden Sorge. "Manche haben uns vorgeworfen, wir hätten überreagiert. Aber ohne Zahlen nennen zu können, haben wir es immer noch mit einem sehr großen Teil der Bevölkerung zu tun, der sehr großen gesundheitlichen Risiken ausgesetzt ist", sagte der WHO-Sprecher in Aceh, Bob Dietz. Besonders achte man auf einen möglichen Ausbruch von Cholera, bereits existierende Fälle von Malaria und andere durch Wasser übertragbare Krankheiten. Zudem sei die Gesellschaft traumatisiert.
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Und der Tod ist ihr Leben
Es ist keine schöne Arbeit. Aber irgendjemand muss sie machen. Sechs Wochen nach der Tsunami-Katastrophe kämpfen Freiwillige noch immer um die Würde der Opfer.
Von Stefan Klein
Unter den Trümmern liegen noch immer Leichen.
Foto: Reuters
So eine Farbe. So eine unpassende, obszöne Farbe. Schwarz wäre in Ordnung, auch Grau – aber Rosa? Hier an diesem Ort? Schreiendes, bonbonfarbenes Rosa? Der Fetzen sieht aus, als hätte er mal zu einem Bettüberzug gehört. Ein Relikt aus jenen fern vergangenen Zeiten, als Betten noch überzogen wurden und verwegenes Rosa Ausdruck von Lebensfreude war. Jetzt hängt das Stück Stoff an einem Stock, und der Stock steckt in einem haushohen Haufen Müll.
Einem der vielen, die übrig blieben, nachdem die Wellen sich ausgetobt und ausgekotzt hatten. Wie eine Flagge auf den Zinnen einer Burg sieht das beinahe aus, nur dass das rosafarbene Tuch kein Schmuck ist, sondern ein Zeichen. Ein unmissverständliches Zeichen für Fauzi Husaini und seine Männer.
Mürbe Bretter krachen und rostiges Wellblech knattert empört, als sie sich an die Besteigung des Haufens machen, dessen Geheimnis nun gleich enttarnt werden wird. Denn die Markierung auf seinem Gipfel sagt ihnen, dass hier nicht nur jede Menge Unrat liegt, sondern auch noch etwas anderes: die Überreste eines Menschen.
Körper unter Trümmern...
Die Männer tragen Gummistiefel und Schutzanzüge, weiße Overalls aus Kunststoff, aber den oberen Teil haben sie meist heruntergeklappt, es ist zu heiß. Sie tragen Handschuhe, die viel zu dünn sind und viel zu kurz. Fauzi hält etwas in der Hand, das er gleich entfalten und ausbreiten wird, aber erst zieht er den Stock mit dem bonbonfarbenen Tuch heraus und wirft ihn zur Seite.
Das wirkt, als wollte er sagen: Dieser Auftrag hier ist praktisch schon erledigt, wieder wird auf dem Weg zurück zur Normalität eine kleine, eine ganz kleine Etappe zurückgelegt sein. Ein Kollege hat schon angefangen mit der Arbeit. Zwei Hände in Handschuhen zerren Bretter zur Seite, dann reißen sie graues Gestrüpp weg.
Fauzi steht daneben und breitet bedächtig den makellos weißen, fabrikfrischen bodybag aus, den Leichensack. Was der Kollege in wenigen Minuten freilegt, ist die Leiche einer Frau. Sagt er. Der Mann hat die Erfahrung von Wochen und wird es wissen. Wir sehen etwas Erdfarbenes, etwas Pergamentenes, sehen ein weit aufgerissenes Gebiss und denken: eine Frau? Ein menschlicher Körper?
Nur noch Bruchstücke
Nach sechs Wochen Verwesung in tropischer Hitze ist da nur noch eine sehr entfernte Ähnlichkeit, aber was sich erhalten und dem Verfallsprozess widerstanden hat, sind ein dünnes Goldkettchen und ein Paar Ohrringe. Die Hände in den Handschuhen entfernen beides, wickeln es in ein Stück Papier und stecken es in einen Gummistiefel. Dann kommen zwei weitere Hände in Handschuhen dazu, und gemeinsam fassen sie an und betten um, was einen brutalen Geruch ausströmt und so mürbe ist, dass es auseinander zu fallen droht.
Ein Reißverschluss geht zu, ein weißer Plastiksack mit Inhalt wird hochgehoben und einem der Männer auf die Schulter gelegt. Beim Abstieg über wild ineinander verkeilte Stämme und Bretter kommt er ins Straucheln, und der Leichensack rutscht ihm vom Rücken. Ein Kollege lacht und hilft ihm wieder auf. Kurz danach liegt der Sack mit etwa einem Dutzend anderen auf der Ladefläche eines Lastwagens.
Für Fauzi und seinen Trupp ist dies ein Tag wie alle anderen auch. Er beginnt um neun Uhr morgens in Banda Aceh auf dem Gelände einer Autofirma, wo jetzt das indonesische Rote Kreuz sein Hauptquartier hat. Das ist seit der Katastrophe am 26. Dezember gefordert wie noch nie, und eine seiner Aufgaben ist die Suche nach Leichen.
So viele auch schon gefunden und bestattet worden sind, es sind Tausende, die noch herumliegen, und um die zu bergen, schwärmen jeden Tag in Aceh Suchtrupps von Freiwilligen aus, so wie der von Fauzi Husaini. An diesem Morgen macht er sich mit 16 Mann auf den Weg nach Lam Hasan.
Schutzlos der Welle ausgeliefert
Fas war eine dörfliche Wohngegend westlich der Stadt Banda Aceh, nah am Meer und deshalb der Wucht der Wellen schutzlos ausgesetzt. Als die drei Lkws und die Ambulanz, in die sich die Männer gequetscht haben, anhalten, sind sie in einer grauen, leblos wirkenden Wüste aus Schlamm und Müll. Was Mensch und Natur hier einst geschaffen hatten, existiert nurmehr in Form von Bruchstücken.
So sehen die Bilder in schlimmen Träumen aus, aber hier ist kein Aufwachen in heiler Welt. Dies ist der Arbeitsplatz von 17 Männern für einen Tag. Als sie am 28. Dezember zum ersten Mal auszogen, hatten sie am Abend 200 Leichen geborgen. Da war die Arbeit insofern noch leicht, als das Land übersät war mit Toten und man nicht lange suchen musste. Das ist jetzt anders.
Schichten von Müll und Trümmern sind abzutragen, aber andererseits gibt es eine Hilfe, die damals noch nicht existierte. Von den Überlebenden sind inzwischen einige zurückgekommen, für ein paar Stunden, für einen Tag, um zu gucken, was von ihren Häusern übrig geblieben, was von den Trümmern vielleicht noch zu gebrauchen ist. Entdecken oder vermuten sie dabei eine Leiche, dann stellen sie einen Stock mit einem Stofffetzen auf – als Wegweiser für die Bergungsteams. Fehlt es an solchen Zeichen, bleibt den Suchern nur eines: der Geruchssinn.
Schlamm und schwarzes Wasser
An diesem Tag gibt es viele Zeichen. Da hinten zum Beispiel der grüne Lumpen an dem Stecken, der aus dem Morast stakt. Wenn die Wüstenei wenigstens trocken wäre. Auch dann wäre sie noch unangenehm genug mit ihren rostigen Nägeln in irgendwelchen Latten, mit all den scharfkantigen Metallteilen und zerborstenen Hölzern, auf die man treten oder in die man fallen kann.
Mit entwurzelten Baumstämmen, die den Weg versperren. Mit Müllhaufen, die plötzlich nachgeben. Seitdem es geregnet hat, ist alles aber noch schlimmer geworden. Schlamm und trübes Wasser haben sich ausgebreitet, und die Männer sehen kaum noch, wo sie hintreten.
Schlamm schmatzt und schwarzes Wasser spritzt, als sie sich zu dem grünen Lumpen vorarbeiten. Eine seifige Matratze, ein Kleiderbügel, ein Fensterrahmen, zwei leere Säcke markieren den Weg, am Ende müssen sie über den Stamm einer Palme balancieren. Und dann ist da wieder etwas, das auszugraben, einzupacken, zu schultern und abzutransportieren ist.
Es stellt sich jedoch heraus, dass die Leiche im Morast zwischen zwei Baumstämmen eingequetscht und nicht zu bewegen ist. Eine Kettensäge wird geholt, und es beginnt ein harter Kampf um einen verwesten Körper. Im Schlamm stehend sägen sie aus den Stämmen einzelne Stücke heraus und wälzen sie beiseite.
Gerade mal eine Tetanus-Impfung
Schließlich liegt die Leiche frei, aber sie liegt tief im Matsch, und die Handschuhe sind so kurz und kein wirklicher Schutz. Schlecht seien sie für ihren gefährlichen Job ausgerüstet, sagt Fauzi. Eine Tetanusimpfung, die immerhin haben sie bekommen, aber sonst? Ungeeignet sind nicht nur die Handschuhe, sondern auch die Atemschutzmasken. Die benutzen sie gar nicht, weil man angeblich kaum Luft bekommt damit.
Ein Wunder fast, dass noch keiner im Team krank geworden ist. Nach 20 Minuten ist die Leiche ausgegraben und verpackt. Fauzi zieht sich den Overall hoch und die Kapuze über den Kopf, dann schultert er den Sack und arbeitet sich mit seiner Last zurück Richtung Lkw. Der Kollege mit der Säge folgt.
In Sri Lanka haben sie es sich einfacher gemacht. Da wurden die Tsunami-Todesopfer an Ort und Stelle mit Benzin übergossen und verbrannt. In einem muslimischen Land geht das nicht, in einer so strenggläubigen Region wie Aceh erst recht nicht. Da müssen Leichen geborgen und ordentlich begraben werden. Deshalb hat für Fauzi Husaini und seine Helfer seit dem 28. Dezember bis auf einen muslimischen Feiertag die Arbeit nicht mehr aufgehört.
Jeden Morgen neu sind sie ausgezogen und haben in und um Banda Aceh herum das Land nach Leichen durchsucht, und die 30 000 Rupien, kaum 30 Cents, die der Tageslohn dafür sind, waren noch der geringste Anreiz. Für Sahwin zum Beispiel gibt es ganz andere Beweggründe. Er ist 24 Jahre alt, Student, und gehört seit dem ersten Tag zu Fauzis Team. Als Muslim, sagt er, betrachte er es als seine Pflicht, sich an dieser Arbeit zu beteiligen, auch wenn Freunde ihn deswegen für verrückt erklärt hätten.
Es ist Mittagspause. Fauzi, Sahwin und die anderen haben sich auf einen Baumstamm gesetzt oder irgendwo auf dem Boden ausgestreckt. Es mag religiöse Pflicht sein, es könnte aber auch so etwas wie ein Stück Trauerarbeit sein, denn betroffen sind sie ja fast alle. Fauzi hat seinen Bruder sowie dessen Frau und zwei Kinder verloren.
Syahrial, Dozent von Beruf, hatte eine Frau, drei Kinder, eine Schwiegermutter, ein Auto und 300 Bücher – heute hat er nichts mehr. Noch nicht mal die Leichen seiner Lieben hat man gefunden, und so ist er Totensucher geworden und findet andere Leichen, Dutzende, jeden Tag.
Vielleicht ist das ein Trost. Fauzi zündet sich eine Zigarette nach der anderen an. Er war arbeitslos, ehe das Rote Kreuz ihn auf die Toten von Aceh angesetzt hat. Still sitzt er da. Die Füße hat er von den Gummistiefeln befreit und auf einen zusammengefalteten Leichensack gestellt, den er vor sich hingelegt hat. Ein Stück glattes, sauberes, fabrikfrisches Plastik.
Kokosnüsse im Leichensack
Jemand schleppt Kokosnüsse an. Lam Hasan mag eine Todeszone sein, ein Ort von Chaos und Zerstörung, aber er trägt auch immer noch Leben in sich. Auf den ersten Blick wirkt es, als wuchere hier nur das Wellblech, aber der Regen hat selbst hier Zartgrünes, Lebendiges aus grauem, scheinbar totem Boden getrieben, und ein paar Kokospalmen waren ja ohnehin stehen geblieben.
Kokosnüsse also, angeschleppt in einem Leichensack, und Ridwan, einer der Lastwagenfahrer, stutzt sie mit dem Haumesser zurecht, bis man die Milch trinken kann. Ridwan ist laut und schrill und albern, er macht den Clown, und das tut der Truppe gut, denn er bringt sie zum Lachen und lässt sie für ein paar Minuten vergessen, dass ihr Leben der Tod ist und immer nur der Tod.
Es geht auf 14 Uhr, die Sonne brennt von einem wolkenlosen Himmel, als Fauzi seine Füße von dem Stück Plastik nimmt, die Gummistiefel wieder anzieht und losgeht. Er sagt nichts, gibt keine Anweisungen, ruft keine Befehle, geht einfach nur los, und die anderen folgen. Nicht lange danach geschieht ein Wunder, ein kleines jedenfalls.
Wir hätten es fast nicht mitbekommen, weil wir nämlich Fadhil zugesehen hatten in seinem schier aussichtslosen Kampf an einer Stelle, wo drei, vier Bäume stehen geblieben waren, die die Wellen offensichtlich nicht hatten brechen können. So war eine Barriere entstanden, vor der sich der Unrat meterhoch gestaut hatte – Wellbleche, Bretter, Fensterrahmen, Teppiche, Türen, Gesträuch, Betonpfeiler.
Es ist ein wilder, mit großer Kraft zusammengedrückter Verhau, aber markiert mit einem Zeichen. Einem roten Tuch. Fadhil, ein junger Mann mit langen, schwarzen Haaren, ist kräftig und zäh. Er zieht und zerrt, ein Kollege kommt dazu, und sie ziehen und zerren gemeinsam. Der Geruch sagt ihnen, dass sie nah dran sind, und die aufgescheuchten, böse brummenden Insekten sagen es auch. Aber sie kommen nicht näher, eine Wand aus Holz und Wellblech ist im Weg, und die Kettensäge ist gerade woanders im Einsatz.
Kampf gegen Gestank und Insekten
Es läge nahe aufzugeben. Zu sagen: Es geht nicht, es soll nicht sein. Aber die beiden jungen Männer machen weiter in dem Gestank und dem Insektengesumm, sie versuchen es von der einen Seite, dann von der anderen, der Schweiß läuft ihnen über die Gesichter, sie kämpfen, und schließlich ist der Kampf gewonnen. Keiner hat danach mehr die Kraft, den Fund auf der Schulter zu tragen. Sie packen jeder ein Ende des Leichensacks, schleifen ihn erschöpft zum Lastwagen.
Inzwischen hat sich das Wunder ereignet. Was Fauzi und seine Männer in diesen Tagen einsammeln, ist weit jenseits des Zustands, in dem man jemanden noch identifizieren könnte, es sei denn, man fände eine ID-Card, einen Personalausweis, bei dem Toten. Aber selbst dann ist es meist noch ein langer Weg, die Angehörigen ausfindig zu machen, und bis es so weit ist, liegt der Tote längst mit vielen anderen in einem Massengrab.
Aber manchmal fügen sich die Dinge auf wunderbare Weise. Als Fadhil kämpft, wird an anderer Stelle eine Leiche geborgen, und es ist ein Personalausweis dabei. Darin steht der Name, Abdul Aziz. Der Ausweis geht von Hand zu Hand, es ist immer etwas Besonderes, wenn eine verweste Leiche plötzlich einen Namen hat, und dann ist das Dokument auf einmal in der Hand von Safwan Aziz – dem Sohn.
Der eigene Vater
Der steht zufällig dabei. Er ist rausgekommen für den Tag, um nach den Überresten seines und seines Vaters Hauses zu sehen, stößt dabei auf den Bergungstrupp, wechselt ein paar Worte, nimmt den Ausweis in die Hand, nur so, man könnte die Person ja vielleicht kennen – und liest den Namen des eigenen Vaters.
Nun liegt der weiße Sack mit Inhalt vor ihm auf dem Boden, und das Gesicht verrät nicht, ob die Freude größer ist oder das Entsetzen. Später sieht man Safwan Aziz zusammen mit einem anderen Mann eine Grube ausheben. Der Vater soll auf seinem Grundstück bestattet werden, neben seinem Haus. Ein Stück Heimat, immerhin, auch wenn das Haus nur noch in Form der Grundmauern existiert, und das Grundstück voller Trümmer ist.
Die Sonne sinkt, die Lastwagen füllen sich, und der Trupp macht noch mal Pause. Es gibt etwas zu essen, in braunes Papier eingewickelten Reis mit Gemüse- und Fleischstückchen darin. Hände, die eben noch schlecht geschützt durch viel zu dünne, teilweise zerrissene Handschuhe an verwesten Leichen gezogen haben, machen sich gierig darüber her. Die Männer sind hungrig und die Portionen schnell aufgegessen.
„Ein Kilo Gold“
Ridwan macht wie gewohnt den Clown, einer verbindet sich den Fuß, und Fauzi zieht eine Tasche zu sich heran. Eine schwarze Tasche voll mit Behältern, die alle in Plastik eingewickelt sind, wie die geborgenen Leichen. Der schwerste und größte Behälter besteht aus dem unteren, dem bauchigen Teil einer Plastikflasche und ist zur Hälfte gefüllt mit Goldschmuck. Die andere Hälfte ist mit einem Tuch ausgestopft, das eine Art Stöpsel darstellt, damit nur ja nichts verloren geht von diesem Schatz. „Ein Kilo“, sagt Fauzi stolz, „ein Kilo Gold.“
Es ist dies die Ausbeute des Monats Januar, und auch in den ersten Februartagen haben sie schon wieder einiges zusammengetragen. Was während der Arbeit schnell verpackt in Gummistiefeln oder sonstwo verschwindet, wird abends zusammengelegt, auf dass er sich mehre, ihr Schatz, der zusammen mit dem Geld, das sie gefunden haben – zwei Millionen Rupien, viel weniger, als es klingt – den Grundstock bilden soll für den Bau einer Moschee.
Das ist ihr Plan, und sie wissen auch schon den Namen. Syuhada soll sie heißen – Märtyrer-Moschee. Aus ihrer Sicht macht das mehr Sinn, als wenn die Toten ihren Schmuck und ihr Geld mit ins Grab nähmen – ins Massengrab, das auch an diesem Abend wieder wartet.
Konvoi der Toten
Es ist kurz vor 18 Uhr, als drei Lkws und eine Ambulanz die letzte Station des Tages ansteuern. Ein Konvoi der Toten, ein Konvoi der Totensucher. Vier von ihnen haben sich oben auf das Fahrerhaus eines der Lkws gesetzt, sie gestikulieren und schreien, und vielleicht, wer weiß, genießen sie ja sogar ein bisschen – den Fahrtwind, den Feierabend und das Gefühl, etwas Nützliches und Wichtiges getan zu haben.
98 Körper in einem Grab
Noch freilich hat der Feierabend nicht wirklich begonnen. Eine Arbeit steht noch aus. In dem Ort Lam Blang hat ein Bagger eine mehrere Meter tiefe Grube ausgehoben. An dem frisch planierten Gelände rundherum sieht man, dass es hier bereits mehrere solcher Gruben gegeben hat.
Sechs Imame haben gewartet. Sie nehmen Aufstellung vor den Lastwagen mit den Toten und sprechen ein Gebet. Das ist schlicht und würdevoll, und danach geht es ganz schnell. Einzeln werden die Leichensäcke ins Grab geworfen, auf dessen Grund schon die weißen Schutzanzüge liegen, die die Männer ausgezogen haben. Fauzi steht am Rand des Grabes, Zigarette in der Hand, und zählt laut mit.
Bei 98 hört er auf, und der Bagger beginnt, die Grube mit Erde zu füllen. Zählt man den toten Abdul Aziz dazu, dann sind es exakt so viele wie am Vortag. Fauzi schätzt, dass er und seine Jungs seit dem 28. Dezember 6000 Leichen eingesammelt haben. Mit dem Wort Held muss man vorsichtig und zurückhaltend umgehen. Hier passt es vielleicht.
Später kann man im Pressezentrum von Banda Aceh erfahren, wieviele Tote insgesamt an diesem Tag in Aceh eingesammelt wurden. Es sind 721. Damit beläuft sich die Gesamtzahl der geborgenen und bestatteten Tsunami-Opfer in der Provinz auf 112.872. Weitere 127.749 Menschen werden nach offiziellen Angaben angeblich noch vermisst. Sollte das stimmen und sollte sich herausstellen, dass sie tot sind, werden Fauzi und die anderen noch oft, noch sehr oft ausrücken müssen.
(SZ vom 12.02.2005)
Q: http://www.sueddeutsche.de/,panl1/panorama/artikel/662/47615/
(seite 1/4)
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Noch Wochen später bebte der gesamte Globus
Von Christian Stöcker
Das gewaltige Erdbeben, das den Tsunami vom 26. Dezember 2004 auslöste, liegt nun beinahe fünf Monate zurück. Erst jetzt zeigen wissenschaftliche Untersuchungen das ganze Ausmaß der Katastrophe: Die gesamte Erde war betroffen. Noch Wochen später bebte der Planet.
ScienceKarte der Nachbeben: Seismische Wellen noch Wochen später |
Die Veröffentlichungen über das Beben, dessen Stärke von einigen Forschern auf 9,3 auf der Richterskala geschätzt wird, sind Ansammlungen von Superlativen. Die Energie, die freigesetzt wurde, entspricht beispielsweise der einer Bombe mit einer Sprengkraft von 100 Gigatonnen TNT - vergleichbar etwa der Gewalt von sieben Millionen Hiroshima-Bomben. Eine ähnliche Menge Energie wird in den USA in sechs Monaten verbraucht. 30 Kubikkilometer Meerwasser wurden bewegt.
ERDBEBENFORSCHUNG: DER TSUNAMI VOR DER KÜSTE SUMATRAS Klicken Sie auf ein Bild, um die Fotostrecke zu starten (5 Bilder). |
Der Tsunami erreichte von seinem Ursprungsort vor der Westküste Sumatras aus die Antarktis und beide Küsten Amerikas. Weil sich der Meeresboden im Golf von Bengalen und der Andamanensee dauerhaft gehoben hat, stieg der Meeresspiegel weltweit um einen Zehntelmillimeter an - permanent. "Im Zentimeterbereich blieb kein einziger Punkt auf der Erdoberfläche unberührt", schreibt der amerikanische Geologe Roger Bilham in "Science".
Weitere Beben in 11.000 Kilometern Entfernung
Die seismischen Wellen waren so stark, dass in anderen, vulkanisch aktiven Regionen weitere Erdbeben ausgelöst wurden. Eine Forschergruppe um Michael West von der University of Fairbanks etwa beobachtete, dass am Mount Wrangell in Alaska 14 kleinere lokale Beben ausgelöst wurden, über einen Zeitraum von elf Minuten verteilt. Der Vulkan ist fast 11.000 Kilometer vom Epizentrum des Bebens vor der Küste Sumatras entfernt.
Der Schwarm von Nachbeben in der Katastrophenregion selbst war der energiereichste, der je beobachtet wurde. Mehr als 150 Beben der Stärke fünf und größer ereigneten sich dort Ende Januar innerhalb eines Zeitraums von vier Tagen. Viele Nachbeben erreichten auch Stärken von 6 und mehr auf der Richterskala.
Nicht nur die Gewalt und die Reichweite des Bebens verblüffen die Wissenschaftler - auch der Zeitverlauf ist ungewöhnlich. In den ersten 40 bis 60 Sekunden verlief der Bruch vergleichsweise langsam. Dann geschah etwas, das im Gegensatz zum Verlauf der meisten anderen Erdbeben steht: Die Bruchgeschwindigkeit nahm zu. Vier Minuten lang raste der Riss in der Erde mit drei Kilometern pro Sekunde Richtung Norden - das entspricht einer Durchschnittsgeschwindigkeit von fast 11.000 Stundenkilometern. Weitere sechs Minuten lang lag die Geschwindigkeit bei 2,5 Kilometern pro Sekunde. Das errechneten Charles Ammon von der Pennsylvania State University und ein Team von Kollegen aus Daten, die von Seismographen überall auf der Welt aufgezeichnet wurden.
Langsame seismische Wellen noch Wochen später
Nach der explosiven Anfangsphase reduzierte sich die Bruchgeschwindigkeit, vor allem am nördlichen Ende des Risses. Wenn diese Bewegung nicht langsamer gewesen wäre als die am Rest der 1300 Kilomenter langen Bruchlinie, wären möglicherweise sogar noch verheerendere Tsunamis entstanden, vermutet Roger Bilham. Auch diese langsame Verschiebung - in 30 Minuten gab es nur eine Veränderung von etwa 7 bis 20 Metern - setzte aber eine riesige Menge Energie frei. Die langsamsten seismischen Wellen, die dabei entstanden, wanderten noch Tage später um den Erdball. Nach den Erkenntnissen des Teams um Jeffrey Park von der Yale University waren sogar noch Wochen nach dem 26. Dezember langsame Wellen als Spätfolgen des Bebens zu beobachten.
Die tägliche Bebenvorhersage für Kalifornier
Eine regelrechte Erdbebenvorhersage gibt es ab jetzt für die Einwohner des US-Staates Kalifornien. Eine Gruppe von Seismologen um Matthew Gerstenberger von der U.S. Geological Survey entwickelte den Service und berichtet darüber in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Nature" (Bd. 435, S. 328). Er gibt jeweils für die nächsten 24 Stunden eine Wahrscheinlichkeit an, ob an einem bestimmten Ort ein Erdstoß zu erwarten ist, der ausreichen würde, den Asphalt aufzubrechen und Scheiben zum Zerspringen zu bringen. Dazu werden verschiedene Faktoren miteinander verrechnet, etwa die seismologische Tagesform des San-Andreas-Grabens. Auch kleinere und größere Beben der jüngeren Vergangenheit gehen in die Berechnungen ein.
"Das kann uns aber nicht vorhersagen, wann 'The Big One' kommt', erklärt Lucy Jones, von der U.S. Geological Survey. Das System ist vor allem dann nützlich, wenn bereits ein Beben stattgefunden hat: Kaliforniens Bewohner können dann online überprüfen, wie wahrscheinlich ein Nachbeben in ihrer Nachbarschaft ist.