reden nur dümmlich, sagt Herr Kopper... a bissl recht hat er scho...
Wenn die Frau Merkel sagt, die Politik müsse das Primat über die Märkte wieder erlangen, dann offenbart sie wirklich, daß sie nicht viel verstanden hat.
Die Politik begreift die Zocker nicht
Die Regierungen werden von den Kapitalmärkten gehetzt. Die Politiker flüchten sich in Rhetorik gegen Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann und gegen die Spekulation an sich.
Von Winand von Petersdorff
16. Mai 2010 Ein dramatischer Spielzug im Poker, mit dem der Spieler alles auf ein Blatt setzt, heißt: „All in“. Zu Wochenbeginn hat Europa zusammen mit dem Internationalen Währungsfonds alles eingesetzt, was es hat: Eine dreiviertel Billion Euro, um die Kapitalmärkte zu beruhigen; Deutschland garantiert dabei für mindestens 123 Milliarden Euro. Dazu kommen die Interventionen der Europäischen Zentralbank. Sie kauft Anleihen aus den maroden Ländern an der europäischen Peripherie und setzt ihre Reputation aufs Spiel (siehe: EZB-Chefökonom Stark: „Wir haben Zeit gekauft, mehr nicht“).
Jetzt liegt alles auf dem Tisch, für einen Plan B gibt es keine Mittel mehr. Es muss funktionieren. Doch richtig gut sieht es nach einer Woche noch nicht aus: Der Euro ist trotz der historischen Rettungsaktion seit Wochenbeginn um fünf Prozent gegen den Dollar gesunken, auf das niedrigste Niveau seit 18 Monaten (siehe: Der Euro ist schwächer als vor der Krisenhilfe).
Das Geld reicht nicht
Dabei steckt hinter dem Rettungspaket eine geradezu verzweifelte Anstrengung von Politik und Europäischer Zentralbank. Viele Bundestagsabgeordnete waren in parlamentarischen Sondersitzungen zum ersten Rettungspaket für die Griechen gehetzt worden, um dann am letzten Wochenende zu lernen: Das Geld reicht bei weitem nicht. Unterdessen zweifeln langjährige Bundesbankbeamte erstmals an ihrer Institution, nachdem die EZB mit dem Kauf von minderwertigen Anleihen begann.
Die Politik ist zum Getriebenen der Kapitalmärkte geworden. Jetzt bürgert sich bei der Bewältigung der Finanzkrise eine ungute Praxis ein: Je größer die Tragweite eines Rettungspakets, desto weniger Zeit bekommen die Politiker, es zu beschließen. Die Geschwindigkeit, mit der Kapitalmärkte Rettungen erzwingen, wird zum Demokratieproblem. „Es fehlten das Tempo und die Klarheit, um den Märkten zum richtigen Moment das richtige Signal zu schicken. Politikprozesse in unseren Demokratien sind nicht dafür geeignet, von heute auf morgen Tabus zu brechen oder sehr schnell Schocksignale nach draußen zu schicken“, sagt Henrik Enderlein, Ökonom an der Hertie School of Government.
„Das dümmliche Gerede von Politikern“
Die Politik reagiert mit Missmut auf die Hetzerei und beschimpft die Spekulanten. Sie hätten sich in der Finanzkrise 2008 von den Staaten herausboxen lassen, gegen die sie jetzt wetteten, schimpft Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Es ist perfide, dass zunächst die Banken die Weltwirtschaft in einen tiefen Abgrund gezogen haben und nun gegen die selbst verursachten Schulden der Staaten spekulieren“, sagt die CDU-Politikerin.
Es ist ein moralisches Argument, das die wahren Gründe der Krise verschleiert. Im Fall Griechenlands übersteigt das Volumen der Staatsschulden 300 Milliarden Euro, das Volumen der Kreditausfall-Versicherungen (CDS), mit denen die verpönten Wetten munitioniert werden, liegt bei vergleichsweise geringen 6 Milliarden Euro.
Die Beschimpfung der Spekulation offenbart allerdings eine Einstellung der Politik zur Finanzwelt, die der frühere Deutsche-Bank-Chef Hilmar Kopper jetzt in einem Interview in die scharfen Worte kleidet: „Was die Lage noch verschlimmert, ist das dümmliche Gerede von Politikern. Die wissen doch gar nicht, was los ist.“
Die angelsächsische Presse lästert längst über die Berliner Rhetorik nach dem Prinzip: „Kill the Messenger“. Gesteinigt wird, wer das Schlechte offenlegt. Das jüngste Beispiel dafür liefert der mannhaft im fernen Asien um Reputation kämpfende Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (siehe: Politiker zürnen Ackermann wegen Äußerungen zu Griechenland). Er beschimpfte den Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, weil der in einer Talkshow aussprach, was der Markt ja längst vermutet: „Ob Griechenland über die Zeit wirklich in der Lage ist, diese Leistungskraft aufzubringen, das wage ich zu bezweifeln.“
Vom bekannten Hedge-Fonds-Manager Jim Rogers kommt eine scharfe Replik zum Vorwurf, Spekulanten verdürben den Euro und die Staatsfinanzen europäischer Randstaaten: „Politiker haben die gigantischen Defizite aufgetürmt, nicht Spekulanten. Politiker haben über ihre Defizite gelogen, nicht Spekulanten. Politiker haben sich entschieden, jedes Land mit hohem Defizit herauszuhauen, nicht die Spekulanten.“
Märkte offenbaren Ausmaß der Krise
In der Welt, die sich die Politik offenbar wünscht, dürfen Anleger keine griechischen Staatsanleihen verkaufen, wenn sie der Konsolidierungskraft des Landes auch noch so misstrauen. Sie dürfen schon gar nicht auf die Zahlungsunfähigkeit wetten, selbst wenn die Ziffern dafür sprechen. Und sie dürfen auch nicht ihre fachkundige Einschätzung zur Wirkung des Rettungspakets dem TV-Publikum darlegen.
Man muss Ackermann und die Spekulanten der ganzen Welt nicht lieben, wenn man trotzdem ihre Informationsfunktion anerkennt. Stattdessen betreibt die politische Klasse die Eliminierung ungeliebter Signale: zum Beispiel höchst nützlicher Alarmsignale, wie sie die vielgeschmähten Finanzderivate liefern.
Die Preisentwicklung der Kreditausfall-Versicherungen (Credit Default Swaps) auf Griechenland-Anleihen hat der Öffentlichkeit die prekäre finanzielle Lage Griechenlands offengelegt. Auch wenn Märkte manchmal übertreiben: CDS haben geschafft, was der politisch angestrengte Stabilitätspakt mit seinen Defizit- und Schuldengrenzen nie vermochte: Die Regierung in Athen begann mit einem drakonischen Sparprogramm. Spanien und Portugal ziehen inzwischen nach. „Der Grund, warum Politiker und Manager genauso CDS hassen, ist gerade, weil die CDS so nützlich sind und prompt deren Fehler aufzeigen“, sagt der amerikanische Ökonomieprofessor Luigi Zingales.
Bundeskanzlerin Angela Merkel gibt unterdessen die Losung aus: „Die Politik muss das Primat über die Märkte wiederbekommen.“ Dieser Satz ist längst ganz großer Koalitionskonsens in Berlin. Nur, was heißt er eigentlich genau? Ist damit die Ignorierung ökonomischer Gesetzmäßigkeiten gemeint?
Spekulanten könnten zu Verbündeten werden
Eines ist für Wirtschaftshistoriker längst eine große Gewissheit: Nie war die Wirtschaft so politisch wie bei der Erfindung des Euro. In kaum einem Projekt kam der beschworene „Primat der Politik“ so deutlich zum Vorschein.
Bei der Gründung der Europäischen Währungsunion hatten die großen Europäer unter den Politikern ein großes Ziel: den integrierten Friedenskontinent Europa. Dafür schlugen sie die Warnungen der ökonomischen Elite in den Wind. Die warnte vor schweren Verwerfungen, weil die Beitrittsländer so unterschiedliche Voraussetzungen hatten. Einige Warner fürchteten, dass europäische Randstaaten dauerhaft an den Tropf reicher Länder kommen. Andere Skeptiker fürchteten, der Stabilitätspakt, der gefährliche Verschuldung verbietet, werde gebrochen, wenn eines der großen Länder keine Kraft zu sparen findet.
Die EU-Kommission will jetzt die Haushaltsdisziplin der Euro-Länder stärken und die Strafen bei Verletzung von Defizit- und Schuldengrenzen schärfen. Es könnte klappen, denn sie hat einen kraftvollen Verbündeten: Jetzt pochen die Kapitalmärkte darauf, dass die Euro-Länder endlich ihre Staatshaushalte in den Griff bekommen: brutal, unnachgiebig und kompromisslos. Die Spekulanten können die besten Garanten für einen stabilen Euro werden.
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