Schelte von allen Seiten: Nach der gescheiterten Festnahme des Kölner Islamistenführers Metin Kaplan stehen Polizei, Strafverfolger und der nordrhein-westfälische Innenminister Fritz Behrens (SPD) im Kreuzfeuer der Kritik. "Der Rechtsstaat lässt sich vorführen", klagte die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion Silke Stokar der "Berliner Zeitung". Die Politik diskutiere über schärfere Gesetze, während die Behörden nicht in der Lage seien, ein Abschiebe-Urteil umzusetzen. Das sei ein Desaster für die Sicherheitsbehörden.
Autorität der Behörden untergraben Ähnlich äußerte sich die Kölner SPD-Abgeordnete Lale Akgün. "Ein solcher Vorfall untergräbt die Autorität der Behörden. Unter solchen Umständen können sich die Leute nicht vorstellen, dass wir gute Sicherheitsgesetze erlassen", sagte die Politikerin.
Haftbefehl aufgehoben Von Kaplan fehlt weiterhin jede Spur. Allerdings sucht die Polizei auch nicht mehr nach ihm. Denn der Haftbefehl gegen Kaplan wurde am Donnerstagabend überraschend aufgehoben, obwohl das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster erst einen Tag zuvor die Abschiebung grundsätzlich erlaubt hatte. Das OVG ließ aber die Revision beim Bundesverwaltungsgericht zu. Diesen Umstand machte sich Kaplans Anwältin zunutze. Sie ist der Auffassung, dass ihr Mandal nicht abgeschoben werden darf, bevor das OVG-Urteil rechtskräftig geworden ist. Von dieser Position konnte sie die Kölner Verwaltungsrichter überzeugen. Sie verboten die Abschiebung in den nächsten zwei Monaten.
"Polizei soll sich nicht rausreden" Der Grünen-Rechtsexperte Jerzy Montag kritisierte die Polizei scharf. "Der Fall weist nicht auf Rechtsdefizite hin, sondern auf Handlungsdefizite bei Strafverfolgungs- und Polizeibehörden", sagte er der in Hannover erscheinenden "Neuen Presse". Es sei klar gewesen, dass es sich um einen "Fall von bundesweiter Bedeutung" gehandelt habe, dass Kaplan eine ganz gefählicher Mann sei. Die Polizei solle sich jetzt nicht herausreden. Sie habe ihre Aufgabe "nicht ordentlich erfüllt". Der nun entstandene Eindruck, dass dem Staat auf der Nase herumgetanzt werden könne, sei verheerend. Es hätte ausgereicht, "wenn die Polizei sich mehr Gedanken gemacht hätte und Kaplan in der heißen Phase der juristischen Entscheidungsfindung intensiver beobachtet hätte".
Polizei: Terrorismus nicht ernst genommen Die Polizei hingegen sieht die Fehler auf der Seite des Innenministeriums in NRW. "Die Politik wäre gefordert gewesen, die notwendigen Maßnahmen einzuleiten", sagte der Chef der "Deutsche Polizeigewerkschaft", Wolfgang Speck, der "Berliner Zeitung". Die Panne zeige, dass die Politik den Terrorismus noch immer nicht ernst nehme. Auch die "Gewerkschaft der Polizei", sprach von schwerwiegenden Versäumnissen: "Man hätte früher mit der Observation beginnen können", sagte der nordrhein-westfälische Vorsitzende Werner Swienty.
Kaplan melde sich "über kurz oder lang" Behrens ließ offen, wer für das Verschwinden Kaplans verantwortlich sei. Es handele sich aber um einen "sehr misslichen Vorgang", sagte der Minister im ZDF-"Heute-Journal". Die Polizei habe Kaplan nach deutschem Recht lediglich 24 Stunden observieren dürfen. Polizei und Verfassungsschutz seien bis zu seiner missglückten Festnahme davon ausgegangen, dass er sich in seiner Kölner Wohnung aufhalte, berichtete Behrens. Nach der Aufhebung des Haftbefehls gibt sich Behrens aber optimistisch, dass sich Kaplan "über kurz oder lang" wieder bei den Behörden in Köln melden wird. Dies habe er bisher ordnungsgemäß jeden Montag getan.
Panne bei der Übergabe? Zeitungsberichten zufolge soll es bei der Observation eine Übergabe-Panne der Behörden gegeben haben. Kaplan war wochenlang vom Verfassungsschutz überwacht worden, bevor die Polizei einen Tag vor dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts in Münster diese Aufgabe wieder übernahm. Dies berichtet der "Kölner Stadt-Anzeiger". Dabei hätten die Polizisten in dem Observationskonzept gravierende Lücken festgestellt, so das "Westfalen-Blatt". Nach Informationen der "Frankfurter Rundschau" hat die Übergabe stattgefunden, weil der Verfassungsschutz selbst nicht zugreifen durfte.
Kaplan spurlos verschwunden Die Polizei hatte Kaplan am Mittwochabend in Abschiebehaft nehmen wollen, den 51-Jährigen aber nicht in seiner Wohnung in Köln angetroffen. An seiner Wohnungstür hatte sie nur einen Zettel gefunden mit der Notiz: "Tür bitte nicht eintreten. Schlüssel liegt beim Nachbarn", meldete das ARD-"Morgenmagazin". |