Immobilienaktien: Einstürzende Neubauten von handelsblatt.com Donnerstag 11. Juni 2009, 07:17 Uhr
Der deutsche Immobilienmarkt steht vor einem gewaltigen Umbruch. Während manches Unternehmen vom Markt verschwinden wird, wollen andere wachsen. Für Anleger bieten sich durchaus Chancen. Aber wer sind die Gewinner und Verlierer?
Zu den Verlierern zählt Vivacon (Xetra: 604891 - Nachrichten) . Dem Unternehmen, das sich auf den Handel mit Wohnungen spezialisiert hat, fehlen mehr als 100 Mio. Euro. Offenbar bleiben nur noch wenige Wochen, um das Geld aufzutreiben. Teile des Geschäfts wurden bereits an einen ausländischen Investor (Stockholm: INVE-B.ST - Nachrichten) verscherbelt. Doch das reicht nicht. Die Verhandlungen mit den Banken laufen. Der Ausgang ANZEIGE bleibe ungewiss, sagt Andre Remke von Unicredit (Mailand: UCG.MI - Nachrichten) .
Die Aktionäre wollen offenbar nicht länger warten. Sie verkaufen die Aktie, der Kurs sackte zeitweise bis auf 88 Cent. Vor wenigen Jahren kostete das Papier fast 50 Euro.
Die Immobilienbranche ist wie kaum eine andere Branche von Krediten abhängig. Weil sich die Banken aber mit der Vergabe zurückhalten, stecken die Unternehmen in der Klemme. Große Kredite in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro seien nach wie vor nur schwer zu bekommen, heißt es in der Branche.
Jetzt geht die Angst geht um, dass es auch andere Gesellschaften treffen könnte. Als Wackelkandidat gilt Colonia Real Estate (Xetra: 633800 - Nachrichten) , ebenfalls eine Wohnimmobilienfirma. Vor kurzem teilte das Unternehmen mit, das es sich frisches Kapital durch die Wandlung von Optionsscheinen besorgt habe. Bereits im April hatte Colonia eine Kapitalerhöhung durchgeführt. Damit sollten bestehende Finanzierungen "optimiert" werden, hieß es damals. Nicht unbedingt eine vertrauensbildende Maßnahme.
Die Aktie fiel in den vergangenen Tagen auf rund drei Euro. Das ist zwar immer höher als der Tiefstand im Dezember bei 1,31 Euro, aber weit unter dem Preis von knapp 50 Euro, der vor der Finanzkrise bezahlt wurde.
Auch IVG aus Bonn werden Schwierigkeiten mit der Finanzierung nachgesagt. Der Büroimmobilien-Konzern wolle, so hieß es in Branchenkreisen, wolle Staatshilfe beantragen. Von einer Bürgschaft in Höhe von 300 Mio. Euro war die Rede. Die Aktie ist nur noch etwas mehr als vier Euro wert, im Sommer 2007 kostete sie noch fast das Zehnfache.
Etwas anders liegt der Fall bei der Deutsche Wohnen AG (Xetra: 628330 - Nachrichten) . Das Unternehmen ist ebenfalls auf der Suche nach frischem Kapitel, allerdings nicht, um die Pleite abzuwenden. Der Vorstandsvorsitzende Michael Zahn will die Gunst der Stunden nutzen und günstig einkaufen. "Wir werden unser Portfolio ergänzen und ausbauen", sagte Zahn.
Das ambitionierte Ziel, den Bestand von derzeit 51 000 Wohnungen auf 100 000 zu verdoppeln, wird sich nicht so leicht in die Tat umsetzen lassen. Dazu wäre eine kräftige Kapitalerhöhung Euro nötig. Trotzdem kommen die Pläne am Markt gut an.
Die Aktie legte zuletzt wieder etwas zu, weil der Aufstieg in den MDax (Xetra: Nachrichten) winkt. Der Immobilienkonzern dürfte anstelle von Arcandor (Xetra: 627500 - Nachrichten) in den Index der mittelgroßen Werte rücken. Die Entscheidung darüber trifft die Börse am 19. Juni.
Galten Unternehmen wie Deutsche Wohnen oder Gagfah (Xetra: A0LBDT - Nachrichten) vor der Finanzkrise als langweilig, weil sie Geld durch Vermietung und Pflege ihrer Wohnungen verdienen, sind sie nun obenauf. Bei Analysten zählen diese Aktien zu den Favoriten.
Die Kurse der meisten Immobilien-Aktien sind inzwischenso niedrig, dass sich mancher Anleger fragt, ob er nicht zugreifen soll. Gemessen am Wert ihrer Immobilien sind die Unternehmen tatsächlich Schnäppchen. Alstria, Patrizia (Xetra: PAT1AG - Nachrichten) , Gagfah, IVG (Xetra: 620570 - Nachrichten) , Deutsche Wohnen - alle kosten an der Börse nur etwa die Hälfte dessen, was sie laut Buchwert kosten müssten. Anders ausgedrückt: Der Wert der Häuser ist höher als der Börsenwert.
Die Frage ist nur, ob nicht manche Gesellschaft den eigenen Bestand zu hoch bewertet hat. Sollten Abschreibungen nötig sein, würde der Buchwert ganz schnell dahin schmelzen.
Vivacon wird sogar für ein Zehntel seines Buchwertes gehandelt. Aber was hilft das? Sollte das Unternehmen überleben, wäre die Aktie jetzt ziemlich günstig. Darauf zu wetten, ist allerdings mehr als riskant. Sollte Vivacon doch in die Insolvenz gehen, gingen die Aktionäre vermutlich leer aus. |