Hab mir eben den Call angehört. Hier einfach mal ein loser Stream of Consciousness ohne größere Struktur:
Zunächst mal ist es jedesmal amüsant zu hören, wie altmodisch und hinterwäldlerisch die Kommunikation ist. Immer noch ziemlich gezwungenes Englisch und man siezt sich unter Vorstandskollegen... Dürfte ein Unikat in der Welt der englischsprachigen Conference Calls sein.
Hier ein paar Fakten, die ich mitgeschrieben habe: - Line 1 in Chonqing ist momentan noch nicht voll augeslastet. Man erwartet aber, dass der Erstkunde (=> Intel) die Nachfrage im Laufe von 2016/17 so stark erhöht, dass man im Jahresverlauf full utilization erreicht. - Auf EBITDA-Basis ist der Break-Even für Chonqing erreicht, sobald Line 1+2 voll laufen und ausgelastet sind. (Mein Kommentar: das reicht aber natürlich noch nicht für ein EBIT Break-Even.) - Um eine Auslastung des neuen Werkes zu erreichen, braucht AT&S kein Wachstum im Markt, sondern vielmehr Innovation bei den OEMs. AT&S beliefert das obere Ende des Qualitätsspektrums. Daher erhöhen Shifts in der Komplexität der Anwendungen nach oben die Nachfrage für AT&S, da nur sehr wenige Anbieter Hochqualitätsanwendungen liefern können. - Das alte Kerngeschäft mit Leiterplatten führt man zwar weiter, fokussiert sich aber nicht mehr groß darauf. Entsprechend wird der CAPEX hier gering sein (ca. 40 Mio. EUR). Fokus ist auf neue Technologien wie Packaging, womit man im High End Bereich bleibt und neue IoT Trends unterstützt. - AT&S hat eine deutlich höhere EBITDA Marge als seine Wettbewerber (22% vs. 14%), was zum einen am Fokus auf High End liegt, wo der Wettbewerb weniger intensiv ist. Zum anderen hat man zuletzt eine gute Kapazitätsauslastung gehabt, was die Kosten im Zaum hält. - Man ist zuversichtlich, auch in Zukunft oft besser zu sein als die Konkurrenz und damit erfolgreich zu wirtschaften. - 2016/17 wird das CAPEX sich auf mindestens 200 Mio. EUR belaufen. Dies könnte aber auch noch mehr werden, wenn neue Innovationen in Chonqing erforderlich werden, um Kundenwünsche zu implementieren.
Nun kommen wir zum spannendsten Teil: den Zahlen für Chonqing. Hier waren die Analysten sehr kritisch. Insbesondere Herr Müller von JMS Invest hat wirklich sehr gut und bohrend nachgefragt. Die AT&S Vorstände waren dabei teilweise ausweichend und recht defensiv.
Insbesondere ist auch den Analysten aufgefallen, dass die Ausgaben für das neue Werk letztlich sehr hoch sind. Wie in meinen Posts weiter oben wurde hier insbesondere die Kapitalrendite der Projekte hinterfragt. Die Antworten waren in meinen Augen etwas mau.
Persönlich gehe ich mittlerweile davon aus, dass Chonqing einen ziemlich miesen IRR haben wird. Immerhin wäre AT&S ohne das Neuprojekt heute schuldenfrei bei einem EPS von 1,70 oder so. Der Mehrwert, den Chonqing da draufsetzen wird, ist in meinen Augen zumindest zu hinterfragen, so dass es nicht komplett verwundert, dass die Börse Chonqing effektiv mit einem signifikant negativen Barwert bewertet.
Hier mal zu den konkreten Zahlen, die im Call diskutiert wurden:
Wenn alle 4 Linien in China am laufen sind, sollten diese ca. 300 Mio. USD Umsatz generieren (80 Mio. USD pro Linie IC Substrates und ca. 70 Mio. USD pro Linie PCB). Dies sind also ca. 263 Mio. EUR Umsatz pro Jahr bei voller Auslastung.
Diese Zahlen finde ich doch etwas enttäuschend, wenn man berücksichtigt, dass das Werk allein 480 Mio. EUR an Aufbauinvestitionen kostet. Wenn das neue Werk eine Übernahme eines Wettbewerbs wäre, würde man also ein KUV > 1,8 bei hoher Auslastung zahlen. Das erscheint mir im Chip-Zuliefererbereich, wo Margen oft mäßig sind und Zyklikalität hoch ist, doch schon ein recht sportlicher Preis!
Der fragende Analyst war schon auch sichtlich schon auch sichtlich geschockt und stellte die Rentabilität in Frage, worauf von AT&S aber leider nur Floskeln kamen.
Im Call wurde nochmal bestätigt dass Maintenance CAPEX für das Altgeschäft ca. 40 Mio. ist. In der zugehörigen Präsentation steht, dass die Kosten für Chonqing von 480 Mio. über 10 Jahre abgeschrieben werden. Wir haben also für das nächste Jahrzehnt Minimum mal 85 Mio. EUR Abschreibungen pro Jahr. Allerdings wurde im Call erwähnt, dass das neue Werk starker Innovation ausgesetzt sein wird, so dass hier immer wieder auch mal neue Innovationen umgesetzt werden müssen. Dies würde zu zusätzlichem CAPEX führen, um das Werk auf den neusten Stand zu bringen. Es erscheint daher wahrscheinlich, dass die Run Rate für die Abschreibungen eher bei 90-100 Mio. EUR liegen wird (oder gar noch mehr?).
Wenn ich diese Zahlen nehme und mal das perspektivische EPS betrachte, komme ich auf folgende Milchmädchenrechnung (ist nur auf die Schnelle zusammengeschustert und sollte überüprüft werden!):
Umsatz: ca. 1 Mrd. EUR (z.B. 740 Mio. Altgeschäft + 260 Mio. Neugeschäft) EBITDA-Marge: Langfrist-Guidance 18-20% EBITDA: 1 Mrd. EUR x 0,19 = 190 Mio. EUR Abschreibungen: ca. 95 Mio. EUR (s.o.) EBIT: 190 - 95 = 95 Mio. EUR EBT: 95 Mio. EUR - 9 Mio. EUR Zinskosten = 86 Mio. EUR Nettogewinn: Bei Annahme einer Steuerquote von 20% haben wir 0,8 * 86 = 69 Mio. EUR EPS: 69 Mio. EUR / 38,9 Mio. Aktien = EUR 1,77
Zum Abschluss noch eine schnelle Bewertung auf dieser Basis: in den nächsten Jahren wird alles noch stark überlagert von einem großen Schuldenberg, der abgetragen werden muss. Ich treffe für die Bewertung daher mal folgende Annahmen: - Ich gehe davon aus, dass man in ca. 4 Jahren wieder auf einem "kerngesunden" Schuldenevel für einen Zykliker im Semiconductor-Bereich angekommen sein wird - Ich diskontiere zukünftige Erträge mit Equity-Kosten von 8% - Ich gehe davon aus, dass man auf eine AT&S ohne groß Schulden bei guter Auslastung ein KGV von 11 bekommt - Ich gehe davon aus, dass die Altumsätze mit 2% pro Jahr wachsen
Dann hätten wir einen heutigen Wert der Aktie von (1,77 x 11 x 1,02^4) / (1,08^4) = EUR 15,50.
Nach der Berechnung gäb es also immer noch sehr ordentliches Kurspotenzial. Allerdings sind die Kosten von Chonqing im Verhältnis zum erwarteten Umsatz tatsächlich etwas besorgniserregend. |