17.07.2009 14:30
PSI - das (Software-)Wunder von Berlin von Notker Blechner Während anderswo über Krise und Auftragsflaute gestöhnt wird, kann sich das Softwarehaus PSI vor Aufträgen kaum retten und wächst rasant. Zusätzlich beflügelte der Einstieg eines neuen Großaktionärs die Aktie. Doch den sieht man bei PSI gar nicht gern.
boerse.ARD.de besucht PSI Wenn Industriekonzerne unter einer einbrechenden Auftragslage leiden und restrukturieren müssen, schlägt die Stunde für PSI. Dann sind die Berliner gefordert, die Steuerungssoftware der Anlagen der neuen Situation anzupassen. So erweist sich die Krise sogar als Wachstumstreiber für das Software-Haus: "Das eher prozyklische Industriegeschäft ist selbst in letzter Zeit gut gelaufen", berichtet PSI-Chef Harald Schrimpf stolz. Auch die zweite Säule des im Prime Standard notierten Unternehmens, das Geschäft mit der Steuerungssoftware für Energie- und Wasserversorger, entwickelt sich gut. Kein Wunder, denn die Branche gilt als relativ konjunkturunabhängig und schwimmt dank der hohen Energiepreise in Geld.
Volle Auftragsbücher, steigende Gewinne Das Geschäft von PSI floriert, die Auftragsbücher sind prall gefüllt, das Unternehmen hat keine Bankschulden und arbeitet hochprofitabel. Eigentlich hätte also PSI-Manager Harald Schrimpf im 40. Jubiläumsjahr des Software-Unternehmens allen Grund zum Strahlen.
Doch ein Mann verdirbt Schrimpf die Feierlaune: Kajo Neukirchen, Deutschlands meist gefürchteter Radikal-Sanierer. Überall wo der Großinvestor einstieg, wirbelte er die Strategie der Unternehmen durcheinander und lieferte sich einen Machtkampf mit dem Vorstand. Wenn Neukirchen in einen Raum kam, nahm die Temperatur um einige Grad Celsius ab, erzählen Insider. Ob FAG Kugelfischer, Hoesch oder Metallgesellschaft - all diese Unternehmen krempelte der Investor um, sanierte sie mit Brachialgewalt und setzte massive Stellenstreichungen durch. Zuletzt versuchte der Top-Sanierer bei Vossloh das Ruder herumzureißen, konnte sich aber nicht durchsetzen. Seitdem Neukirchen Ende April mit 18,7 Prozent bei PSI eingestiegen ist und im Mai den Anteil auf 28,6 Prozent aufgestockt hat, geht nun auch in Berlin die Angst um. Die Mitarbeiter seien verunsichert, klagt Betriebsratsvorsitzende Barbara Simon.
Was will der neue Großaktionär Kajo Neukirchen? Selbst PSI-Chef Schrimpf weiß nicht, was Neukirchen wirklich im Schilde führt. "Seine tatsächlichen Absichten sind mir nicht bekannt", sagte er gegenüber boerse.ARD.de. Auch ein Gespräch zwischen Schrimpf und Neukirchen brachte keine Klarheit. Die Atmosphäre sei angespannt gewesen, heißt es.
Zwar betonte Neukirchen noch Mitte April, ein Übernahmeangebot sei nicht geplant. Es handle sich um ein langfristiges Engagement. Doch daran will bei PSI niemand so recht glauben.
Große Abwehrfront gegen drohende Übernahme Eine Übernahme von PSI dürfte freilich ein schwieriges Unterfangen sein. Denn nachdem das Software-Haus eine Kapitalerhöhung durchgezogen hat, besitzt Neukirchen nun nur noch 21,6 Prozent der Anteile. Dagegen halten die Mitarbeiter gut 20 Prozent an dem Unternehmen. Zusätzliche Rückendeckung gibt es von RWE. Die Essener haben vor kurzem über die Kapitalerhöhung neun Prozent Anteile an PSI erworben. Schrimpf schätzt, dass inzwischen mindestens 40 bis 50 Prozent des Unternehmens in den Händen von Aktionären liegen, die an einer langfristigen Weiterentwicklung des Unternehmens interessiert sind.
Aktie im Höhenflug Der Aktie jedenfalls hat das Machtgezerre um PSI gut getan. Der Aktienkurs hat sich seit Anfang April nahezu verdoppelt und ein Sieben-Jahres-Hoch erreicht. Der Kurs spiegelt aber auch die Anerkennung für zuletzt starke Quartalszahlen wider. 2008 konnte PSI den Umsatz um fünf Prozent auf 129 Millionen Euro und das Betriebsergebnis um über 50 Prozent auf 6,23 Millionen Euro steigern. Im ersten Quartal setzte sich das hohe Wachstumstempo fort. Das Betriebsergebnis kletterte von 0,8 auf 1,3 Millionen Euro, der Umsatz erhöhte sich um mehr als zehn Prozent auf 30,6 Millionen Euro.
Den Prime Standard hat PSI seit einem Jahr klar "outperformt" Dementsprechend zuversichtlich zeigt sich der PSI-Chef für das Gesamtjahr. Gegenüber boerse.ARD.de kündigte Schrimpf an, die bisherige Prognose zu übertreffen. Nach der Übernahme der malaysischen Incontrol dürfte "das Ebit voraussichtlich bei neun Millionen Euro" liegen, sagte er. Bisher war als Ziel ausgegeben worden, 2009 den Umsatz um zehn Millionen auf 140 Millionen Euro und das Ebit von sechs Millionen auf 7,5 Millionen Euro zu verbessern.
Auf dem Weg in den Osten Indirekt nutzen zahlreiche Bundesbürger die Produkte von PSI – dann wenn sie das Licht oder die Heizung einschalten oder mit dem Handy telefonieren. Denn ohne die Steuerungssoftware der Berliner könnten Strom- und Telefonnetze teilweise gar nicht funktionieren. Das Unternehmen arbeitet mit renommierten Adressen der Energie- und Industriebranche zusammen. So zählen der russische Gasversorger Gazprom, der russische Strom-Ex-Monopolist RAO UES, die Energieriesen Eon und RWE sowie der Industriekonzern ThyssenKrupp zu den wichtigsten Kunden. Neben Deutschland mischt PSI vor allem im russischen Markt und in der Golfregion mit. Die Erschließung weiterer Märkte im Osten ist geplant. Die Berliner haben die Devise "Grow East" ausgegeben und wollen beispielsweise in China und Südostasien expandieren. Ein erster Schritt dahin war die Akquisition der malaysischen Incontrol vor ein paar Wochen.
Vom AEG-Töchterchen... Das siebtgrößte deutsche Softwarehaus gilt in der Branche fast schon als Oldtimer, es hat eine lange und bewegte Geschichte hinter sich. Seit 40 Jahren mischen die Berliner in dem Hightech-Geschäft mit. Ihre Existenz verdanken sie der Abnabelung von der großen Konzernmutter AEG. 1969 wurde die Gesellschaft für Prozessteuerungs- und Informationssysteme, kurz PSI, ausgegliedert. Inzwischen gibt es die AEG nicht mehr, PSI dagegen ist quicklebendig und arbeitet profitabel.
Einblicke in die Welt von PSI (Fotoserie)Das war nicht immer so. Nach dem Fall der "New Economy" durchlebte das Unternehmen schwere Zeiten bis 2003 und stand gar fast vor der Pleite. Erst ein harter Sanierungskurs stoppte die Negativ-Entwicklung mit Millionen-Verlusten und sorgte für die Wende. Vorstandschef Schrimpf änderte die Strategie und wandte sich vom Mittelstand und von der öffentlichen Hand ab, um sich auf die konjunkturunabhängigeren Energieversorger und die Schwerindustrie zu fokussieren.
...zur Erfolgsfirma Vom Sanierungsfall hat sich das Software-Haus zum Vorzeigeunternehmen gewandelt. Dieses Erfolgskonzept wollen die Berliner nicht von heute auf morgen ändern. Eine harte Nuss, die auch für Kajo Neukirchen schwer zu knacken sein dürfte... |