'...Der Fetischcharakter der Ware besteht darin, dass ein gesellschaftliches Produktionsverhältnis als Natureigenschaft eines Dinges, der Ware, erscheint. Er entspringt aus dem eigentümlichen Charakter der Arbeit, welche Waren produziert. Weil gesellschaftliche Produktion in privater Form den Warenaustausch (konkreter: die Zirkulation) als Vermittlung benötigt, erscheinen an den dinglichen Vermittlern die gesellschaftlichen Verhältnisse. Diese verkehrte Vorstellung ist die richtige unmittelbare Wiederspiegelung der Erscheinung der realen Verhältnisse im Kopf der Produzenten. Es ist eine verkehrte, fetischistische Praxis, die ein fetischistisches Bewusstsein erzeugt.
Die gesellschaftlichen Verhältnisse als Verhältnisse der Sachen erhalten daher ein Eigenleben gegenüber ihren Produzenten. Hieraus entspringt die Vorstellung, anonymen Mächten ausgeliefert zu sein. Unter anderem im NS-Antikap werden diese unvermittelt auf die sie produzierenden Menschen zurückgeführt. Sie werden nicht als sachlich vermittelte und damit unkontrollierbare Verhältnisse von Personen gefasst, sondern als verschleierte Herrschaft von Personen, d.h. letztlich »der Juden«. Wer viel Geld hat, kann viel kaufen. Wer sehr viel Geld hat, kann (fast) alles kaufen, so die Logik des Antikapitalismus von rechts und links. Daher beherrschen die Reichen (bzw. die Juden) über tausend unsichtbare Fäden die Welt.
Der Begriff Fetisch drückt aus, dass die Waren als Produkte der menschlichen Hand als mit eigenem Leben begabte, untereinander und mit den Menschen in Verhältnis stehende, erscheinen. Marx sieht darin eine Analogie zur Religion, in der die Produkte des Kopfes ein Eigenleben führen und das Denken beherrschen. Der Unterschied liegt darin, dass es sich nicht um das Produkt des Kopfes, sondern um ein materielles, vom Menschen unterschiedenes Produkt menschlicher Arbeit handelt. Die Fetischformen sind daher »eine Fiktionsweise ohne Phantasie, eine Religion des Vulgären« oder »Religion des Alltagslebens«.
Eine Form der »Kritik« des Fetischcharakters besteht darin, das Naturalisierte als bloßes Zeichen zu betrachten. Damit wird es zu einem willkürlichen Reflexionsprodukt der Menschen. Die oberflächliche, aufklärerische Kritik an der Naturalisierung enthält immerhin eine Ahnung davon, dass z.B. Wert- und Geldform nicht dingliche Eigenschaften, sondern dinglicher Ausdruck menschlicher Verhältnisse sind. Weil sie den Schein zum bloßen Hirngespinst macht und nur abstrakt darauf verweist, dass die Verhältnisse ja schließlich doch von den Menschen gemacht werden, geht diese Kritik am wirklichen Verhältnis, das sich real dinglich darstellt, vorbei.
Der Warenfetisch wird erst dann für das Denken bedeutsam, wenn es von der Geldstruktur abstrahiert und nur die Warenstruktur betrachtet. Denn auf der Oberfläche sind Geld und Ware immer schon gemeinsam vorhanden. Daher erscheint der Warenfetisch im Alltagsdenken in der Form des Geldfetischs bzw. erscheint die Werteigenschaft als Natureigenschaft des Arbeitsproduktes in Form des Preises. Der Wert ist hier nur ein anderes Wort für Preis. Der Geldfetisch ist daher das sichtbar gewordene, die Augen blendende Rätsel des Warenfetischs.
Im Geld projektieren sich alle Wertformen der Ware, werden handgreiflich. Der Geldfetisch löscht diesen Zusammenhang aus, macht ihn zu einem bloß äußerlichen, willkürlichen (mit NS-Staatsgewalt scheinbar trennbaren) Zusammenhang von Waren und Geld. Die Besitzer des Geldes tragen eine besondere Form gesellschaftlicher Macht als Privatmacht der Privatpersonen in der Tasche. Das Geld ist kosmopolitisch, Bürger dieser Welt. Die zersetzende Wirkung der Warenproduktion erscheint als zersetzende Wirkung der selbständig existierenden Wertform aller Waren, des Geldes. Daher wird das Geld als Gleichmacher, die scheinbar natürlichen Ordnungen zerstörender Fluch, in antiken, feudalen und kapitalistischen Gesellschaften kritisiert. Immer ist die Kritik am Geld die Kritik an seinen wirklichen oder vermeintlichen Trägern, den Personifizierungen des »Geldprinzips«. Der Jude als Geldmensch ist der Kosmopolit, der erbarmungslose Schacherer (»Shylock«), der Zersetzer »natürlicher Ordnung«.
Auf Seiten der Lohnarbeiterklasse wird die Ausbeutung und die Verkehrung von Subjekt und Objekt im Arbeitsprozess am eigenen Leib erfahren (Es sind nicht die Arbeiter, die die Maschinen anwenden, sondern die Maschinen wenden die Arbeiter an / das Gefühl »ausgesaugt zu werden« → »Blutsauger«). Da ihre wirklichen Ursachen jedoch nur verkehrt erscheinen, können sie ohne Denkanstrengung nicht begriffen werden. Sie bleiben ein Mysterium bzw. »Dunkelding«, erscheinen als unüberschaubare Masse an Fragmenten oder als Einheit, wo sie keine Einheit sind.
Am zinstragenden Kapital erscheint schließlich der Verwertungsprozess. Allerdings erscheint er in verkehrter Form. Ein Ding erlaubt seinem Besitzer, aus Geld ohne alle Vermittlung (Arbeit) mehr Geld zu machen. Die in der Produktion erfahrene Ausbeutung, findet hier endlich eine scheinbare Ursache. Über den Zins vermittelt scheint der »natürliche« kapitalistische Arbeitsprozess von den Geldkapitalisten beherrscht zu werden. Der Geldfetisch schließt nun rückwirkend die Vorstellung ein, dass jede Geldausgabe Kapital darstellt. Daher Zinskritik fast immer mit Geldkritik verbunden (→ siehe »Die Kritik am Zins« / Konfusion über die verschiedenen Bestimmungen des Geldes). Mit der fortschreitenden Trennung von Kapitalfunktion und Kapitaleigentum im Laufe der Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise auf ihrer eigenen Basis, d.h. mit der reellen Subsumtion in immer neuen Schüben, erscheint der Gegensatz in immer grelleren Formen. Dies geht einher mit der Zunahme der durch das Kapital produzierten sozialen und ökologischen Verheerungen.
Die Einheit des kapitalistischen Produktionsprozesses als Arbeits- und Verwertungsprozess wird in die zusammenhanglosen und feindlichen Gegensätze von produktivem Kapital, Handelskapital und zinstragendem Kapital aufgespalten. Die Lohnarbeit bildet scheinbar eine Einheit mit dem produktiven Kapital. Die Personifkationen von Lohnarbeit und produktiven Kapital, Lohnarbeiter und Unternehmer unterscheiden sich demnach nur noch durch die Höhe ihre Gehaltes, die Qualifikation, Art der Tätigkeit etc., aber nicht prinzipiell. Beide erscheinen als Arbeiter [→ Volksgemeinschaft. Als Gegenspieler, als Nicht-Arbeit, treten das Handelskapital und vor allem das zinstragende Kapital und deren Personifikationen auf. Sie sind die Nicht-Arbeiter. Ihre Revenue daher im Gegensatz zu allen anderen Revenuen aus Ausbeutung, Betrug (Verstoß gegen den Äquivalententausch) stammend.
Die Naturalisierung der Lohnarbeit als bloße Arbeit und die Identifikation der sachlichen Mittel des Arbeitsprozesses mit ihrer Kapitalform lässt die Vorstellung entstehen, dass man sich bloß von der »Zinswirtschaft«, der »Hochfinanz« und dem »Geldsystem« befreien müsse, um die Missstände der kapitalistischen Produktion loszuwerden. Wenn ein solches Bewußtsein von »Kapital«, »Kapitalismus« oder »kapitalistischer Produktionsweise« spricht, meint es bloß die Erscheinungsformen der Wertseite der kapitalistischen Produktion. Weil der Zusammenhang nicht erscheint, begreift es nicht, dass die verschiedenen Formen im Lohnarbeit-Kapitalverhältnis als historische Form der Produktion ihre Ursache haben.
Die Fetischformen und ein darin befangenes Bewusstsein existieren in allen Ländern mit kapitalistischer Produktionsweise. Sie dominieren das Alltagsdenken der Mehrheit der Menschen auf der Erde. Dennoch führt dieses Bewusstsein nicht permanent zu eliminatorischen Antisemitismus. Bestimmte Resultate des fetischistischen Bewusstseins in Form des NS-Antikap sind also mehr ein Potential, das erst unter bestimmten Umständen wirklich wird, ganz wie in der Warenzirkulation nur die Möglichkeit der Krise liegt...'
http://theoriepraxislokal.org/NS/akph_kdpoe.php
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