Formfehler bei Jenoptik macht Tochter DEWB zu hoch spekulativer Aktie Kleinaktionäre lauern in einem Abfindungsstreit auf den Sieg vor dem BGH. Derweil steigen ihre Papiere von Marcus Pfeil
Eigentlich ist es nur eine sechsstellige Zahl, die 804100, die Wertpapierkennummer der Deutschen Effecten- und Wechsel-Beteiligungs AG (DEWB), einer Beteiligungsgesellschaft, die zu 69,2 Prozent der Jenoptik AG gehört.
Hinter diesen sechs Ziffern verbirgt sich ein bizarrer Streit im deutschen Aktienrecht. Sollte einer Klage eines DEWB-Aktionärs auch vor dem Bundesgerichtshof (BGH) stattgegeben werden, könnte die börsennotierte Jenoptik mit dem Urteil an den Rand des Ruins getrieben werden.
Die folgenschwere Geschichte begann 1997. Damals kaufte Jenoptik 99,2 Prozent der alten Frankfurter Bank DEWB von der Heidenheimer Industriellenfamilie Voith. Die wenigen freien Aktionäre hatten gegenüber der Familie noch einen Abfindungsanspruch in Höhe von 26,51 Euro je Aktie, weil die schwäbischen Maschinenfabrikanten 1993 mit der DEWB einen Beherrschungsvertrag abgeschlossen hatten. Einigen der Minderheitsaktionäre war der Betrag zu niedrig, sie klagten in einem Spruchstellenverfahren auf Nachbesserung. Dieses Verfahren dauert bis heute an.
Nach der Übernahme lief das Geschäft für Jenoptik - damals noch unter dem Vorsitz von Lothar Späth - glänzend. Bis die Internetblase platzte, stieg der Kurs des Technologiekonzerns, der sich an Start-ups aus der High-Tech-Branche beteiligte, bis auf 67 Euro - niemand interessierte sich mehr für die Klage des DEWB-Aktionärs. Jenoptik verdiente gutes Geld mit dem Verkauf der DEWB-Aktien und erhöhte munter das Kapital und damit den Streubesitz - auf über 30 Prozent oder 5,22 Millionen Aktien.
Dabei unterlief Späth und seinem Nachfolger Alexander von Witzleben, damals noch Finanzvorstand bei Jenoptik, der entscheidende Fehler. Sie versäumten es, die neuen Aktien durch eine eigene Wertpapierkennummer von den alten abfindungsberechtigten Stücken zu unterscheiden.
Ein Aktionär verlangte hernach die Abfindung von Jenoptik und verklagte das Unternehmen, als dieses seinem Ansinnen nicht entsprach. Das Oberlandesgericht Jena gab ihm in zweiter Instanz recht und entschied, daß die Beweislast, daß ein Aktionär keinen Anspruch auf Abfindung hat, bei Jenoptik liegt. In dem Urteil heißt es, daß den Aktionären die Beweisführung "durch das Verhalten von Jenoptik unmöglich gemacht worden" sei, da das Unternehmen die verschieden Aktien "vermengt hat". Das ist in etwa so, als ob man ein Kilo Zucker in einen Sack Zucker schüttet, kräftig umrührt und danach wieder herausfiltern muß.
Die fatale Folge: Obwohl eigentlich nur für 70 000 Aktien ein Abfindungsanspruch besteht, könnten nun theoretisch alle Aktionäre diesen Anspruch geltend machen. Das würde Jenoptik statt 1,8 Millionen bis zu 170 Millionen Euro kosten - ein Viertel des eigenen Börsenwertes und fünfmal soviel, wie das Unternehmen im vergangenen Jahr verdient hat.
Kein Wunder, daß Jenoptik gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts Revision vor dem BGH eingelegt hat. "Dieses Urteil können wir nicht nachvollziehen", sagt Jenoptik-Vorstandschef von Witzleben, der im schlimmsten Fall "mit etwa 20 Millionen Euro rechnet", den ihn "dieser ganze Quatsch" kosten könnte.
Der Fall hat sich herumgesprochen in der Szene, spätestens seit der "Spiegel" im März darüber berichtete. Die DEWB-Aktie stieg seitdem von 1,75 Euro bis auf 7,10 Euro, getrieben von diversen Börsenbriefen und etlichen Beiträgen in den einschlägigen Internetforen. Zusätzlich wird der Kurs von Gerüchten gestützt, daß Jenoptik die DEWB-Aktien über die Börse einsammle, um den Kreis der potentiellen Kläger so gering wie möglich zu halten. |