Interessierte Anleger haben oft die besseren Zahlen und Erwartungen als die Analysten. Denk das nächste mal dran, bevor du mich für meine unrealistischen ansagen schimpfst. ;-) AKTIEN-STRATEGIE
Die mysteriöse Macht der Börsenflüsterer
Von Marc Pitzke, New York
Lange geahnt, endlich belegt: Eine Uni-Studie hat ermittelt, dass Mundpropaganda und Laienprognosen über Aktien oft einen höheren Wert haben als die Tipps hochbezahlter Börsenanalysten.
< script type=text/javascript><!--OAS_RICH('Middle2'); // -->< /script><!-- www.spiegel.de/wirtschaft/artikel@Middle2 -->New York - Sie waren die anonymen Propheten der Boomjahre vor 2001 und zugleich die Künder des kommenden Crashs. Sie waren "sowohl erstaunlich nützlich als auch beängstigend mysteriös", wie es der Wall-Street-Experte Mark Gimein formulierte. Sie kamen und sie gingen, aber so richtig verschwunden sind sie nie: die "Whisperer" - anonyme, geheimnisvolle Börsenflüsterer.
Und jetzt drängeln sie sich plötzlich wieder ins Rampenlicht, stärker und einflussreicher denn je, doch nicht minder mysteriös als damals. So fühlen sie sich für den kürzlichen Kurssturz bei Google mitverantwortlich, und diese Woche bangen Dell, Hewlett-Packard und der Satellitenradiokonzern Sirius den Flüster-Zahlen entgegen.
"Whisper Numbers" sind eine alte Wall-Street-Legende. Sie funktionieren ähnlich wie die offiziellen Erwartungszahlen ("Estimates"), die Aktienanalysten als Messlatte abgeben, kurz bevor ein Konzern seine Bilanzergebnisse vorlegt. Mit einem Unterschied: Hinter den inoffiziellen "Flüsterzahlen" stecken keine hochbezahlten, hochqualifizierten, namentlich bekannten Mitarbeiter von Investmentbanken, sondern meist ganz normale, anonym bleibende Investoren, die oft etwas andere Einschätzungen und Prognosen haben als die Profis. Sprich: "Whisper Numbers" sind ein numerischer Ausdruck des Hörensagens, des Net-Geflüsters, der brodelnden Gerüchteküche.
"Wonach soll man sich richten?"
Seit dem Dotcom-Crash galt so etwas als Anlagehilfe als verpönt oder zumindest unseriös. Jetzt aber hat sich erstmals eine wissenschaftliche Studie des Börsengeflüsters angenommen - und nachgewiesen: "Whisper Numbers" sind, was die Reaktion der Börse auf Bilanzen angeht, konstant zuverlässiger als die sonst überall zitierten Analystenerwartungen.
Mit anderen Worten: Der gemeine Investor ist den Fachleuten um eine Nasenlänge voraus. Das Geflüster ist mehr als nur das - es ist ein besserer Indikator für den Verlauf von Kursen.
"Wir wussten ja immer schon, dass unsere Informationen schlagkräftig sind", schmunzelt John Scherr, der Mitgründer und Präsident von WhisperNumber.com, einer von mehreren Websites, die Flüsterzahlen veröffentlichen. "Doch das durch eine Untersuchung bestätigt zu bekommen, das ist ziemlich befriedigend."
Die renommierte Finanzprofessorin Janis Zaima und ihre Kollege Maretno Harjoto von der kalifornischen San Jose State University waren dabei der Frage nachgegangen: "Flüster- und Analystenprognosen - wonach soll man sich richten?" Dazu verglichen sie über vier Jahre hinweg die Bilanzerwartungen der tollen Wall-Street-Experten einerseits und die von WhisperNumber.com andererseits mit den tatsächlichen Ergebnissen der Konzerne.
Mysteriöses Brunnenloch
Die Studie, veröffentlicht im Branchenblatt "Financial Decisions", kam unter anderem zu dem Fazit: "Wenn sich Flüsterer und Analysten in ihrer Meinung über Konzernumsätze unterscheiden, reagiert - oder 'hört' - die Aktie in der Regel eher auf das Geflüster." Zum Beispiel Google - der Kurs implodierte vor zwei Wochen vor allem, weil der Jahresgewinn 2005 pro Aktie (1,54 Dollar) so weit unter der "Whisper Number" (1,99 Dollar) gelegen hatte. Das erinnert an Erkenntnisse aus der Marktforschung: Mundpropaganda ist demnach bekanntlich effektiver als klassische Werbung.
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,400517,00.html
Grüße ecki |