Handelsblatt Nr. 017 vom 24.01.06 Seite 19
Biotech in hoher Dosis
Externe Arznei-Entwickler werden für den Erfolg von Pharmakonzernen immer bedeutender
SIEGFRIED HOFMANN | FRANKFURT Weil aus den eigenen Labors kaum noch Nachschub an Medikamenten kommt, ändern viele Pharmakonzerne die Strategie bei der Entwicklung neuer Produkte: Sie verordnen sich noch mehr Allianzen mit Biotechfirmen - und sie kaufen von externen Entwicklern mittlerweile auch solche Mittel, die noch in der sehr frühen Forschungsphase sind.
Dieser Trend zeichnet sich bereits seit ein paar Monaten ab: Der britische Pharmakonzern Astra-Zeneca zahlt bis zu eine Milliarde Dollar für die Rechte an einem neuen Herzmittel der US-Firma Atherogenics. Roche, Pfizer und Novartis stellten in den vergangenen Monaten jeweils mehr als eine halbe Milliarde Dollar bereit, um sich Zugang zu neuen Technologien und Wirkstoffen aus dem Biotechsektor zu sichern. Und die Leverkusener Bayer AG sagte Anfang des Jahres fast 400 Mill. Dollar für die Rechte an einem neuen Mittel gegen Blutgerinnsel zu.
" Vor allem bei interessanten Produkten werden die Preise weiter nach oben gehen" , schätzt Fonds-Managerin Nora Frey von Adamant Biomedical. Nach Daten der US-Bank Burrill & Co, die den Sektor besonders intensiv beobachtet, hat sich das finanzielle Volumen von Pharma-Biotech-Allianzen 2005 um gut zwei Drittel auf den neuen Rekordwert von 17 Mrd. Dollar erhöht.
Selbst etliche US-Unternehmen, die in der Vergangenheit fast ausschließlich auf eigen Arznei-Entwicklungen setzten, gehen inzwischen auf Einkaufstour. Der angeschlagene Konzern Merck & Co etwa hofft über eine Neuausrichtung seiner Entwicklung die Erfolgsquote wieder auf Vordermann zu bringen. " Das bedeutet, dass wir mehr Partnerschaften suchen und den Zugang zu externen Innovations-Quellen verstärken müssen" , sagt der neue Firmenchef Richard Clark.
Kooperationen mit Biotechfirmen nutzen Pharmakonzerne schon länger, um die Schwäche in der eigenen Forschung und Entwicklung auszugleichen. Allerdings werden viel versprechende Wirkstoffe aus anderen Labors inzwischen immer früher eingekauft - und zu höheren Preisen.
Selbst für Substanzen in der klinischen Testphase I versprechen Pharmakonzerne mittlerweile erfolgsabhängige Zahlungen in hoher dreistelliger Millionenhöhe, obwohl der Wirkstoff in dieser frühen Phase von einer möglichen Vermarktung in der Regel noch sechs bis sieben Jahre entfernt ist. " Wir werden 2006 noch mehr solcher finanziell umfangreicher Kooperationen sehen, die sich auf frühe Forschungsphasen beziehen" , erwartet der amerikanische Banker und Biotech-Experte Steven Burrill.
Der Strategiewechsel der Pharmariesen hat mehrere Gründe: So sind zum einen sind die meisten marktreifen Neuentwicklungen aus dem Biotechsektor bereits vergeben. " Dieser Bereich ist weitgehend abgegrast," sagt Branchenexperte Christian Lach von der Schweizer Investmentgesellschaft BB Biotech. Zum anderen geht es darum, die Technologiebasis auf Gebieten zu verstärken, die sich inzwischen als ausgesprochen erfolgreich erwiesen haben - so etwa bei therapeutischen Antikörpern.
Entscheidend für die frühzeitige Kooperation aber ist, dass Pharmahersteller wieder mehr Kontrolle und Regie über die weitere Entwicklung der Wirkstoffe erlangen wollen. Denn sie haben in den vergangenen Jahren einige Enttäuschungen erlebt, als Partner aus der Biotechbranche die harte Prüfungsphase selbst steuerten. Prominentes Beispiel: Die US-Zulassungsbehörde FDA hatte das von der Biotechfirma Imclone entwickelte Krebsmittel Erbitux wegen unzulänglicher Studiendaten zunächst zurückgewiesen. Erst als der deutsche Pharmakonzern Merck KGaA mit neuen und besseren Daten nachrückte, bekam Erbitux die Zulassung - die Verzögerung war äußerst kostspielig. Diese abschließenden klinischen Studien werden immer aufwendiger, weil Zulassungsbehörden die Anforderungen an Sicherheit und Wirksamkeit deutlich verschärft haben.
Um teure Fehlschläge zu vermeiden, bemühen sich Pharmahersteller darum möglichst frühzeitig die Spreu vom Weizen zu trennen. " Wir sehen daher durch die Bank einen Trend, Substanzen früher in die Hand zu nehmen, um in einem selbst gesteuert Prozess die Wirksamkeit zu überprüfen" , beobachtet auch Jörg Reinhardt, der bisherige Entwicklungschef und künftige Leiter der Impfstoffsparte von Novartis.
Hofmann, Siegfried
24. Januar 2006 xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx Der H. Reinhardt von Novartis war Aufsichtrat bei Morphosys, hat dort seinen Sitz abgegeben und wenige Tage später wurde die Beteiligung von Novartis an MOR gemeldet mit Großkooperation und Technologieintegrationsoption. Grüße ecki |