Hypo Real Estate Enteignungsgesetz droht Verfassungsbeschwerde
Das geplante Übernahmegesetz der Bundesregierung für angeschlagene Banken wie die Hypo Real Estate stößt auf ein geteiltes Echo. Während Kanzlerin Merkel und ihr Finanzminister Steinbrück die Maßnahmen verteidigen, kommt aus der Wirtschaft und von Experten harsche Kritik.
Das Gesetz soll zu einem rein auf den Fall der Hypo Real Estate ausgerichtetes Gesetz sein. Quelle: Reuters HB FRANKFURT. Sollte es bei der Münchener Immobilienbank zu einer Enteignung kommen, ohne andere aktienrechtliche Möglichkeiten auszuschöpfen, sei dies ein Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip des Grundgesetzes, sagte Klaus Nieding von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). "Der normale Weg ist der einer Kapitalerhöhung, über die der Bund die Kontrollmehrheit erlangen könnte", sagte der Rechtsanwalt. Die DSW prüfe daher eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht.
Das Bundeskabinett hatte sich zuvor auf weitere Maßnahmen zur Stabilisierung des Finanzmarktes geeinigt. Die Ministerrunde verabschiedete in Berlin das sogenannte Rettungs-Übernahmegesetz. Damit soll die Grundlage für eine Verstaatlichung des angeschlagenen Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate (HRE) geschaffen werden. Der Entwurf sieht die Möglichkeit einer Enteignung von Alt-Aktionären vor, allerdings als letztes Mittel.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnet das Gesetz als "alternativlos". Die Bundesregierung habe international zugesichert, dass "keine Bank mit einem systemischen Risiko" insolvent gehen dürfe. Ferne gelte es, die Belastung für die Steuerzahler "möglichst gering zu halten". Aus diesen Gründen müsse der Staat die Kontrollmehrheit in dem Institut erlangen, sagte Merkel am Mittwoch in Berlin.
Die Kanzlerin betonte, der Bund werde versuchen, dies durch entsprechende Beschlüsse in einer Hauptversammlung der HRE über einen sogenannten Kapitalschnitt mit gleichzeitiger Kapitalerhöhung zu erreichen. "Dafür gibt es Chancen", sagte sie. Nur wenn dies misslinge, werde zu der "ultima ratio" gegriffen. Dies bedeute, dass dann eine Enteignung eingleitet werde. "Wir müssen diesen Weg gehen", er sei sorgfältig abgewogen. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) betonte, es gehe nicht darum, den staatlichen Einfluss auf die Geldinstitute auszuweiten. Vielmehr wolle man die bereits geflossenen Steuergelder schützen.
Die großen Wirtschaftsverbände beeindrucken die guten Absichten der Bundesregierung wenig. Sie halten halten überhaupt nichts von den Gesetzesplänen. "Die mögliche Enteignung von Aktionären im Gesetz zu verankern, dazu sagen wir klar Nein", ließ BDI-Präsident Hans-Peter Keitel am Mittwoch auf Anfrage von seinem Verband erklären. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Martin Wansleben, sagte der Nachrichtenagentur Reuters: "Die Verstaatlichung ist ein Tabubruch. Die Bundesregierung ist in einem Dilemma." Der Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeberverbände, Reinhard Göhner, zeigte sich "entsetzt". "Jegliche Form von Verstaatlichung oder Enteignung sind völlig fehl am Platz", sagte er dem Sender n-tv.
"Was wir jetzt am dringendsten brauchen, ist Vertrauen", unterstrich BDI-Präsident Keitel. "Mit einer Enteignung gehen die ordnungspolitischen Grundsätze über Bord". Er warnte: "Das zerstört das Vertrauen von in- und ausländischen Investoren in den Standort Deutschland nachhaltig." Wansleben forderte mit Blick auf etwaige neue Staatsbeteiligungen: "Im Gesetzestext muss bereits die Privatisierung festgeschrieben werden".
Die Commerzbank bewertet das Enteignungsgesetz der Bundesregierung für angeschlagene Banken grundsätzlich positiv, sieht sich aber nicht selbst davon betroffen. "Ein solches Gesetz kann für den einen oder anderen Fall notwendig sein, aber nicht für die Commerzbank", sagte Finanzchef Eric Strutz. Ohne eine derartige Regelung könne manch ein Stabilisierungsversuch möglicherweise nicht gelingen. Die Commerzbank, zweitgrößte deutsche Bank, muss wegen hoher Belastungen in der Finanzkrise mit mehr als 18 Mrd. Euro staatlicher Hilfen gestützt werden. Im Zuge dessen steigt der Bund mit gut 25 Prozent bei der Commerzbank ein.
Aktionärsschützer Nieding kritisierte die Enteignungsmöglichkeit als "herben Schlag in Richtung Rechtssicherheit" für alle Aktionäre. "Das ist ein fatales Signal für Investoren in Deutschland und weltweit", sagte der DSW-Experte. Die Bundesregierung dürfe nicht vergessen, dass an der Hypo Real Estate nicht nur der US-Finanzinvestor JC Flowers beteiligt sei, sondern auch zahlreiche weitere Aktionäre. Für den Fall einer Enteignung sagte er weitere Gerichtsverfahren voraus - und zwar im Streit um eine angemessene Entschädigung der Anteilseigner.
Das Gesetz zur Übernahme einer Bank setzt zwei Fristen. Zum einen soll das Verfahren für eine Enteignung bis Ende Juni eingeleitet sein. Eine entsprechende Verordnung auf Enteignung müsste dann bis Oktober erlassen werden. Damit soll deutlich gemacht werden, dass eine Verstaatlichung keine dauerhafte Option darstellen soll. In der jetzigen Fassung wird das Gesetz praktisch zu einem rein auf den Fall der Hypo Real Estate ausgerichteten Gesetz.
Die Milliarden-Hilfen für die Hypo Real Estate:
KREDITLINIEN:
50 Mrd. Euro Das Geld kommt von anderen Banken, Versicherungen und der Bundesbank. Damit wurde die HRE, die durch akute Liquiditätsnöte ihrer irischen Staatsfinanzierungstochter Depfa in Bedrängnis kam, Ende September und Anfang Oktober gleich zwei Mal vor dem Zusammenbruch bewahrt. Zunächst ging es um 35 Mrd. Euro, eine Woche später mussten die Darlehen um 15 Mrd. aufgestockt werden. Die Kreditlinie läuft bis Ende 2009 und ist teilweise mit einer Garantie des Bundes versehen. Letztere läuft Ende März aus, soll aber verlängert werden.
ÜBERBRÜCKUNGSGARANTIEN:
15 Mrd. Euro Weil die Verhandlungen über die Ausgestaltung der 50-Milliarden-Hilfe sich hinzogen und die Kredite letztlich erst Mitte November zur Verfügung standen, erhielt die Bank zur Überbrückung Ende Oktober eine Sonderliquiditätshilfe in Höhe von 15 Mrd. Euro. Diese ist mittlerweile ausgelaufen.
LIQUIDITÄTSGARANTIEN:
52 Mrd. Euro Um den Kapitalmarkt anzapfen zu können, haben die Münchner zudem aus dem Banken-Rettungsfonds der Bundesregierung (Soffin) Bürgschaften erhalten: 20 Mrd. Euro im November; im Dezember dann weitere zehn Milliarden. Mitte Januar wurde der Rahmen um zwölf Mrd. Euro aufgestockt, einen Monat später kamen weitere zehn Mrd. Euro hinzu.
EIGENKAPITAL:
Bisher noch keine Entscheidung Finanz- und Parlamentskreisen zufolge braucht die HRE mindestens zehn Mrd. Euro - durch Kapitalerhöhungen oder stille Einlagen. Mit einer solchen Maßnahme würde der Staat zwangsläufig Mehrheitseigentümer. Zudem wird über langfristig laufende Garantien für Schuldtitel verhandelt.
http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/...schwerde;2161314;0 |