Vom Winde verweht Der Bieterkampf um die deutsche Firma Repower zeigt, dass die hiesige Windkraft-Branche für das große Geschäft schlecht gerüstet ist
Mit den Flügeln holen wir die Energie aus dem Wind.«Felix Losada gerät ins Schwärmen, wenn er von den 45 Meter langen, schlanken Rotorblättern erzählt. Sie sind das Markenzeichen von Nordex, dem Unternehmen aus Norderstedt, das seit mehr als 20 Jahren Windkraftanlagen entwickelt und baut.
Rotorblätter zählen zu den streng gehüteten Geheimnissen der Branche. Schließlich haben Form und Material wesentlichen Anteil daran, wie viel Energie dem Wind abgetrotzt und in Strom verwandelt werden kann. »Die Flügel gehören zur Kernkompetenz«, erklärt Losada. Nordex produziere deshalb einen großen Teil von ihnen selbst, auch, um »den Abfluss von Know-how« zu verhindern. Genau dieser Erfindergeist prägt den Ruf der deutschen Windbranche seit Jahren und macht die Unternehmen interessant für potenzielle Käufer. Insidern zufolge wird Nordex umworben. Und bei dem Hamburger Windanlagen-Hersteller Repower liegen sogar schon zwei Angebote auf dem Tisch. Vier der zehn größten Windanlagenbauer sitzen in Deutschland. Dass die drei Mittelständler Enercon, mit 13 Prozent Marktanteil das Schwergewicht, sowie Repower (3,1 Prozent Marktanteil) und Nordex (2,6 Prozent Marktanteil) mittlerweile weltweit als Übernahmekandidaten gelten, »ist angesichts des Know-hows selbstverständlich«, sagt Peter Strüven, Geschäftsführer der Boston Consulting Group (BCG). Deutsche Windenergieforscher meldeten 3,7-mal so viele Patente an wie die Konkurrenz aus den USA, die abgeschlagen auf dem nächstfolgenden Platz rangiert. Unter den 150 Technologiebranchen, die BCG jüngst in einer Studie untersuchte, sind nur zwei innovativer als die hiesige Windindustrie. Ob im Eis der Antarktis oder im monsunfeuchten Indien, überall auf der Welt verrichten Windräder made in Germany zuverlässig ihren Dienst. So wecken die hiesigen Topunternehmen schon länger Begehrlichkeiten. Die Zahl der Übernahmen innerhalb der deutschen Ökobranche stieg 2005 binnen Jahresfrist von 65 auf 113 »getrieben von der Windbranche«, wie der Energieexperte Helmut Edelmann von Ernst& -Young erklärt. Die steigende Nachfrage nach klimafreundlicher Energie werde nun wohl Fusionen »auf höherem Niveau« befördern. In dem um jährlich etwa 25 Prozent wachsenden Markt brauchten Unternehmen eine »kritische Größe, um mehr Einheiten und effizienter zu produzieren«. Tulsi Tanti ist auf dem Weg zu dieser kritischen Größe. Der Firmenchef der indischen Suzlon Energy will künftig auch in Europa viele Windräder bauen und dabei von deutschem Wissen profitieren. Deshalb hat Tanti in der vergangenen Woche überraschend ein Wettbieten um die Hamburger Repower ausgelöst. Zwanzig Prozent mehr will er zahlen als der bisher einzige Bewerber, der französische Atomkonzern Areva. »Warum sollte ein Windanlagenhersteller von einem Atomkonzern übernommen werden?«, fragt der Inder. Die Familie Tanti betrieb in den achtziger Jahren im indischen Pune eine Textilfabrik, die unter exorbitanten Energiekosten und ständigen Stromausfällen litt. Mitte der 1990er Jahre schließlich platzte dem Unternehmer der Kragen er bestellte zwei Windturbinen aus Deutschland, um endlich eine unabhängige und vergleichsweise billige Energiequelle zu haben. Als der Windanlagenbauer später die Produktion einstellen musste, übernahm Tanti einen großen Teil der Ingenieure und begann, selbst Turbinen zu produzieren. Er gab die Garnproduktion auf und ergänzte den Namen der alten Fabrik, Suzlon, um das Wort »Energy«. Inzwischen rangiert das Familienunternehmen mit gut sechs Prozent Marktanteil auf Platz fünf der Weltrangliste. Jetzt will Tanti einen globalen Windkonzern bauen. »Von Beratung über Entwicklung, Produktion und Betrieb von Anlagen wollen wir alles selbst anbieten.«An Repower interessieren Tanti vor allem dessen Vertriebsstärke auf dem europäischen Markt, die Technologieabteilung und die leistungsstarken Fünf-Megawatt-Windmaschinen. Gelingt der Einkauf, sollen »Forschung und Entwicklung neuer Technologien in Hamburg konzentriert« werden. Repower werde »um den Faktor zwei bis drei wachsen«, wirbt der Inder für sein Konzept. Wachstum steht auch auf dem Plan von Fritz Vahrenholt. »Wer nicht wächst, muss irgendwann aufgeben«, wusste der Repower-Vorstandsvorsitzende schon Mitte der neunziger Jahre zu einer Zeit, als viele noch den Traum von der sauberen Energiegewinnung mit Windmühlen träumten, ohne auf strategisches Wachstum zu achten. Als die rot-grüne Koalition später das größte staatliche Förderprogramm für Windenergie auflegte, wurden die Windparks an Land größer und größer, die Träume von den mächtigen Windmühlen im Meer realistischer und die Fragen der Finanzierung immer dringlicher. »Händeringend«, erinnert sich der Repower-Vorstandsvorsitzende, habe er damals nach finanzstarken Partnern oder willigen Banken gesucht vergebens. Um zu überleben, sagt Vahrenholt heute, bliebe Mittelständlern nur der Gang an die Börse, die Fusion mit Konkurrenten oder die Integration in Technologiekonzerne. Sonst drohe die Pleite, wie sie einst den Automobilbauer Borgward ereilte. »Die Autos waren richtig klasse, aber das Unternehmen gibt es nicht mehr«, sagt Vahrenholt. Gleiches soll Windweltmeister Deutschland nicht passieren. Die Branche dürfe jetzt weder in der Forschung nachlassen noch strategisches Größenwachstum vernachlässigen, sagt BCG-Geschäftsführer Strüven. Auch die Regierung sei in der Pflicht. »Wenn sie die Entwicklung neuer Technologien über Jahre finanziell fördert, muss sie auch Bedingungen dafür schaffen, dass die Arbeitsplätze in Deutschland bleiben«, so Strüven. Bei der Förderung der erneuerbaren Energien müsse »ein ähnliches Desaster wie beim Luftfahrtkonzern EADS« vermieden werden. |