Ich habe ich mich mal daran gemacht, einen Bewertungsversuch für den fairen Wert der Aurelius Aktie zu unternehmen. Wen’s interessiert, hier ist meine Rechnung:
Beteiligungsgesellschaften sind grundsätzlich sehr schwer zu bewerten, insbesondere wenn eine Firma sowohl Beteiligungen direkt hält als auch börsennotierte Firmen. Typische Metriken wie KGV und KBV versagen hier oft allein schon deshalb, weil solche Firmen aus steuerrechtlichen Gründen bunt gemixt manche Beteiligungen zum Marktwert und andere zum Kaufpreis in ihren Bilanzen führen. Das sorgt bei Kurs-Gewinn-Verhältnissen und Buchwerten für eine wilde Verzerrung, so dass weder das eine noch das andere ein akkurates Bild abgibt. Hinzu kommt, dass die Kernleistung einer Beteiligungs-Holding (das Stock-Picking) nur schwer und sehr subjektiv bewertbar ist.
Diese Grundsituation ist gerade bei der Parade-Holding Berkshire Hathaway schon immer ein großes Problem gewesen. Dort hat Warren Buffet zum Glück selbst hin und wieder interne Berechnungen angestellt, die er zumindest teilweise mit der Außenwelt geteilt hat (z.B. die Aussage, dass der faire Wert der Aktie irgendwo zwischen 1,3 und 1,4 mal dem Buchwert liegt und er ab 1,2 mal Buchwert Aktienrückkäufe unternimmt, da dann eine signifikante Unterbewertung vorliegt). Bei Aurelius wird die Sache noch zusätzlich dadurch erschwert, dass es sich um eine Restrukturierungsgesellschaft handelt, bei der es in relativ schneller Zeitfolge Exits und Neukäufe gibt. Wie sollte man Aurelius also bewerten?
Eine gute erste Benchmark bietet der Net Asset Value, also der mit herkömmlichen KGV-Metriken/DCF Modellen konstruierte innere Wert der Beteiligungen. Aurelius weist diesen seit 2014 aus. Der momentane Stand des NAV beträgt etwa 1 Mrd. Euro. Bei 31,68 Mio. Aktien entspricht der innere Wert der Beteiligungen also etwa €31,57 pro Aktie. Unter der Annahme, dass Aurelius die in den DCF Modellen impliziten Multiples nicht schöngerechnet hat, hat Aurelius momentan also eine Unterbewertung von etwa 17% im Vergleich zum NAV.
Diese Metrik wird bisweilen von Analysten herangezogen und auch die Geschäftsführung selbst hat darauf verwiesen. Allerdings scheint mir der NAV selbst eine Unterbewertung zu enthalten. Schließlich ist das Portfolio von Aurelius nicht eine zufällige Ansammlung von Aktien, die addiert in ihrem Wert beurteilt werden sollten. Vielmehr ist der Mehrwert, den Aurelius durch sein Management liefert, ja gerade, dass der Wert von Firmen durch erfolgreiche Restrukturierungen GESTEIGERT wird. Die Daseinsberechtigung von Aurelius ist also, dass die Firma mehr aus seinen Beteiligungen herausholt als den Standalone-NAV. Mit anderen Worten, was zählt ist nicht nur der momentane Wert der Beteiligungen, sondern auch der erwartete Barwert der zukünftigen Wertsteigerungen durch Akquisitionen, Restrukturierungen und Exits.
Auf diesem Gebiet hat Aurelius in der Vergangenheit brillant operiert. So wurde der Unternehmenswert der Beteiligungen, bei denen ein Exit erfolgte, im Durchschnitt um das 8-fache erhöht (!). Selbst bei einer durchschnittlichen Haltedauer von vielen Jahren entspricht das noch immer einem restrukturierungsgetriebenen Zusatzwachstum von sicher gut über 20% pro Jahr für die gehaltenen Beteiligungen.
Wenn wir davon ausgehen, dass Aurelius auch in Zukunft Firmen im Durchschnitt besser macht und nach einigen Jahren wieder verkaufen kann, müssen wir also ein Multiple auf den NAV anwenden, der die zu erwartende Restrukturierungsleistung reflektiert. Hier das bisherige realisierte Multiple zu nehmen, käme aus meiner Sicht einer Überschätzung gleich, aus den folgenden Gründen:
§ - Es gab in der Vergangenheit kaum Ausfälle. Dies ist zwar sicher auch der Leistung des Managements geschuldet, allerdings wird es irgendwann auch mal größere Verluste bei einer Beteiligung geben, weil die Restrukturierung in die Hose geht. - Mit dem Wachstum der Gesellschaft wächst auch die Schwierigkeit der Aufgabe: kleine Firmen sind leichter zu restrukturieren als große Firmen. Dies wird im Laufe der Zeit immer schwieriger werden, da Aurelius wächst, also immer mehr und immer größere Firmen betreuen muss. - Die Managementleistung ist sehr personengebunden. Falls Dirk Markus irgendwann mal mehr Lust aufs Golfspielen hat, könnte der zukünftige Ertragswert der Firma nicht mehr derselbe sein. Das Restrukturierungswachstum könnte also irgendwann in der Zukunft abflachen. - Da die Berechnung des NAV nicht in allen Details öffentlich gemacht wurde, ist nicht auszuschließen, dass hierbei sehr großzügige Annahmen gemacht wurden (z.B. um bei Exits besser mit Käufern verhandeln zu können). So könnten geplante Umsatzsteigerungen aufgrund zukünftiger Restrukturierungsmaßnahmen bereits sehr offensiv in die Bewertungsmultiples der momentanen Beteiligungen eingeflossen sein. Dies ist letztlich schwer von außen zu überprüfen. - Durch die in Zukunft zunehmende Bedeutung der langfristigen Beteiligungen wird das Restrukturierungswachstum gemessen am Gesamtwert von Aurelius prozentual sinken. Es ist denkbar, dass irgendwann der größte Teil des Umsatzes mit dauerhaften Mittelstands-Beteiligungen erzielt wird.
Für meine Berechnungen habe ich daher nicht das bisherige Restrukturierungs-Multiple genommen (was sicher über 20% pro Jahr gelegen hätte), sondern gehe konservativ von einer deutlich niedrigeren Ertragssteigerung durch Restrukturierungsleistungen aus. Hiervon sind noch die Holdingkosten abzuziehen, also primär die Verwaltungskosten, die bei Aurelius selbst durch Gehälter, Büroräume etc. anfallen. Sagen wir, die Netto Restrukturierungsleistung nach Abzug der Holding-Kosten beläuft sich auf lediglich 3% pro Jahr (also sehr viel weniger als in der Vergangenheit).
Nehmen wir des Weiteren an, dass Aurelius seinen NAV um 10% „schöngerechnet“ hat. (Viel mehr als 10% wird’s nicht sein können, sonst würde die Schönrechnerei auffliegen, da Exits regelmäßig zu Erlösen weit unter dem ausgewiesenen NAV der Beteiligung führen würden). Für die Berechnung nehme ich weiter an, dass der erwartete zukünftige Ertrag des Aktienmarkts insgesamt bei 8% pro Jahr liegt (dies ist wiederum konservativ: nähme man einen niedrigeren erwarteten Return von Aktien an, würde dies den fairen Wert der Aurelius Aktie weiter erhöhen).
Der faire Wert der Aurelius Aktie lässt sich unter diesen Annahmen dann implizit durch die folgende Gleichung bestimmen:
(Fairer Wert) / (Return Aktienmarkt + Zusatzreturn durch Restrukturierung) = (NAV / Anzahl Aktien) / ((Return Aktienmarkt) * (1 + „Schönrechnung“ des NAV))
Also:
(Fairer Wert) / (0,08 + 0,08) = (1 Mrd. / 31,68 Mio.) / (8% * 1,1)
Daraus ergibt sich ein fairer Wert der Aktie von €39,46. Man beachte, dass dies insofern konservativ gerechnet ist als:
-§Eine Netto-Gewinnsteigerung durch Restrukturierung von lediglich 3% pro Jahr angenommen wurde (obwohl in der Vergangenheit Steigerungen im zweistelligen Bereich erfolgten)
-§Der NAV als 10% übertrieben angesehen wird (obwohl Aurelius selbst sagt, man habe hier eher konservativ gerechnet).
Wenn selbst unter diesen konservativen Annahmen ein fairer Aktienwert von etwa 40€ herauskommt, sagt mir dies, dass Aurelius deutlich unterbewertet ist. Mein Fazit ist also: Zwar sind Beteiligungsgesellschaften wie Aurelius notorisch schwer zu bewerten (und gerade durch den Restrukturierungsfokus gibt es immer ein erhebliches Risiko). Allerdings erscheint mir die Aktie momentan selbst unter konservativen Annahmen deutlich unterbewertet.
Wenn man nur ein klein wenig Vertrauen darin hat, dass das Aurelius Team auch in Zukunft den Firmenwert seiner Beteiligungen positiv und nicht negativ beeinflusst, sollte die Aktie im Laufe der nächsten Jahre zweistellige Kurssteigerungen und gute Dividendenausschüttungen ermöglichen. Aus meiner Sicht ist Aurelius daher nach wie vor ein Kauf.
(PS: Über Korrekturen/Fehler in der Herleitung etc. bin ich natürlich dankbar :) |