Hannover Rück: Katastrophen passieren immer den Anderen (EurAmS) 23.02.2004 08:12:00 Die Hannover Rück stand lange im Schatten des großen Münchner Konkurrenten. Doch dank konstant hoher Profitabilität ist sie zuletzt immer mehr in den Blick der Anleger gerückt. Jetzt hat der Mutterkonzern Thalanx seine Beteiligung zurückgefahren. Warum das der Aktie nur gut tun kann von Thomas Schmidtutz, Euro am Sonntag 08/04
Hannover-Rück-Chef Wilhelm Zeller wusste wohl mehr, als er sagen durfte: "Ich gehe davon aus", so Zeller am Dienstagmittag gegenüber EURO salomonisch, "dass der von unserem Haupteigentümer Thalanx geplante Beteiligungsabbau kursschonend passiert." Nur sieben Stunden später kündigte der Mutterkonzern an, sich von bis zu 24,8 Millionen Aktien trennen zu wollen. Und am Mittwochnachmittag war die Aktion "kursschonender Beteiligungsabbau" auch schon erledigt – zum Preis von 28,50 Euro je Aktie.
In kaum sechs Stunden hatte Morgan Stanley die Papiere im Gesamtwert von 708 Millionen Euro bei institutionellen Investoren untergebracht. "Die Nachfrage war hervorragend", sagte ein Frankfurter Händler. Jetzt hält der einst als HDI bekannte Thalanx-Konzern noch 51,2 Prozent an der Tochter. Zuvor waren es 71,8 Prozent.
Mit dem Aktienverkauf fällt einer der größten Unsicherheitsfaktoren bei der Hannover Rück weg. Immer wieder hatten Analysten in den vergangenen Jahren darauf hingewiesen, dass sich die Mutter teilweise zurückziehen könnte. Das belastete den Aktienkurs. Doch mit dem jüngsten Schritt ist das Thema nun erst einmal vom Tisch.
"Sehr positiv" findet das Analsyt Oliver Flade von der HypoVereinsbank. Denn damit erhöhe sich der Free-Float, also die Zahl frei handelbarer Aktien, von 28 auf fast 49 Prozent. Das macht die Rück auch für Großinvestoren attraktiv. "Viele Fonds konnten auf Grund ihrer Anlagerichtlinien bislang nicht in die Hannover Rück investieren", erklärt Flade. "Das ist nun anders."
Gründe für den Kauf der Aktie gibt es zuhauf. Da ist zum einen die im Branchenvergleich ungewöhnlich hohe Profitabilität. In den vergangenen Jahren erwirtschaftete der viertgrößte Rückversicherer der Welt eine durchschnittliche Eigenkapital-Rendite nach Steuern von 15 bis 18 Prozent. Zum Vergleich: Branchenprimus Münchener Rück schaffte 2002 gerade mal 6,5 Prozent, 2004 dürften es 9,3 Prozent werden.
Während viele Wettbewerber lange Zeit mehr an Marktanteilen als an ihrer Profitabilität interessiert waren, achteten die Niedersachsen streng auf den Ertrag. Wenn ein Geschäft oder ein Markt keine angemessene Rendite abwirft, zieht sich das Unternehmen eben zurück – um wieder zur Stelle zu sein, wenn die Prämien anziehen. "Die Hannover Rück hat ein besseres Zyklusmanagement als die Konkurrenz", lobt denn auch Flade.
Das gilt nicht nur in Zeiten so genannter harter Märkte, wenn die Rückversicherer angesichts steigender Nachfrage höhere Prämien durchsetzen können. Auch in Zeiten, als der Markt unter Überkapazitäten und fallenden Prämien ächzte, glänzten die Niedersachsen mit hohen Renditen, etwa Ende der 90er-Jahre. Nur: Das ging lange unter. Weil die Kapitalanlagen damals hohe Erträge abwarfen, leisteten sich praktisch alle Anbieter im Kerngeschäft Verluste. Über die Gewinne am Kapitalmarkt wurde das ja mehr als wettgemacht. Aber mit dem Börsencrash wurden viele Rückversicherer auf ihr Kerngeschäft zurückgeworfen und ringen nun verzweifelt um jene Profitabilität, die die Hannover Rück längst hat.
Doch die Niedersachsen sind nicht nur überdurchschnittlich profitabel. Sie steigern ihre Gewinne auch regelmäßig – und zwar zweistellig. So legte der Jahresüberschuss zwischen 1999 und 2002 durchschnittlich um rund elf Prozent zu. Im Vorjahr dürfte der Gewinn bei mindestens 350 Millionen Euro gelegen haben, ein weiteres Plus von 31 Prozent. Zudem gilt die Hannover Rück als ausgesprochen aktionärsfreundlich. Traditionell schüttet das Unternehmen ein Drittel des Überschusses aus. Die geplante Dividende für 2003 von 0,95 Euro entspräche einer Dividendenrendite von 3,3 Prozent. Hinzu kommt ein hervorragendes Management. "Das ist einer der am besten geführten Rückversicherer der Welt", sagt Analyst Flade.
Zudem sind die Prognosen der Hannoveraner sehr zuverlässig. Und wenn sie die Vorhersagen mal korrigieren, dann meist nach oben. Allein im vergangenen Jahr legte der Konzern zweimal nach. 2004 sollen netto 390 bis 430 Millionen Euro übrig bleiben. Auch für 2005 stellt Zeller ein "zweistelliges Ergebniswachstum" in Aussicht. Zwar dürfte bei den Prämien im laufenden Zyklus die Spitze erreicht sein, so Zeller. Doch zumindest in den nächsten beiden Jahren sollte das noch für sprudelnde Gewinne sorgen.
Und bei den Kapitalanlagen? Dort hat sich die Situation "entspannt". Im Vorjahr seien die Abschreibungen in diesem Bereich "weggefallen". Die Aktienquote liege "derzeit knapp unter sieben Prozent". Das dürfte 2004 auch so bleiben. Doch "in den nächsten drei bis fünf Jahren soll sie wieder auf 15 bis 17 Prozent steigen". Einschließlich der Private-Equity-Engagements, also der Beteiligungen an nichtbörsennotierten Firmen, strebe er "20 bis 25 Prozent" an, so Zeller. Weiteren Kapitalbedarf sieht er aber nicht. Im laufenden und im kommenden Jahr werde man keine neue Anleihe begeben. Auch eine Kapitalerhöhung brauche man nicht. "Wir haben keinen Bedarf."
Für die kommenden Jahre sind Experten für das Unternehmen ohnehin optimistisch. "Das Umfeld dürfte für die Hannover Rück zumindest bis 2006 positiv bleiben", sagt HVB-Analyst Flade. Auch danach werde der Rückversicherer wohl sehr gute Ergebnisse liefern. "Das Management hat bewiesen, dass es auch in schwächeren Marktphasen angemessene Renditen erwirtschaften kann." Und gemessen an dem erwarteten Wachstum ist die Aktie mit einem KGV von xx eh günstig. Bei den Profis hat sich das rumgesprochen. "Die Aktie", sagt ein Händler in Frankfurt, "ist im Versicherungssektor inzwischen der Favorit." Wie bei der Platzierung des Thalanx-Pakets zu sehen war. |