Gemeinsam gegen Pusher und Betrüger Das Bundeskriminalamt, die Staatsanwaltschaft Lübeck und die US-Börsenaufsicht SEC gehen endlich gemeinsam gegen Pusher vor. Sie verdächtigen eine internationale Bande, mit Freiverkehrs-Aktien Kursmanipulation betrieben zu haben. Wehe, wenn die Blase platzt - das Nachsehen haben dann meist die geprellten Privatanleger Das BKA teilte am Donnerstag mit, zum Kreis der Verdächtigen gehörten auch vier Deutsche. Gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft Lübeck habe man in Norddeutschland über 20 Geschäftsräume und Privatwohnungen wegen des Verdachts auf gewerbsmäßigen Betrug und Kursmanipulation durchsucht. Dabei sei umfangreiches Beweismaterial sichergestellt worden.
Die Beschuldigten stehen den Angaben zufolge im Verdacht, wertlose Firmen an den ungeregelten Markt der Deutschen Börse gebracht und deren Aktienkurse betrügerisch in die Höhe getrieben zu haben.
Handelsaussetzung in den USA veranlasst Nach Recherchen von boerse.ARD.de gibt es Hinweise, dass es sich bei den betroffenen Unternehmen um bekannte Pusher-Kandidaten handeln könnte. Denn im Verlauf der Durchsuchungsmaßnahmen hatte die US-amerikanische Börsenaufsicht SEC am Mittwoch eine Handelsaussetzung am OTC Bulletin Board veranlasst.
Just am Mittwoch wurden dort einige Titel nicht gehandelt – darunter auch Aktien, die im Freiverkehr der Frankfurter Börse gelistet sind und bei denen Marktteilnehmer in deutschen Foren Gerüchte über den bevorstehenden Zukauf eines großen Investors oder einen Short-Squeeze gestreut und extrem für den Kauf dieser Aktien geworben hatten. Nur ein Zufall?
Wie gehen die Betrüger vor? Bei der Staatsanwaltschaft in Lübeck ist jedenfalls nicht zu erfahren, um welche Unternehmen oder gar Personen es sich bei den aktuellen Ermittlungen genau handelt. Es hieß lediglich, die involvierten Unternehmen kämen vorwiegend aus der Trend- und Modebranche sowie dem Rohstoff- und Telekommunikationssektor.
Das von der Staatsanwaltschaft beschriebene Vorgehen der Betrüger ist im Open Market nicht unüblich. Dabei werden wertlose, häufig in den USA, Kanada oder der Schweiz gegründete Firmen, im wenig regulierten Freiverkehr (Entry Standard oder Open Market) der Deutschen Börse gelistet. Anschließen werden die Kurse durch zielgerichtete Pressemitteilungen, Börsenbriefe und wechselseitigen Aktienhandel in die Höhe getrieben.
Das geht so lange, bis die Altaktionäre genügend Gewinn gescheffelt haben und ihre Anteile auf den Markt werfen, der Aktienkurs des betroffenen Unternehmens bricht dann binnen weniger Stunden oder Tage drastisch ein.
Wer den Schaden hat ... Das lohnende Geschäft mit der Gutgläubigkeit der Anleger hat nach Recherchen von boerse.ARD.de in der Vergangenheit unter anderen der Deutsche Investment Report (DIR) betrieben. Dabei gab es auch Hinweise, dass die Macher des DIR die empfohlenen Aktien über ein undurchschaubares Netzwerk von Strohmännern selbst an die Börse bringen.
Gutgläubige Anleger, die der Pusher-Fraktion in den Anlegerforen oder Börsenbriefen auf den Leim gegangen sind, haben in jedem Falle das Nachsehen und müssen zusätzlich zum materiellen Verlust oftmals auch den Spott ihrer Mitmenschen ertragen.
Kaum Transparenz im Freiverkehr Denn tatsächlich ist es kein Geheimnis, dass sich im Freien Markt auch schwarze Schafe tummeln und Anleger kaum Möglichkeiten haben, diese zu erkennen. Denn das Transparenzniveau ist bereits im Entry Standard erschreckend niedrig: Hier gelten weder Prospekt- noch Ad-hoc-Pflicht. Damit steht den Anlegern nur eine sehr schmale Haftungs- und Informationsbasis zur Verfügung.
Immerhin wird aber im Entry Standard die Vorlage eines Zwischenberichts und eines testierten Konzern-Jahresabschlusses sowie die unverzügliche Information der Aktionäre über kursrelevante Tatsachen verlangt. Das garantiert den Aktionären zumindest ein Mindestmaß an Informationen über diejenige Firma, der sie ihr Geld anvertraut haben. Dieser lästigen Pflichten sind Firmen, die im Open Market gelistet sind, gänzlich enthoben.
Nur mal schnell einen Antrag ausgefüllt? Hinzu kommt, dass die Deutsche Börse ausländischen Firmen ein Listing im Freiverkehr besonders leicht macht. Auf Anfrage von boerse.ARD.de erläuterte Börsensprecherin Leticia Adam vor kurzem, dass dafür keine Mindeststandards im Sinne einer "materiellen Prüfung" erfüllt sein müssen, sondern nur "formale Mindestanforderungen": "Das ist im Wesentlichen ein Antrag, der ausgefüllt sein muss."
Potenzielle Betrüger kann so ein bisschen Schreibkram aber gewiss nicht abschrecken.
ag Quelle boerse.ARD.de |