Gescheiterte Yahoo-Übernahme
Microsoft sucht neue Ziele Diesen Artikel: Kommentieren Drucken Weiterempfehlen
© Paul Sakuma/AP Für Microsoft-Boss Ballmer kann es nur einen Weg geben: nach vorne Die milliardenschwere Übernahme des Internetkonzerns Yahoo durch den Softwareriesen Microsoft ist gescheitert. Der wütende Microsoft-Chef Steve Ballmer wird nun woanders einkaufen gehen. Seiner prall gefüllten Kriegskasse werden viele kleinere Web-2.0-Firmen nicht widerstehen können.
Am Ende ging alles ganz schnell: Drei Monate lang geschah im Mega-Übernahmekampf zwischen Microsoft und Yahoo außer Säbelrasseln wenig. Dann legte der Softwareriese am Samstag mal eben fünf Milliarden Dollar mehr auf den Tisch. Als sich Yahoo immer noch zierte, stand der als Sturkopf bekannte Microsoft-Chef Steve Ballmer auf, ging und ließ den für fast 50 Milliarden Dollar geplanten Deal platzen. Viele Experten sprechen von einem Sieg der Vernunft und erwarten nun rasch andere, kleinere Zukäufe Microsofts. Lachender Dritter sei zunächst in jedem Fall der Erzrivale Google - und Yahoo der drohende große Verlierer. Yahoo im Wandel der Zeiten
Ballmer ließ noch am Wochenende keinen Zweifel daran, dass er nun im Kampf gegen den bei Suchanzeigen dominanten Google-Konzern nach neuen Übernahmezielen Ausschau halten werde. Mit etwas anderem als dem Spitzenplatz bei Suche, Werbung und Netzwerken im Internet gibt sich ein Gigant wie Microsoft nicht zufrieden: "Unser klares Ziel ist es, auf jedem dieser Felder führend zu sein", kündigte der 52-Jährige in einer internen E-Mail an die Mitarbeiter an. Ein paar Milliarden Dollar mehr hätte er sich mit der prallen Microsoft-Kriegskasse leicht leisten können. Aber der Widerstand von Großaktionären und auch aus dem eigenen Haus war am Ende wohl zu groß geworden.
Schub von außen nötig Ballmer weiß aber auch, dass die Web-Aktivitäten des Windows- Konzerns dringend einen Schub von außen benötigen. Der Onlinedienst MSN hinkt weit hinter Angeboten wie Yahoo hinterher. Die Microsoft- Suche "Live Search" kann nicht mit Google mithalten. Und auch die im "adCenter" vereinten Bemühungen um den Online-Werbemarkt können Google samt DoubleClick nicht wirklich in Verlegenheit bringen. Hier liegt Microsoft abgeschlagen auf Platz drei noch hinter Yahoo.
Den größten Schaden sehen Experten aber bei Yahoo, dessen Chef und Gründer Jerry Yang (39) die Microsoft-Milliarden als zu wenig ablehnte. Das emotionale Festhalten an seinem "Baby" Yahoo könnte den rationalen Blick aufs Geld etwas getrübt haben. Am Ende hätten Yahoo-Aktionäre 70 Prozent Aufschlag auf den Kurs vor dem Microsoft- Werben bekommen. Dem werden manche vielleicht noch nachweinen - oder auch gegen Yang auf die Barrikaden gehen, meinen Analysten. Yang habe "ganz schön Geld auf dem Tisch liegen lassen", hieb Ballmer in einem Brief an den Konkurrenten denn auch gleich in die Kerbe. Yahoo bleiben jetzt nur die während des Tauziehens parallel verhandelten Bündnisse etwa mit Ballmers Erzfeind, Google-Chef Eric Schmidt (53).
Für Microsoft werden sich als Alternative zum widerspenstigen Übernahmeziel Yahoo nun etliche Web-Firmen ins Rampenlicht drängen. Beim Mediengiganten Time-Warner in New York wittern die Manager jetzt eine neue Chance, die ungeliebte Online-Tochter AOL als Braut für Microsoft herauszuputzen. Allerdings ist ein Gutteil der jüngsten AOL-Erfolge der Zusammenarbeit mit Google geschuldet. Der Rivale hält zudem fünf Prozent an AOL. Das macht ein Geschäft mit Microsoft nicht einfacher. Auch Yahoo verhandelte zuletzt mit AOL über eine Allianz.
Im Visier von Ballmer Auf dem Feld der boomenden Online-Netzwerke hat Microsoft bereits bei Facebook mit einem kleinen Anteil und Kooperationen einen Fuß in der Tür. Daneben dürften vor allem kleinere Web-2.0-Firmen ins Visier von Ballmer gelangen. Ein junger Star der Web-Community wie der Mikro-Bloggingdienst Twitter ist nach Schätzungen schon für 150 Millionen Dollar zu haben. In ähnlichen Dimensionen bewegen sich populäre Web-2.0-Angebote wie Digg, FriendFeed, Meebo oder Ning. Mehr zum Thema Yahoo-Übernahme: Microsoft lässt Yahoo ziehenYahoo-Übernahme: Brief von Steve Ballmer an Jerry YangKleinere Häuser dürften auch leichter in Microsofts Firmenkultur zu integrieren sein als große Player. Bei Yahoo kam erschwerend hinzu, dass das kalifornische Unternehmen quasi alle Aktivitäten auf dem technischen Fundament einer quell-offenen Software ("Open Source") aufgesetzt hatte, während Microsoft fast ausschließlich Technologien aus dem eigenen Hause verwendet. Entsprechend groß war der Widerstand innerhalb von Microsoft. Und der Blog "Mini- Microsoft", in dem ein anonymer Microsoft-Mitarbeiter oft hochrangige Interna ausplaudert, jubilierte: "Zwar hat Vernunft das verrückte Angebot nicht verhindert, aber dafür jetzt wenigstens seine Umsetzung."
Doch zu sicher dürfen sich die Gegner des Geschäfts bei Microsoft und Yahoo nicht fühlen. Sollte am Montag der Yahoo-Kurs wie erwartet an der Börse in den Keller rauschen, könnte eine Revolte der enttäuschten Aktionäre die Yahoo-Spitze zu einem Kurswechsel zwingen und das Unternehmen doch noch in Ballmers Arme treiben. Vielleicht nicht ohne Hintergedanken schrieb er im "Abschiedsbrief" an Yang bittersüß: "Vielen Dank noch einmal für die Zeit, die wir mit der Diskussion über die Sache verbracht haben." Christoph Dernbach und Roland Freund/DPA |