Ich habe soeben meinen ersten Brief an eine Redaktion geschickt und meinen Protest gegen den heutigen Artikel geäußert:
Sehr geehrter Herr Balzli,
zum ersten Mal wende ich mich an die Chefredaktion einer Wirtschaftszeitung. Mit Erstaunen lese ich den heutigen Artikel, in dem wieder Zweifel zum DAX-Unternehmen Wirecard geschürt werden sollen. Mir ist nicht klar, ob dieser Artikel von Ihnen autorisiert worden ist oder ob Ihre Redakteure da freie Hand haben. Grundsätzlich stellt sich für mich die Frage, was dieser fast 1:1 von der Financial Times vor einem Jahr veröffentlichte Artikel mit fast identischen Vorwürfen einen Tag vor der Presseverlautbarung von Wirecard bezwecken soll.
Kurz zur Ihnen wahrscheinlich gut bekannten Historie: Die Financial Times hat vor einem Jahr mit den gleichen Vorwürfen einen Kurssturz bei Wirecard hervorgerufen. Im Laufe des Jahres folgten mehrere weitere Artikel, die dazu führten, dass Wirecard KPMG beauftragte, diesen Vorwürfen, insbesondere der Bilanzmanipulation nachzugehen. Die Ergebnisse von KPMG kommen entweder morgen oder in den kommenden Wochen. Nach derzeitigen Andeutungen von Herrn Eichelmann und Herrn Braun scheint nichts dran zu sein. Hier werden wir bald mehr erfahren.
Für mich nicht nachvollziehbar sind aber die Artikel in Ihren online-Ausgaben Anfang der Woche zur Lizenz und jetzt zu den internen Dokumenten – ich sage mal so salopp „ollen Kamellen“ - so kurz vor der Veröffentlichung. Entweder versucht hier Ihre Zeitschrift oder jemand von Ihrer Zeitschrift – ich erwähne besonders Frau Bergermann -, das Spiel der Shortseller mitzuspielen, um bewusst den Kurs zu drücken oder hier interpretiert jemand den Begriff des Investigativjournalismus mit „Copy and Paste“ sehr eigenartig. Unter Qualitätsjournalismus verstehe ich etwas Anderes. Hier wird sorgfältig recherchiert, von allen Seiten betrachtet, abgewogen und dann veröffentlicht. Zumindest verstehe ich darunter auch Fairness. Ich warte dann ab, was die Ergebnisse eines neutralen Dritten bringen und kann es dann kommentieren. Im Vorfeld aber ein Unternehmen durch zweifelhafte Äußerungen abzuqualifizieren, entspricht kaum dem Pressekodex, zu dem Sie sich angeblich auch bekennen.
Da für mich der Eindruck besteht, dass es bewusste Inszenierungen sind, habe ich mein Protestschreiben in ähnlicher Form sowohl an den Presserat als auch an die BAFIN weitergeleitet. Die Bafin soll insbesondere klären, ob mit ihren Artikeln nicht Kurse bewusst manipuliert werden sollen. Es gilt u.a. zu klären, ob nicht etwa persönliche Interessen materieller oder ideeller Art der Redakteure hinter dieser Artikelserie stecken.
Ich erwarte von Ihnen keine Antwort. Ich habe auf jeden Fall in den letzten Monaten gelernt zu verstehen, was der in der Öffentlichkeit vorgeworfene Begriff der „Lügenpresse“ beinhaltet. Früher war ich mal Abonnent Ihrer Zeitschrift, bin jetzt aber froh, es nicht mehr zu sein. Auch werde ich mit Sicherheit Ihre Artikel im Internet nicht anklicken und damit für Sie Erlöse erzeugen.
Mit freundlichen Grüßen |