gefunden auf Börse Online
LG Mic
Dunkle Zeiten für Solaraktien [11:15, 15.07.09]
Von Willi Weber
Katerstimmung in der Sonnenindustrie: Überkapazitäten und Preisverfall wie bei Q-Cells belasten die gesamte Solarbranche. Nur Planungsfirmen könnten profitieren.
Die Möglichkeiten der Solartechnik scheinen grenzenlos. Das zumindest suggerieren die Meldungen der vergangenen Wochen: Erst präsentierte der Schweizer Wissenschaftler Bertrand Piccard ein mit Solarstrom betriebenes Flugzeug, mit dem er 2010 die Welt umrunden will. Und zuletzt sorgte das von einem deutschen Konsortium initiierte 400-Mrd.-Euro-Projekt Desertec für Aufsehen. Der Plan: In der Sahara sollen riesige Solarkraftwerke entstehen, die europäische Haushalte mit Strom versorgen können.
Die Börsianer lassen die Meldungen jedoch kalt. Keine euphorischen Analystenkommentare, kein Höhenflug von Solaraktien. Stattdessen tiefste Katerstimmung. Der Branchenindex Photovoltaik Global 30, der die weltweit 30 größten Aktiengesellschaften aus dem Solarenergiesektor umfasst, büßte in den vergangenen sechs Wochen knapp 19 Prozent ein. Seit September 2008 hat er damit fast zwei Drittel an Wert verloren. Solarflugzeuge oder Wüstenstrom - das sind für die meisten Anleger ferne Zukunftsvisionen ohne aktuelle Relevanz.
Und die Gegenwart ist auch weniger sonnig: Berichte über Umsatzwarnungen, Gewinneinbrüche und Margendruck setzen dem Sektor zur. Erst am Dienstag schockte der deutsche Solarzellenhersteller Q-Cells mit desaströsen Quartalszahlen. Ein zentrales Problem liegt darin, dass Anbieter wie Q-Cells in den vergangenen Jahren massiv in den Ausbau ihrer Fertigung investiert haben. Das führt jetzt in der Wirtschaftskrise zu beträchtlichen Überkapazitäten. Der Branchendienst Electronics.ca geht davon aus, dass die durchschnittliche Auslastung der weltweiten Produktionsanlagen in diesem Jahr auf 54 Prozent einbricht, 2008 lag sie bei 83 Prozent. Werte von mehr als 80 Prozent erwarten die Experten frühestens in vier Jahren wieder.
Als Folge der Überkapazitäten befindet sich die Branche gegenwärtig in einem knallharten Preiswettbewerb. "Wer dem nicht standhält, verschwindet vom Markt oder wird übernommen", sagt Karsten von Blumenthal, Analyst bei SES Research. Große Anbieter aus China wie Suntech Powers hätten hierbei Wettbewerbsvorteile gegenüber der Konkurrenz aus dem Westen, da sie aufgrund von Skaleneffekten - sinkende Stückkosten bei höherer Produktion - und niedrigeren Löhnen zu geringeren Kosten produzieren können.
Hinzu kommt, dass insbesondere europäische und amerikanische Fotovoltaikfirmen unter der schwierigen Situation am Kreditmarkt leiden. Fremdkapital ist rar mit der Folge, dass es zunehmend zu Finanzierungsengpässen oder zu Streichungen von Großprojekten kommt. Außerdem wurden in Schlüsselmärkten wie Deutschland die Einspeisevergütungen reduziert oder wie in Spanien das Förderbudget zusammengestrichen. SES-Experte von Blumenthal rechnet daher mit keiner schnellen Erholung des Sektors. Er rät insbesondere von Aktieninvestitionen in kleinere Produzenten ab.
Auf der Gewinnerseite sieht er dagegen Branchen-schwergewichte wie Solarworld. Sie würden von Größeneffekten profitieren und gestärkt aus der sich abzeichnenden Marktkonsolidierung hervorgehen. Ein weiterer Solar-Riese, der im Analystenkonsens überdurchschnittlich gut abschneidet, ist First Solar. Die US-Firma gilt als einer der Preisführer bei der Herstellung von Solarmodulen. Anfang des Jahres berichtete der Konzern, die Produktionskosten erstmals unter 1 $ pro Watt gesenkt zu haben. Um der Konkurrenz aus China Paroli bieten zu können, sollen in den nächsten fünf Jahren die Kosten um ein weiteres Drittel reduziert werden.
Als interessant erachtet von Blumenthal zudem Aktien von Unternehmen, die am Ende der Wertschöpfungskette angesiedelt sind. Sie profitieren vom Einbruch der Preise für Polysilizium, dem wichtigsten Rohstoff bei der Herstellung kristalliner Solarzellen. Dieser Solarzellen-Typ ist der Standard und kommt bei fast allen Fotovoltaikmodulen zum Einsatz. Kostete 2008 das Kilo Polysilizium noch 500 $, rutschte der Preis zuletzt bis auf 60 $ ab. Wegen des Preisverfalls könnte Solarstrom auch ohne Subventionen wettbewerbsfähig werden - was für steigende Nachfrage spricht.
Dieser Punkt, so Blumenthal, biete Konzernen gute Chancen, die Anlagen installieren oder projektieren. Dazu zählten etwa Phoenix Solar oder SAG Solarstrom. |
Angehängte Grafik:
grafik.jpg (verkleinert auf 84%)

