Die Wohnungsmieten in Deutschland steigen, die Aktienkurse der Immobilienanbieter auch. Einige Gesellschaften könnten bald über das nötige Kapital verfügen, schwächere Konkurrenten zu übernehmen. Eine längst überfällige Marktbereinigung könnte bevorstehen.
DÜSSELDORF. Der deutsche Markt für Wohnimmobilien hat bisher viele euphorisch gestartete ausländische Fianzinvestoren enttäuscht. Die Mieten stiegen weit weniger rasant als erwartet. Die Idee, den Deutschen ihre Mietwohnungen zu verkaufen, zog nicht. Eine Marktbereinigung ist seit langem fällig. In diesem Jahr könnte sich vieles bewegen, wenn die börsennotierten Wohnimmobiliengesellschaften Kraft aus ihren steigenden Aktienkursen schöpfen. Vor ihnen liegt ein Markt, auf dem die Mieten steigen und damit auch die Gebäudewerte.
Die Kurse der Wohnimmobilienaktien nähern sich den Nettovermögenswerten je Aktie, dem Vermögen minus Schulden (siehe Grafiken). Das begünstigt Börsengänge und Kapitalerhöhungen, denn die Unternehmen müssen ihre Aktien nicht mehr weit unter Wert anbieten. TAG Immobilien ist diesen Weg vor wenigen Tagen gegangen, die Deutsche Wohnen bereits vor einem Jahr. "Mit dem neu eingesammelten Geld können die Unternehmen Konkurrenten erwerben", sagt Analyst Kai Klose von der Berenberg Bank. Er erwartet, dass die Konsolidierung jetzt in Gang kommt.
GSW und Colonia als Übernahmeziele
Die Deutsche Wohnen, die Nummer zwei unter den börsennotierten Wohnungsgesellschaften, buhlt um die ebenfalls in Berlin ansässige GSW. Die Hamburger TAG hat ein Übernahmeangebot an die Aktionäre des drittgrößten börsengehandelten Vermieters, Colonia Real Estate, vorgelegt und kalkulierte dafür bisher 135 Millionen Euro ein. Allerdings wird TAG wohl noch etwas drauflegen müssen: Colonia zeigt sich durchaus offen, hat das erste Angebot jedoch als zu niedrig zurückgewiesen.
Der größte private Wohnungsvermieter, die Deutsche Annington mit 220000 eigenen und für andere verwalteten Einheiten im Portfolio, schaut noch zu. Kenner der Annington spekulieren allerdings, dass sie bei sich bietender Gelegenheit auf Kapital zurückgreifen kann, das ursprünglich für den Kauf der LEG NRW verwendet werden sollte. Annington-Geschäftsführer Wijnand Donkers hat in jüngster Zeit kaum etwas gekauft.
Ob der Markt aber wirklich einen Konsolidierungsschub durch den Kauf der GSW erhält, ist offen. Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Wohnen, Michael Zahn, brachte sein Unternehmen gleich als möglichen Käufer in Stellung, als der Börsengang der GSW im Mai vergangenen Jahres scheiterte. Die Deutsche Wohnen würde durch ein Zusammengehen mit der GSW den Bestand an Wohnungen auf rund 100000 verdoppeln und den Abstand zum Konkurrenten Gagfah mit gut 159000 Einheiten verringern. GSW und Deutsche Wohnen prüfen ständig weitere Wohnungsportfolios, die ihre Verwalter besser auslasten. Wird etwa ein Portfolio um zehn Prozent aufgestockt, wächst die Mannschaft, die es betreut, weniger stark. Durch Zukäufe lassen sich demnach die Kosten pro verwalteter Wohnung reduzieren.
Ende November bekräftigte Zahn sein Interesse noch einmal, wohl wissend, dass es für die GSW-Eigentümer nach sechs Jahren Zeit ist, Kasse zu machen. Doch die Besitzer, der Finanzinvestor Cerberus und die Goldman-Sachs-Fondstochter Whitehall, pokern noch.
"Unser Ziel ist ein zweiter Versuch, an die Börse zu gehen", sagt GSW-Chef Thomas Zinnöcker. Wann - das lässt er offen. Von offiziellen Verhandlungen zwischen den GSW-Eignern und Zahn war bisher nicht die Rede. "Wachstum steht auf unserer Agenda ganz weit oben", sagt Zahn lediglich. Sein Vorteil: Er kann größere Portfolios kaufen, während der GSW vor dem Börsengang das Kapital dazu fehlt. In Berliner Immobilienkreisen heißt es allerdings, erste Sondierungsgespräche hätten ergeben, dass die Preisvorstellungen viel zu weit auseinanderlägen, um ernsthaft zu verhandeln. Im Mai hatten Cerberus und Whitehall einen Emissionserlös von knapp 500 Millionen Euro für ihre Anteile angepeilt, was einem Börsenwert von knapp 800 Millionen Euro entsprochen hätte.
TAG Immobilien expandiert aggressiv
Kleiner, aber aggressiver strebt die vom ehemaligen Kapitalmarktanalysten Rolf Elgeti geführte TAG Wachstum an. Das Angebot an die Aktionäre der Colonia Real Estate macht deren Chef Stephan Rind, einst selbst Firmenjäger, zum Gejagten. 2007 stieg die Colonia Real Estate mit 3,6 Prozent bei der Deutschen Wohnen ein und kündigte vielsagend an, mit dem Management über Synergiepotenziale im operativen Geschäft sprechen zu wollen. Nun findet Rind das TAG-Angebot "interessant". Widerstand klingt anders.
Colonia Real Estate wäre nicht der erste große Expansionsschritt von Elgeti. Im August übernahm er Francono West und Francono Advisory mit zusammen 1850 Wohnungen. Im Gegenzug wurde Verkäufer Franconofurt mit 14 Prozent an der TAG beteiligt. Doch dieses Paket wurde nun "an einen langfristig orientierten Investoren" umplatziert, deren Namen die TAG nicht nennen will. Über weitere Wohnungskäufe wird verhandelt, über das Volumen aber geschwiegen.
Immobilienanalyst Kai Klose lobt die Expansionsstrategien von Deutscher Wohnen und TAG. Der große Konkurrent Gagfah muss dagegen zuschauen beim Übernahmespiel. Gagfah-Aktionär Fortress träumt nicht mehr vom Wachstum, sondern lässt verkaufen - seit September 2009 mehr als 10000 Wohnungen. Zudem werden 125 Millionen Euro zum Rückkauf eigener Aktien lockergemacht, um Spielraum für höhere Dividenden je Aktie zu schaffen. Dabei schimpfen Mieterverbände schon lange über mangelnde Instandhaltung, nachdem Fortress sich bis zum zweiten Quartal 2010 mit außerordentlich hohen Dividenden bei der Gagfah bediente.
Die wichtigsten Spieler und ihre Geschichte
Noch vor einem Jahrzehnt liegen Deutschlands Mietwohnungen in den Händen staatlicher und halbstaatlicher Vermieter sowie Genossenschaften. Als erster großer privater Investor steigt 2001 der britische Finanzinvestor Terra Firma ein. Nach und nach folgen andere. 2007 bricht der Wohnimmobilieninvestmentmarkt ein. Die wichtigsten Spieler heute:
Colonia Real Estate
1999 spaltet sich der im 19. Jahrhundert gegründete Hausgerätehersteller Küppersbusch auf. Aus dem börsennotierten AG-Mantel samt Immobilien wird die Colonia Real Estate. Sie kauft sich bis 2007 ein Portfolio von 19000 Wohnungen zusammen.
Deutsche Annington
Die Briten beginnen 2001 mit einem Paukenschlag in Deutschland: Sie kaufen 65000 Eisenbahner-Wohnungen. 2005 kauft die von Investor Guy Hands gesteuerte Gesellschaft dem Energieriesen Eon dessen Immobilientochter Viterra mit 138 000 Wohnungen für rund sieben Milliarden Euro ab.
Deutsche Wohnen
Die Deutsche Wohnen hat zwei Keimzellen. Die eine liegt in der Deutschen Bank. Die Großbank brachte die Deutsche Wohnen 1999 an die Börse. Die andere Keimzelle, Gehag, ist eine in den 1920er-Jahren in Berlin gegründete Wohnungsgesellschaft, an der 2005 der US-Finanzinvestor Oaktree 85 Prozent übernimmt. 2007 werden die beiden Unternehmen zusammengelegt.
Gagfah
Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte verkauft die Gagfah mit ihren 82000 Wohnungen 2004 für 2,1 Milliarden Euro an den US-Finanzinvestor Fortress. Im März 2006 übernimmt der US-Finanzinvestor für eine knappe Milliarde Euro die Woba Dresden und macht die sächsische Metropole schuldenfrei. Im Herbst geht die Gagfah mit damals 170000 Wohnungen an die Börse.
GSW
2004 kaufen Fonds des Vermögensverwalters Whitehall, einer Tochter von Goldman Sachs, und Finanzinvestor Cerberus für 405 Millionen Euro die GSW, eine Wohnungsgesellschaft des Landes Berlin.
TAG Immobilien
Ursprünglich eine Eisenbahngesellschaft, gibt die TAG 1999 den Fahrbetrieb auf und verwaltet ihre Immobilien. 2001 steigt sie bei der Wohnungsgesellschaft Bau zu Hamburg-Verein ein. Im Herbst 2009 übernimmt der Ex- Kapitalmarktanalyst Rolf Elgeti das Steuer und baut die TAG zur Wohnungsgesellschaft um.
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