New York (BoerseGo.de) - Der heutige Verlauf an der Wall Street erinnerte an eines dieser allsommerlichen Massenspektakel, vergleichbar mit einem der großen Rockkonzerte. Das Geschehen spielte sich jedenfalls auf gleich drei Bühnen ab (mindestens)
Bühne 1: Politik stoppt schon wieder die Banken-Panik
Die Hauptbühne gehörte natürlich wieder einmal den Bank-Titeln. Dort herrschte anfangs wieder die Panik. Besonders der Dow-Titel Bank of America stand unter Druck und setzte seinen freien Fall der Vortage fort. Aktuelle Nachrichten gab es dafür nicht zwar. Bekanntlich hat der Finanzkonzern aber Verdauungsschwierigkeiten mit der übernommenen angeschlagenen Investmentbank Merrill Lynch. Daher ging die Angst um, dass das wackelnde Kredithaus für ein „Apfel und Ei“ verstaatlicht wird. Die Leerverkäufer nutzen die Ängste wieder aus und drücken den Aktienkurs in Richtung 3- Dollar-Marke. Das war schon bei den Lehman Brothers die magische Grenze unter der es kein Halten mehr gab.
Gerettet wurden das Bankpapier - und damit die restlichen Fianzwerte und der Gesamtmarkt (zumindest für heute) - wieder durch positive Signale aus Washington.
Signal 1: Die Meldungen verdichteten sich, dass die Regierung kurz vor der Präsentation eines überarbeiteten Bankrettungspakets steht, an Stelle des vor kurzem eingefrorenen Bad Bank-Plans. Die Agenturen berichteten dann, dass Finanzminister Timothy Geithner bereits kommenden Montag ein überarbeitetes Konzept vorlegt. Die Rede ist von einem Volumen bei 700 Milliarden Dollar.
Signal 2: Viel entscheidender war vermutlich das Gerücht, dass die US-Börsenaufsichtsbehörde SEC die Bilanzierungsvorschriften für die Banken ändern will, nämlich die Mark-to-Market-Bewertung in den Bilanzen der Unternehmen abschaffen möchte. Mark-to-Market wird von zahlreichen Experten als die Wurzel des Übels der Kreditkrise betrachtet, da zahlreiche, nicht mehr handelbare Vermögenswerte (etwa Derivate auf Forderungen) mit Null bewertet werden müssen, weil sie nicht mehr handelbar sind. Sie besitzen jedoch weiterhin einen Wert und würden mit einem höheren Preis bewertet, würde der Handel wieder funktionieren. Würde sich die Hoffnung realisieren, könnte man sich auf eine Rallye gefasst machen, die sich gewaschen hat, weil die Banken - wegen den auf Null abgeschriebenen aber dennoch werthaltigen Forderungen - inzwischen auf gigantischen „stillen“ Reserven sitzen.
Öl auf die Wogen goss außerdem die Reuters-Meldung, „moderate“ Politiker im Senat (Republikaner?) stimmen einem Stimulierungspaket zu, das weitgehend den Vorstellungen von Obama entspricht.
Bühne 2: Der Einzelhandel feiert
Auf einer Nebenbühne, aber nicht ohne Nachhall, feierten die Einzelhändler. Das Gros der Shopbetreiber meldete Januar-Umsätze, die häufig deutlich besser als erwartet ausfielen. Die Tatsache, dass es Wal-Mart und einigen anderen Marktbetreibern sogar gelang, Wachstum zu erzielen, dämpfte wiederum die Angst, dass die Wirtschaft in ein tiefes Loch gefallen ist aus dem sie kaum noch herauskommt.
Bühne 3: Die Unternehmen machen auf Fitness
Weniger Beachtung, aber genauso wichtig, war das Geschehen, das sich auf der dritten Bühne vollzog. Diese Plattform gehörte den Konjunkturnachrichten. Die heutigen Konjunkturmeldungen zeigen, welch radikale Kur die US-Wirtschaft durchläuft. Kurzfristig sind sie schlecht, langfristig aber nicht unbedingt.
Die - wie jeden Donnerstag gemeldeten - wöchentlichen Arbeitslosenmeldungen schraubten sich auf 626.000 hoch (Vorwoche: 591.000 , Konsenserwartung: 580.000). Die höchste Zahl seit der Rezession von 1982. Die Zahl der kontinuierlich gemeldeten Empfänger von Arbeitslosengeld stieg um 20.000 auf 4,788 Millionen (Vorwoche: 4,61 Millionen). Damit wurde der bisherige Rekord vom November 1982 (4,713 Millionen) übertroffen, die höchste Zahl seit diese Größe ermittelt wird (1967).
Die (positive) Kehrseite dieser Medaille ist aber, dass die Unternehmen durch ihre drastischen Einsparungen schlanker, effizienter und damit produktiver werden. Viele Unternehmen werden daher gestärkt aus der Krise hervorgehen.
Das deutete sich bereits im vergangenen Quartal an. Die Produktivität der US-Wirtschaft stieg im vierten Quartal um annualisiert 3,2 Prozent. (Konsens: Zuwachs von 1,5 Prozent). Das führte wiederum dazu, dass die Lohnstückkosten, ein wichtiger Inflationsfaktor nur noch um 1,8 Prozent zulegte (Konsens: plus 2,9 Prozent.
Fazit: Der Dow Jones Industrial Average gewann 1,34 Prozent auf 8.063 Punkte, der - für den breiten US-Aktienmarkt repräsentative - S&P 500 stieg 1,64 Prozent auf 845 Punkte und der technologielastige Nasdaq Composite Index kletterte 2,06 Prozent auf 1.546 Punkte.
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