Das Heizungsgesetz ist nur ein Vorbote dramatischer Einschnitte Das Gebäudeenergiegesetz ist in sich schlüssig – und bleibt trotz der Kompromisse, auf die sich die Koalition nun verständigt hat, eine Zumutung. Kommentar von Klaus Stratmann 14.06.2023 - 04:00 Uhr
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Das Energiekonzept der Bundesregierung aus dem Jahr 2010 schreibt erstmals offiziell das Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestandes fest. In den dreizehn Jahren seit Veröffentlichung des Konzeptes ist sehr wenig passiert. Zwar war an gut gemeinten Förderprogrammen in den vergangenen Jahren kein Mangel. Aber die Sanierungsraten von jährlich weniger als einem Prozent ließen auch schon vor zehn Jahren den Schluss zu, dass es ohne eine Kurskorrektur mehr als ein Jahrhundert dauern würde, ehe Deutschland einen klimaneutralen Gebäudebestand aufweisen würde. Diese Zeit haben wir nicht mehr.
Alle wussten deshalb schon lange, dass es so nicht weitergehen konnte. Irgendjemand würde früher oder später zu drastischen Maßnahmen greifen müssen, wenn aus Zielen Realität werden sollte. Diese undankbare Aufgabe fiel nun Robert Habeck zu. Das Gebäudeenergiegesetz (GEG), das er gemeinsam mit seiner Kabinettskollegin Klara Geywitz präsentierte, trägt die Handschrift des Grünen-Ministers und seiner Leute.
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Das Gesetz ist in sich völlig logisch und schlüssig. Und es ist zugleich eine Zumutung. An diesen Widerspruch wird man sich gewöhnen müssen. Klimaschutz trifft nun jede einzelne Bürgerin, jeden einzelnen Bürger. Dass Industrie und Energiewirtschaft sich unter den Vorgaben des Klimaschutzes in den vergangenen Jahren einmal komplett neu erfinden mussten, scheint vielen Menschen nicht aufgefallen zu sein. Es schlug sich ja auch im Wesentlichen nur in den höchsten Strompreisen Europas nieder, die man aber murrend hinnahm.
Klimaschutz ist kein Wohlfühlthema mehr
Jetzt merken wir, dass es um eine ganz andere Dimension der Veränderung geht. Dass sich das Wohnen, die Mobilität und der Konsum für jeden dramatisch verändern werden. Und dass Klimaschutz reichlich Geld kostet, das für Bildung oder Forschung, Verteidigung oder soziale Sicherheit fehlen wird. Klimaschutz ist kein Wohlfühlthema mehr mit garantierter Rendite. Es reicht nicht mehr aus, ein Tempolimit zu begrüßen oder sich auf dem Urlaubsflug für die vegane Mahlzeit zu entscheiden.
Es war klar, dass man dem GEG-Entwurf die Ecken und Kanten nehmen musste. Es ist aber nicht bis zur Unkenntlichkeit verändert worden. Es wird auch in der Form, auf die sich die Ampel-Koalitionäre jetzt verständigten, vielen Hauseigentümern eine Menge abverlangen.
Das Gesetz ist nichts weiter als die logische Konsequenz aus der kontinuierlichen Verschärfung der Klimaschutzziele unter einer unionsgeführten Bundesregierung mit SPD-Beteiligung. Es geht hier um Klimaziele, die quer durch alle Sektoren an die Grenzen des technisch Machbaren und des volkswirtschaftlich Verkraftbaren stoßen. Um Klimaziele, die kaum ein anderes Land der Welt mit dieser Konsequenz verfolgt. Um das Zieljahr 2045 für die Klimaneutralität, mit dem Deutschland ein weltweiter Solitär geworden ist. Wie entrückt wirkt da die Kritik der Klimaschutz-Organisationen, die meinen, es dürfe ruhig immer noch ein bisschen mehr sein.
Es scheint zu gelingen, dem GEG auf den letzten Meter noch etwas Praxistauglichkeit einzuhauchen, die der sehr diversen Realität des Gebäudebestandes Rechnung trägt. Alles in allem ist das Gesetz aber nicht mehr und nicht weniger als ein Vorbote bevorstehender Veränderungsprozesse, die alle Bereiche des Lebens berühren werden. Zugleich ist es mit seiner Detailverliebtheit – die vom Kabinett beschlossene Vorlage umfasst mit allen Anlagen 183 Seiten – ein Beleg dafür, dass sich die Politik nicht wirklich auf die Lenkungswirkung eines CO2-Preises verlassen will, sondern dem Mikro-Management wesentlich mehr Gewicht geben will. Das sind schlechte Aussichten. |