Darin ist der Mensch der Maschine haushoch überlegenvon Jochen Steffens Na, die Anleger sind sich aber einig. Ging es am Dienstag im Nasdaq100 noch knapp 2,5 % abwärts, so dachten sich die Investoren am Mittwoch, fallende Kurse seien ein Fehler gewesen und prompt stieg der Nasdaq100 um knapp 3 %. Nein, das macht ja auch durchaus Sinn, finde Sie nicht? Offenbar weiß keiner so recht, wo der Markt eigentlich hin will. Ich weiß es auch nicht. Ich weiß aber, wo der Markt hin sollte.... Morgen redet Ben Bernanke. Wahrscheinlich wird er weiterhin auf „verbale“ Zinssenkungen setzen. Diese haben einen unglaublichen Vorteil gegenüber „realen“ Zinssenkungen: Sie heizen die Inflation nicht so dramatisch an. Ich hatte es schon einmal hier ausgeführt: „Verbale“ Zinssenkungen dienen in erster Linie der Beruhigung der Märkte. „Reale“ Zinssenkungen sind lediglich notwendig, wenn größere Katastrophen eintreten, die da wären: Rezession, Kriege, Terroranschläge, Hurrikane, Naturkatastrophen, Epidemien, Kreditmarktkrisen und was sonst noch so alles ein Land in erhebliche wirtschaftliche Not bringen kann. Wird also Ben Bernanke morgen Andeutungen in Richtung weiterer Zinssenkungen machen? Es steht zu befürchten. Besonders nachdem heute Nacht wieder ein Hedge-Fond geplatzt ist, dieses Mal ein australischer. Sicher ist das aber nicht. Die Börse ist nicht in ein Schema zu pressenJa, die Hedge-Fonds! Sie sind auch nicht der Weisheit letzter Schluss, davor warnen viele Analysten schon seit Jahren. Leider verstehen selbst diese Fondmanager, aber auch die Banken und viele andere Marktteilnehmer konsequent nicht, dass die Börse ein dynamischer Prozess ist. In diesem Prozess wird alles assimiliert, was funktioniert. Mit anderen Worten, alles was irgendwann einmal gut funktioniert und große Gewinne generiert wird zu einem undefinierbar späteren Zeitpunkt noch wesentlich größere Verluste verursachen. Haushoch überlegenDas ist der Grund, warum ich gegen starre Gewinnstrategien und Handelssysteme bin. Sie funktionieren eine Weile, um dann irgendwann große Verluste zu generieren. Ich glaube nach wie vor, dass lediglich der Mensch in der Lage ist, sich immer wieder an der Börse neu zu erfinden. Es ist gerade eine bestimmte Eigenschaft des Menschen, die ihn so lange auf diesem Planeten hat überleben lassen, die ihn geradezu prädestiniert, an den Börsen erfolgreich zu sein: Seine absolute Anpassungsfähigkeit! Und darin ist der Mensch jeder Maschine immer noch haushoch überlegen. Das Problem ist nur, dass die meisten Menschen alles tun, um diese Fähigkeit zur Anpassung in der Schule, im Studium oder in der Ausbildung und im Leben zu unterdrücken. Dort lernen sie starre, empirisch belegbare und immer wieder beweisbare Gesetzmäßigkeiten und niemand sagt ihnen, dass das Universum und das Leben hinter diesen Gesetzen eigentlich „Chaos“ ist. Mit diesem starren Denken gelangen sie an die Börse und denken, auch hier solche immer wiederkehrenden Gesetzmäßigkeiten zu finden und gehen mit geradezu wissenschaftlichem Eifer daran, die Börse in Formeln zu pressen. Was gestern funktionierte, funktioniert auch morgen. Ein fataler und meist ruinöser Irrtum. Nur wer sich immer wieder neu erfindet...Aus diesem Grund überleben nur so wenige Trader dauerhaft an den Börsen (weniger als 5 %). Denn nur wer es schafft, zutiefst flexibel auf die Börse und deren Chaos zu reagieren, nur wer nicht versucht, alles in ein starres wissenschaftliches System zu entfremden, wird erfolgreich sein. Nur wer den Mut hat, jeden Morgen aufzustehen und zu sagen: Börse, heute werde mich an dir wieder vollkommen neu erfinden, wird zu den Gewinnern gehören. Wenn Sie verstehen, dass Börse immer anders, immer neu, niemals statisch, immer in Bewegung ist und dabei trotzdem paradoxerweise letzten Endes doch immer wiederkehrenden alten Prinzipien treu bleibt, werden Sie die Börse beherrschen lernen. Doch auch dann wird es immer wieder Phasen geben, wo sie Ihnen entgleitet. Phasen, in denen Sie das Gefühl haben, als hätte alles bisher gelernte, einschließlich der Anpassungsfähigkeit, keinen Sinn. Phasen, in denen Sie den Kursen nur noch kopfschüttelnd hinterherschauen. Gerade die aktuelle Situation ist natürlich herrlich dafür geeignet, sich so zu fühlen. Spannend wird übrigens morgen auch der Chicagoer Einkaufsmanager-Index – ob sich hieraus erste Hinweise für die ISM-Indizes ergeben? Auf jeden Fall wird der Freitag ein vergleichsweise entscheidender Tag für die Indizes werden. Bis dahin werde ich mich noch ein wenig dem Chaos hingeben. Viele Grüße Ihr Jochen Steffens |