INTERVIEW-"Das war klarer Selbstmord"- Augenzeuge
- von Thomas Krumenacker -
Berlin, 05. Jun (Reuters) - Ein fachkundiger Augenzeuge des tödlichen Fallschirm-Absprungs des früheren FDP-Vize und Wirtschaftsministers Jürgen Möllemann geht von einem "klaren Selbstmord" des ehemaligen FDP-Spitzenpolitikers aus. Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln nach eigenen Angaben sowohl in Richtung eines Unfalls wie auch eines Freitodes.
Möllemann sei am Mittag gemeinsam mit neun weiteren Fallschirmspringern auf dem Flugplatz Marl-Loemühle in ein Kleinflugzeug des Typs "Pilatus Porter" gestiegen. "Wie alle anderen hat er der Vorschrift entsprechend alle Sicherheitssysteme am Fallschirm eingeschaltet", berichtete der Augenzeuge unmittelbar nach dem tödlichen Sprung am Donnerstag in einem Interview der Nachrichtenagentur Reuters. In cirka 4000 Meter Höhe sei Möllemann gemeinsam mit der Gruppe aus der Maschine gesprungen.
"SIE FLOGEN GANZ GEMÜTLICH"
"Alles lief reibungslos, wir beobachteten, wie sich die Schirme öffneten. Als Springer zählt man automatisch durch. Alle Schirme haben sich einwandfrei geöffnet. Möllemann war gut an den großen Initialen J.W.M. auf seinem blau-gelben Hauptschirm zu erkennen", berichtete der Zeuge weiter. "Die Gruppe steuerte problemlos das Flugfeld zur Landung an, alles lief wie am Schnürchen, sie segelten ganz gemütlich."
In etwa 600 Meter Höhe habe sich dann der Schirm vom Körper Möllemanns gelöst. "Er muss ihn abgetrennt haben. In dieser Flugphase kann nichts anderes passieren. Es gibt keine andere Möglichkeit", sagte der Zeuge, der selbst ein erfahrener Fallschirmspringer ist. Der Notschirm sei nicht ausgelöst worden und ein automatisches Rettungssystem, das sich selbst bei Bewusstlosigkeit des Springers aktiviere, habe den Rettungsschirm nicht gezündet, berichtete der Zeuge weiter. "Das Rettungssystem war aber vor dem Abflug eingeschaltet worden. Er muss es ausgeschaltet haben." Möllemann sei dann ohne jegliche Bremsung zur Erde gestürzt und in einem Kornfeld unmittelbar neben der Landestelle aufgeprallt. "Fassungslos liefen die anderen zu der Stelle. Es war furchtbar, das tut man auch anderen Flugkameraden nicht an. Bei aller Verzweiflung und Mitleid macht sich auch ein Gefühl ohnmächtiger Wut in einem breit", sagte der Zeuge.
ker/tin
Quelle: REUTERS |