Auf die Pipeline achten" Die Medigene-Aktie hat seit Anfang 2005 die Hälfte ihres Wertes verloren. Jüngst sorgte die Verschiebung einer Medikamentenzulassung für Unmut. Im Interview erklärt Medigene-Chef Peter Heinrich, warum er die Strategie seines Unternehmens für richtig hält.
boerse.ARD.de: Die Performance ihres Unternehmens hat den Anlegern in den letzten eineinhalb Jahren keine besondere Freude gemacht. Der Aktienkurs entwickelte sich sogar deutlich schlechter als der von anderen im TecDax notierten Biotech-Unternehmen, beispielsweise von GPC Biotech oder Morphosys. Woran liegt das?
Heinrich: Der jüngste Kursrückgang ist damit begründet, dass es bei der Zulassung unseres zweiten Medikamentes eine leichte Verzögerung gab. Das hatte etwas Verwirrung ausgelöst. Die Anleger konnten das nicht so leicht einschätzen. Die Verzögerung von drei Monaten ist in unseren Augen nicht so dramatisch, sie war aber verantwortlich für den Abfall des Börsenkurses.
boerse.ARD.de: Die Verzögerung der Zulassung von Polyphenon durch die Gesundheitsbehörde in den USA hat aber die Anleger enorm verunsichert und den Aktienkurs sehr unter Druck gesetzt. Ihre Firma erwartet jetzt einen Verlust in diesem Jahr, da sich die Meilensteinzahlung des Vertriebspartners Bradley Pharmaceuticals auf nächstes Jahr verschiebt. Ist Medigene vom amerikanischen Markt so stark abhängig?
Heinrich: Der amerikanische Pharmamarkt ist der größte der Welt, d.h. er ist sehr mächtig. Durch die Verzögerung ist die Meilensteinzahlung von Bradley ins nächste Jahr verschoben worden, was ökonomisch für das Unternehmen keinen Unterschied macht, aber es macht natürlich für das Jahresergebnis einen Unterschied. Die Verschiebung durch die FDA hat eine Gewinnwarnung nach sich gezogen, und diese Kombination hat den Kursverfall ausgelöst.
boerse.ARD.de: Die FDA wird also die Zulassung weiter prüfen. Ist denn sicher, dass das Medikament dann auch tatsächlich zugelassen wird?
Heinrich: Wir gehen davon aus, dass die Zulassung mit einer kleinen Verzögerung kommt und wir das Medikament im nächsten Jahr in den USA einführen können. Und gleichzeitig werden wir noch in diesem Jahr den Zulassungsantrag für das gleiche Medikament in Europa einreichen.
boerse.ARD.de: Wie lang wird der Zulassungsprozess in Europa dauern?
Heinrich: Das wird ungefähr ein Jahr dauern. Wenn wir die Antrag dieses Jahr einreichen, erwarten wir Ende nächsten Jahres die Zulassung und die Markteinführung Ende 2007 oder Anfang 2008.
boerse.ARD.de: Wie viele Patienten erwarten sie potentiell für Polyphenon, oder anders ausgedrückt: wieviele Menschen leiden vor allem in Europa und den USA, den beiden wichtigsten Märkten für Ihr Unternehmen, an Genitalwarzen?
Heinrich: Diese Krankheit wird durch humane Papillom-Viren verursacht, sie ist die am schnellsten wachsende Geschlechtskrankheit weltweit. Sie ist nicht nur in den USA und Europa verbreitet, die Durchseuchung ist auch in Südamerika sehr stark. Die Krankheit betrifft vor allem Mernschen zwischen 16 und 35 Jahren. Mehrere Millionen Menschen sind infiziert und damit potentielle Patienten.
boerse.ARD.de: Werden Sie das Medikament dann auch in Asien und Südamerika vertreiben?
Heinrich: Ja, wir haben die weltweiten Rechte, so dass wir auch für Länder außerhalb der USA und Europa entsprechende Betriebspartner suchen. Im Moment fokussieren wir uns allerdings auf die Märkte USA und Europa.
boerse.ARD.de: Wann erwarten Sie, dass die schon im klinischen Testphasen befindlichen anderen Medikamente, beispielsweise EndoTAG, auf den Markt kommen? Immerhin sehen Sie für EndoTAG einen möglichen Umsatz von mindestens 200 Millionen.
Heinrich: EndoTAG ist ein ganz wichtiges Medikament, das zur Zeit aus unserer Sicht zu wenig Beachtung findet. EndoTAG ist eine Medikamentenentwicklung für die Zukunft, das wir zur Zeit in der klinischen Phase 2 gegen Bauchspeicheldrüsenkrebs testen, eine schreckliche Krankheit, gegen die es bislang noch keine Behandlungsform gibt. Mit dem gleichen Medikament beginnen wir in diesem Jahr noch eine Studie mit Brustkrebspatientinnen, die gegen herkömmliche Therapien resistent sind, immerhin 50 Prozent aller Brustkrebspatientinnen.
boerse.ARD.de: Wann beginnt der Zulassungsprozess bei EndoTAG?
Heinrich: Das hängt von der Qualität der Daten ab. Wie Sie wissen, unterscheiden wir drei verschiedene Phasen bei der klinischen Entwicklung. Wir rechnen noch mit fünf Jahren, bis diese Medikamente im Zulassungszustand sind. Für uns ist es sehr wichtig, dass wir mit den zwei Medikamenten Eligard und Polyphenon zwei Medikamente haben, mit denen wir von hinten die Pipeline füllen können. Das wird momentan etwas unterschätzt, weil im Moment der Blick nur auf den Umsätzen ruht und das Potential, das in der Pipeline steckt, eher vernachlässigt wird.
boerse.ARD.de: Wieso sollen Anleger der Medigene-Aktie die Treue halten?
Heinrich: Ich glaube, dass unsere Aktie im Moment eps-getrieben ist (Gewinn pro Aktie, Anmk. d. Red.). Ich halte es für eine wichtige Aufgabe, die Aufmerksamkeit der Anleger auf die Pipeline zu richten, die sich ja durchaus sehen lassen kann. Einige Produkte haben eine hohe Wahrscheinlichkeit, auf den Markt zu kommen. Unser Geschäftsmodell ist diversifiziert, weil wir Produkte auf dem Markt haben oder kurz davor stehen, sie auf den Markt zu bringen. Die Produkte sind über Patente bis zu 15 Jahre lang geschützt, diese Einnahmequelle ist also relativ sicher.
boerse.ARD.de: Besten Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Karsten Leckebusch
Gruß Moya |