Handelsblatt.com - Unternehmen / Erfolgreicher Mittelstand / Nachrichten Ölpreis heizt Markt für Sonnenwärme an Freitag 2. Juni 2006, 11:38 Uhr
Weil die Energiepreise steigen, heizen und kühlen Hausbesitzer immer häufiger mit Solarstrom. Im Durchschnitt amortisieren sich die Anlagen nach etwa zehn Jahren.
KÖLN. Die Touristen lagen Familie Rödlach früher schwer auf der Tasche. 3500 Liter heißes Wasser lassen die Gäste im Hotel "Karwendel" in Seefeld in Tirol jeden Tag aus Duschen und Wasserhähnen. Früher heizten die Hoteliers jeden Tropfen davon mit Heizöl auf. Bis vor zwei Jahren ein 300 Quadratmeter großer Schwimmteich im Hotelgarten entstehen sollte. "Den Teich mit Strom oder Öl zu beheizen, das wäre viel zu teuer gewesen", sagt Martina Rödlach. Stattdessen schraubte sich die Inhaberfamilie Sonnenkollektoren aufs Dach. Eine 84 Quadratmeter große Solarthermieanlage wärmt heute nicht nur den Teich, sondern an schönen Tagen auch das Hallenbad ANZEIGE und das Duschwasser für das 80-Betten-Haus. Martina Rödlach ist begeistert: "Wir brauchen 60 Prozent weniger Heizöl als früher."
Die Kollektoren hat das Unternehmen Citrinsolar aus dem oberbayerischen Moosburg geliefert. Dort boomt das Geschäft mit Sonnenheizungen: Um fast 50 Prozent legte der Umsatz allein im vergangenen Jahr zu. Vor ein paar Jahren waren solche Wachstumszahlen in der Wärmebranche noch nicht denkbar. Hohe Wachstumsraten verzeichneten dagegen Photovoltaikanlagen, also Solarzellen, die Sonnenlicht direkt in Strom umwandeln.
Der verwandte Markt für Solarmodule, die Trinkwasser erwärmen oder Wohnungen beheizen, legte bis 2004 nur schleppend zu. Doch nun ist die Solarwärme im Kommen. Im vergangenen Jahr wuchs der Markt für Sonnenkollektoren und die passenden Wärmespeicher bundesweit um 25 Prozent. In den ersten drei Monaten dieses Jahres planten fast 40 000 Eigenheimbesitzer eine Solaranlage, mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr.
Angst vor hohen Öl- und Gaspreisen
Das liegt nicht an einem plötzlichen Öko-Hype: Die zumeist mittelständischen Kollektorenhersteller profitieren vielmehr von explodierenden Preisen für Gas und Heizöl. So mancher wolle unabhängiger werden von den klassischen Energielieferanten, sagt Andreas Siegemund, Geschäftsführer des Kollektorherstellers Consolar in Frankfurt: "Viele Kunden sind zu verunsichert, um sich einen neuen Ölkessel hinzustellen. Weil sie nicht wissen, ob sie sich in zehn Jahren noch das Öl leisten können." Wer eine solarthermische Anlage aufs Dach baut, kommt zwar nicht ganz ohne Öl und Gas aus, verbraucht aber zumindest weniger. Nur an trüben Tagen läuft noch der klassische Brenner. Scheint die Sonne, erhitzt sie in den Kollektoren auf dem Hausdach ein Wasser-Frostschutz-Gemisch auf, das sich auf zwei Weisen nutzen lässt: Entweder sorgt die Sonnenwärme nur für heißes Trinkwasser – dann reichen für ein Einfamilienhaus mit vier Bewohnern bereits sechs Quadratmeter Kollektorfläche. Oder die Solaranlage unterstützt den Öl- oder Gaskessel auch beim Beheizen der Zimmer. Dafür braucht die vierköpfige Familie mindestens doppelt so viele Kollektoren.
Früher hätten sich 60 bis 70 Prozent seiner Kunden für die kleinere Variante entschieden, berichtet Hanns Koller aus der Geschäftsleitung des Anlagenherstellers Citrin im oberbayerischen Moosburg. Heute leistet sich die Mehrheit größere Systeme. Wie viel Geld die Solaranlage am Ende spart, hängt vor allem davon ab, wie sich die Energiepreise entwickeln: Steigen sie wie in der vergangenen Dekade um fünf Prozent pro Jahr, amortisieren sich die Kollektoren so nach Schätzungen der Deutschen Energie-Agentur bei einem Einfamilienhaus in zehn bis elf Jahren.
Staatliche Zuschüsse fallen dagegen weniger ins Gewicht, decken sie doch oft nur ein Zehntel der Investitionskosten. Trotzdem sei Förderung wichtig, betonen die Anlagenbauer: "Wenn der Staat Geld gibt, ist das ein Qualitätssiegel für die Technologie", sagt Siegemund von Consolar.
Und ein Grundproblem der Solarwärme können die Zuschüsse nicht wegsubventionieren: Die meiste Energie liefern die Kollektoren an sonnigen Sommertagen – den Heizkörper will man aber vor allem im trüben Winter aufdrehen. Weil die Solaranlage dann allenfalls lauwarmes Wasser bringt, muss zusätzlich ein Feuer her. Es sei denn, es gelingt, die Wärme des Sommers für den Winter einzulagern. Dafür sind dann riesige Warmwasserspeicher nötig: Solar-Musterhäuser werden um über sieben Meter hohe Tanks herumgebaut. "Das können Sie bei bestehenden Häusern nicht machen", erklärt Carsten Kuhlmann, Projektleiter für Solarsysteme vom Heizungsbauer Viessmann. "Auf dem Weg löst man unsere Energieprobleme sicher nicht."
Daher schlagen viele Solarschmieden einen anderen Weg ein: Sie wollen die Energie der heißen Kollektoren nicht mühsam für den Winter speichern – sondern gleich im Sommer nutzen. Nicht zum Heizen, sondern zum Kühlen. Der Schlüssel dazu sind so genannte Absorptionskältemaschinen, die Temperaturunterschiede ausnutzen, um aus Wärme Kälte zu machen. Sie fressen kaum Strom – ganz im Gegensatz zu klassischen Klimaanlagen, die mit elektrisch angetriebenen Kompressoren kühlen. "Absorptionsanlagen lassen sich mit Fernwärme oder der Abwärme von Heizkraftwerken betreiben, aber auch mit solarthermischen Kollektoren", sagt Hans-Martin Henning, Spezialist für Solare Klimatisierung am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg.
Klimaanlage auf dem Dach
Die Absorptionstechnik sei zwar ungefähr doppelt so teuer wie eine konventionellen Klimaanlage, sagt Bernd Hebenstreit, Vertriebsleiter bei EAW Energieanlagenbau in Westenfeld in Thüringen. Dafür spart man nachher Strom. "Bei derzeitigen Strompreisen amortisiert sich die Technik nach etwa acht bis zehn Jahren." Spezialgebiet von EAW sind besonders kleine Absorptionsklimaanlagen, die zum Beispiel eine Arztpraxis oder eine kleine Büroetage kühl halten können. Die dafür nötigen Sonnenkollektoren passen bequem auf das Dach eines Wohnhauses.
Mit solch kleinen Dächern gibt sich Ahmet Lokurlu, Chef des Aachener Unternehmens Solitem, nicht ab. Mit seinen Klimaanlagen kühlt er an der türkischen Ägäisküste einen ganzen Hotelkomplex mit 1000 Betten – allein durch Sonnenkraft. Und im Winter reicht die Energie zum Heizen. Lokurlu fängt Wärme allerdings nicht mit einfachen Solarthermie-Modulen ein, die 80 bis 90 Grad heißes Wasser liefern. Er setzt auf lange Reihen von gebogenen Spiegeln, die die Sonnenstrahlen bündeln – eine Technik, mit der auch solarthermische Kraftwerke Strom erzeugen. In sonnenreichen Gebieten heizen Lokurlus Kollektoren Wasserdampf auf bis zu 200 Grad auf. Damit läuft seine Absorptionskältemaschine auf Hochtouren. Seit 1993 tüftelt der Ingenieur an dem System. Die Erfindung hat ihm vergangenes Jahr den "Energy Globe Award" eingebracht – und der Solarthermie-Industrie in Deutschland vielleicht den nächsten Exportschlager. "Das weltweite Potential ist riesig", sagt Lokurlu. "Kürzlich waren sogar Interessenten aus Neuseeland bei uns." |