Handelsblatt Nr. 123 vom 29.06.06 Seite 12, 29.06.2006
INSIDE: MORPHOSYS Der Phantasie-Faktor
SIEGFRIED HOFMANN FRANKFURT
Anfang des Jahrzehnts, auf dem Höhepunkt des Booms, waren "Technologie-Plattformen" noch der große Renner im Biotech-Geschäft. Doch für die meisten Vertreter der Branche verflüchtigte sich der Traum vom großen Geschäft mit neuer Technik noch schneller als die Liquidität aus den Börsengängen. Um ihre Investoren halbwegs bei Laune zu halten, mussten sie schnell umsteuern von Technologie auf konkrete Produkte. Häufig ersetzten sie damit nur alte Schwächen durch neue.
In dieser wenig stabilen Biotech-Welt gehört Morphosys zu den wenigen Akteuren, die ihr Geschäftsmodell weitgehend durchgehalten haben - und nun die Früchte ihrer Ausdauer ernten können. Als Spezialist für monoklonale Antikörper ist das Münchner Biotech-Unternehmen heute besser im Geschäft denn je.
Der Erfolg ist eng mit dem Produkt verknüpft: Antikörper sind komplizierte Eiweißmoleküle, die normalerweise vom Immunsystem gebildet werden und sich dadurch auszeichnen, dass sie besonders genau an andere Proteine binden. Diese Eigenschaft macht sie zu einem wichtigen Werkzeug in der Laboranalytik und beschert ihnen seit einigen Jahren auch eine steile Karriere als therapeutische Wirkstoffe.
Fachleute gehen davon aus, dass sich die Umsätze mit Antikörper-Medikamenten bis Ende des Jahrzehnts auf deutlich mehr als 20 Milliarden Dollar verdoppeln werden. So setzen viele Pharmahersteller in der Produktentwicklung verstärkt auf diese Substanzgruppe. Mehrere Antikörper-Spezialisten, darunter die Morphosys-Konkurrenten Abgenix und CAT, wurden jüngst von den Pharmariesen Amgen und Astra-Zeneca übernommen.
Dafür, dass auch Morphosys interessante Technologie zu bieten hat, spricht vor allem eine stetig wachsende Zahl an Partnerschaften. Zwölf der zwanzig größten Arzneimittelhersteller der Welt sind inzwischen Kunden und zahlen dafür, dass sie die Antikörper-Bibliotheken der Münchner durchstöbern dürfen. Vor wenigen Tagen hat der Schweizer Konzern Novartis eine bereits bestehende Allianz vorzeitig verlängert und erweitert.
Morphosys bringt das zusätzliche Finanzquellen für den Ausbau der Technik. Dank steigender Einnahmen aus solchen Technologie-Partnerschaften dürfte das Unternehmen auch 2006 ein Umsatzwachstum und schwarze Zahlen ausweisen. Zusätzliche Stabilität bringt das erweiterte Geschäft mit Antikörpern für die Laboranalyse.
Mittelfristig könnte ein drittes Standbein aus den Forschungs-Allianzen entstehen: Gehen aus ihnen eines Tages vermarktungsfähige Medikamente hervor, erhält Morphosys Lizenzgebühren von den Partnern. Die Aussicht auf solche Ertragsquellen ist der entscheidende Phantasie-Faktor für die Aktie des Biotechunternehmens. Immerhin haben Partner aus der Pharmabranche inzwischen rund drei Dutzend Wirkstoff-Kandidaten aus der Morphosys-Forschung identifiziert und die ersten davon auch in die klinische Entwicklungsphase gebracht.
Von der Marktreife sind all diese Projekte natürlich noch Jahre entfernt. Und die Ausfall-Risiken bleiben hoch. Aber mit jeder neuen Allianz wächst auch die Zahl der Wetten - und damit Morphosys Chance, künftig noch ein wenig mehr am großen Pharmageschäft zu partizipieren.
s.hofmann@handelsblatt.com
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx Positiv, denn die Fantasie aus Pipeline wird ja aktuell überhaupt nicht bewertet. Allerdings ist die formulierung "dürfte Wachstum und schwarze Zahlen erzielen" doch selbst für Morphosys extrem zurückhaltend, denn es geht um ca. 80 bis 100% Umsatzwachstum...... |