„Wir erleben jetzt hautnah, wie Klimapolitik die Basis unseres Wohlstands bedroht“
Klimaökonom Joachim Weimann rechnet im WELT-Interview mit der Energiewende ab: Er beklagt Opportunismus in Industrie und Wissenschaft, Ignoranz von Politikern – und nennt Profiteure und die Kardinalfehler der Politik.
Die Energiewende sei für den Preis einer Kugel Eis pro Haushalt im Monat zu haben, versprachen die Planer. Doch die Kosten summieren sich nun auf 500 bis 1000 Milliarden Euro und werden sich Experten zufolge noch vervielfachen – dabei verpufft der Klimaschutz-Effekt.
WELT: Herr Weimann, wir sprechen an ihrem letzten Arbeitstag als Professor vor ihrer Emeritierung. Ihre gesamte Karriere seit den 1980er-Jahren haben Sie sich mit Umwelt- und Klimapolitik beschäftigt, schon in den 1990ern ein Standard-Lehrbuch über Umwelt-Ökonomik verfasst und als einer der Ersten vor der deutschen Energiewende gewarnt. Fühlen Sie sich bestätigt?
Joachim Weimann: Leider sind viele meiner Befürchtungen eingetreten. Aber, glauben Sie mir, es macht überhaupt keinen Spaß, recht zu behalten. Im Gegenteil, es war die ganze Zeit frustrierend zu erleben, wie einfachste Zusammenhänge nicht beachtet werden und wie erfolglos es ist, Politiker auf der Grundlage wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnis beraten zu wollen.
WELT: Vor beinahe 20 Jahren fassten Sie Ihre Bedenken in dem Buch „Die Klimapolitik-Katastrophe“ zusammen. Einer ihrer Kritikpunkte lautete: Klimapolitik als nationaler Alleingang wie ihn Deutschland praktiziert funktioniere nicht. Mittlerweile ist klar: Deutschlands Energiewende ist konkurrenzlos teuer, ohne dass wir einen nennenswerten Beitrag zur Reduktion der CO₂-Emissionen leisten. Was ist schiefgegangen?
Weimann: Die Politik hat zwei Kardinalfehler begangen und begeht sie bis heute. Erstens hat man die Kosten der Klimapolitik konsequent ignoriert. Die Bundesregierung weiß bis heute nicht, was ihre Maßnahmen kosten. Zweitens hat man auch die Frage ignoriert, was die Klimapolitik denn eigentlich bringt, wie viel CO₂ tatsächlich eingespart wird. Ein Beispiel: Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz EEG regulieren wir in Deutschland einen Bereich, nämlich den Energiesektor, der durch den Emissionshandel der Europäischen Union bereits reguliert ist. Dort wird die CO₂-Emission mengenmäßig strikt begrenzt. Über die noch erlaubte Menge werden Berechtigungen ausgestellt und jeder der emittiert, braucht eine solche.
WELT: Was folgt daraus?
Weimann: Deshalb verpuffen Alleingänge: Jede Tonne CO₂, die in Deutschland vermieden wird, wird anderswo in Europa emittiert, weil sich ja die Zahl der Berechtigungen nicht verändert. Es zählt deshalb nur Europas Gesamtbilanz und die sinkt weder durch Wind- und Solarenergie in Deutschland noch durch den Kohleausstieg. Ich habe sehr oft versucht, diesen Mechanismus Politikern zu erklären. Ich war dabei nicht erfolgreich. Die Botschaft, dass die Energiewende teuer aber weitgehend wirkungslos ist, wollte niemand hören.
WELT: Deutschlands Energiewende versucht noch immer, was Sie schon zu Beginn kritisierten, nämlich das CO₂ dort einzusparen, wo viel emittiert wird.
Weimann: Auch so ein Kardinalfehler, der trotz Warnung einfach durchgezogen wird. Man müsste eigentlich dort CO₂ sparen, wo es kostengünstig ist. Es ist doch so: Wenn man viel CO₂ einsparen will, und weiß, dass das etwas kostet und wenn man berücksichtigt, dass wir nur begrenzte Mittel zur Verfügung haben, dann muss man zwingend dort einsparen, wo es am wenigsten kostet. Aber in Deutschland wird beispielsweise vorgeschrieben, wie Häuser zu isolieren sind und wie wir heizen sollen. Einfach deshalb, weil beim Heizen viel CO₂ erzeugt wird. Eine Anfrage der Opposition hat allerdings ergeben, dass die Regierung nicht weiß, wie viel CO₂ durch diese Regulierung eingespart wird. Die Frage, was es kostet, hat auch die Opposition nicht gestellt.
WELT: Verbote im Namen der Energiewende sind einer Ihrer Hauptkritikpunkte. Nun hat eine norwegische Studie bestätigt: Das Verbot von Atomkraft hat Deutschland 600 Milliarden Euro gekostet, weil der Verlust an Strom ausgeglichen werden musste mit Erneuerbaren.
Weimann: Das deutsche Energiesystem war mal das beste der Welt: verlässlich, geringe Schwankungen, guter Strompreis. Die Energiewende hat all diese Eigenschaften verschlechtert – ohne dass es eine positive Seite gäbe. Es wurden 600 Milliarden Euro ausgegeben, um genauso viel Strom zu haben wie vorher mit Kernkraft, nur mit weniger verlässlichem, schwankendem und teurerem Strom. Die 600 Milliarden haben also keinen Wohlstand geschaffen, keine neuen Güter oder Dienstleistungen. Dem Klima hat das Geld auch nicht gedient, denn einerseits sind Kernkraftwerke klimaneutral und zweitens werden CO₂-Einsparungen in Deutschland über den Emissionshandel von anderen europäischen Staaten kompensiert.
WELT: Und die Verbote?
Weimann: Die Verbote im Namen der Energiewende übersehen die sogenannten Opportunitätskosten, also die Kosten, die dadurch entstehen, dass man Geld nun mal nicht zweimal ausgeben kann. Die Energiewende schafft weder Wachstum noch Wohlstand und sie reduziert die europäischen Emissionen kaum. Aber das Geld, das wir dafür ausgeben, fehlt bei anderen Dingen wie Bildung, Gesundheit oder Infrastruktur. ...
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