«Jede Fahrt ist eine Ausnahme und birgt ein gewisses Risiko»
Nur noch Regionalverkehr am Gotthard
Seit zwei Wochen ist die Gotthardachse gesperrt. Nur Autos mit Urner und Tessiner Kontrollschildern dürfen noch passieren - ein Bruchteil des sonst üblichen Verkehrs. Die Bewirtschaftung dieses Systems ist personalintensiv, sagt Reto Habermacher, Urner Polizeikommandant.
Gibt es noch ausländische Touristen, welche die Gotthardstrecke wählen?
Reto Habermacher: Ja, die gibt es immer noch in recht erheblichem Ausmass, von Norden und von Süden: Deutsche, Italiener, auch Schweizer, die anfahren bis zum Kontrollposten in Wassen beziehungsweise Amsteg und sich sehr überrascht geben, dass die Gotthardachse gesperrt ist.
Wer darf die Kantonsstrasse passieren?
Fahrzeuge mit Urner und Tessiner Kennzeichen, Militärfahrzeuge, der Bus des öffentlichen Verkehrs und Autos, deren Insassen belegen können, dass sie im Kanton Uri logieren oder logiert haben. Zudem Lastwagen ohne Anhänger für die Versorgung der Region.
Können Sie diese Regelung durchsetzen?
Das ziehen wir pickelhart durch. Jede Fahrt ist eine Ausnahme unter besonderen Umständen, der überdies ein gewisses Risiko anhaftet.
Wie viele Fahrzeuge fahren derzeit durch?
190 Fahrzeuge in beiden Richtungen pro Stunde, also knapp 100 pro Richtung.
Wie viele sind es normalerweise am Gotthard?
Im Sommer bringen wir 1500 Fahrzeuge pro Stunde und Richtung durch.
Ist die Sicherheit gewährleistet?
Wir tun das Menschenmögliche. Im Moment ist es so, dass die Strecke nur halbstundenweise befahren werden kann. In der andern halben Stunde wird sie jeweils geschlossen, damit Steine, die sich allenfalls bei der Arbeit für die zur Sprengung nötigen Plattformen lockern, herunterfallen können. Eine absolute Sicherheit gibt es aber nicht: Uns bleiben nur 20 Sekunden Zeit, wenn grobe Steine herunterkommen.
Wie gross ist das Verständnis für diese Massnahmen?
Zunehmend besser. Es gibt aber einzelne Personen, die absolut kein Verständnis haben. Es gibt Leute, die sich ins Auto setzen und denken, irgendwie komme ich schon durch den Kanton Uri. Die reagieren dann ziemlich überrascht, wenn wir sie zum Wenden zwingen und über die Alpenpässe wegschicken müssen. Eine grosse Entlastung ist die Öffnung des Sustenpasses. Damit haben wir eine Querverbindung Richtung Kanton Bern.
Wie hat das Transportgewerbe reagiert?
Man ist froh, dass man wenigstens die Solofahrten für die Versorgung ausführen kann. Es gibt Transporteure, vor allem aus Nachbarkantonen, die gern eine lockerere Variante sähen. Das ist aber aus Sicherheitsgründen nicht möglich.
Am Gotthard ist es ruhig. Kann die Urner Polizei jetzt auch Ferien machen?
Leider nicht, im Gegenteil: Wir sind am Anschlag mit unseren Kapazitäten: Die Bewirtschaftung des Kontrollsystems rund um die Uhr ist enorm personalintensiv. Wir haben deshalb zusätzlich eine zivile Firma beigezogen, die uns unterstützt. Wir brauchen rund um die Uhr vier ausgebildete Polizisten, die an den Kontrollstellen tätig sind. Und der ordentliche Polizeidienst im Kanton muss auch aufrechterhalten werden.
Urner Polizisten könnten also nicht ihre Kollegen im Tessin oder in Graubünden bei der Bewältigung des dortigen Mehrverkehrs unterstützen?
Keinesfalls. Vielmehr müssen wir abklären, ob wir aus dem Zentralschweizer Polizeikonkordat zusätzliche Kräfte beiziehen können. Wir erwägen, ein Begehren für Hilfseinsätze zu stellen.
Interview: mjm./NZZ