Notenbabnken können zwar zeitweise Zinsen manipulieren, doch die Folgen der so verfälschten Preissignale werden allen auf die Füße fallen:
Dabei wäre in Erinnerung zu rufen, dass der Zins ein Preis für das Aufschieben von Konsum ist. Er motiviert Menschen dazu, heute auf etwas zu verzichten, also zu sparen, um dafür später mehr zu erhalten. Dies erlaubt es anderen, schon heute eine Investition zu tätigen, deren Erträge erst später anfallen. Der österreichische Ökonom Eugen von Böhm-Bawerk sprach einst treffend von einem «Preis für die Zeit». Und weil Menschen heutigen Konsum höher bewerten als Konsum in (unsicherer) Zukunft, muss der Zins eigentlich positiv sein. Das diszipliniert den Kreditnehmer und mahnt ihn, nur in Projekte zu investieren, die sich langfristig rechnen.
Diese marktwirtschaftlichen Prinzipien gelten seit je. Dennoch sind sie in den vergangenen Jahren durch die Tiefzinspolitik immer stärker ausgehebelt worden. Dem Markt ist dadurch ein zentrales Steuerungsinstrument abhandengekommen, mit gefährlichen Folgen: Ermuntert wird eine Verschuldungsmentalität, die – etwa im Euro-Raum oder in Japan – wenig geeignet ist, die Schuldenkrise in den Griff zu bekommen. Weil Geld kaum noch etwas kostet, wird es orientierungslos und sickert zusehends in unproduktive Tiefen; ein Beispiel sind Aktienrückkaufprogramme. Es kommt zu Verschwendung und Übertreibung. Überschuldete Staaten, die sich billig mit neuem Geld eindecken können, schieben Strukturreformen und die Konsolidierung ihrer Finanzen auf die lange Bank. Der zu tiefe «Preis für die Zeit» verleitet dazu, fortlaufend Zeit zu kaufen – überraschend ist das nicht. ...
Die Weltwirtschaft ist aus den Fugen geraten, und dies seit geraumer Zeit. Bereits beginnt man sich daran zu gewöhnen, dass die Anomalie als neue Norm erscheint. |