Der Papst, das ist der weiße Punkt
Der Papstkult nimmt bei der Messe auf dem 300 000 Quadratmeter großen Islinger Feld gigantische Ausmaße an. Dass Benedikt XVI. schon über das Gelände fährt, verraten entfernte „Benedetto“-Sprechchöre. Ein Heer von Bläsern führt die Instrumente zum Mund und es klingt ähnlich wie die Fanfaren, die in Historienfilmen den Einmarsch antiker Herrscher ankündigen. Obwohl weniger kamen als angekündigt, kann immer nur ein kleiner Teil der 230 000 Pilger auf dem Islinger Feld bei Regensburg dem Papst direkt zujubeln. Die anderen versuchen, sich auf den zehn Großbildleinwänden zu orientieren. Eine Spezial-Kamera, die an einem Drahtseil über das Feld schnurrt, zeigt, wie die Menge dem dahin schleichenden Papstauto entgegenwogt – so wie Eisenspäne sich an einem bewegten Magneten ausrichten.
Schulfrei zum Fähnchenschwenken Der Papst nimmt im Altarraum unter einem kühn aufragenden Zelt Platz. Wer nur einen hinteren Platz erwischt hat, dem erscheint er als kleiner weißer Punkt. Neben dem Spanndach steht ein Kreuz von gewaltiger Größe. Fast einen Kilometer beträgt die Entfernung von den entlegensten Besucherblöcken bis zum Pontifex maximus. 40 Lautsprechertürme tragen seine Worte in die Menschenmenge. Die vorderen Plätze sind der Prominenz und himmlischem Personal vorbehalten: Priester, Klosterschwestern und Scharen von Ministranten in rot-weißen Gewändern feiern mit. Die Zahl der Fähnchen schwenkenden Kinder ist groß, denn in Bayern wurden die Schulferien wegen des Papstbesuchs um einen Tag verlängert.
Vor allem vorne wird es laut „Jesus Christ, you are my life“, sangen die Messdiener aus dem oberpfälzischen Pullenreuth schon vor der Ankunft Benedikts. Eine Betreuerin begleitet auf der Gitarre. Wer dachte, jugendliche Messdiener gehörten einer aussterbenden Spezies an, wird im ländlichen Bayern eines besseren belehrt. Es gibt einen Benedikt-Boom und außerdem dürfen mittlerweile auch Mädchen den Dienst am Altar verrichten. Die engagiertesten „Benedetto“-Rufe kommen denn auch aus den vielen Kinderkehlen in den ersten Reihen, während auf den hinteren Plätzen eher aufmerksame Gelassenheit dominiert. Die Entfernungen sind zu groß, als dass der Papst alle Gläubigen, wie etwa gestern in Altötting, in seinen Bann schlagen könnte.
Einst ruhiges Regensburg
Er wolle beschämt „Vergelt´s Gott“ sagen für den großen Aufwand, der betrieben werde, rief der Papst den Gläubigen entgegen. „Ihr habt es für euch getan, nicht für mich.“ Der Papst weiß offenbar, dass die Bilder vom Arbeiter im Weinberg des Herrn oder vom Lasttier Gottes, die er für sein Pontifikat gebraucht, nicht zur Gigantomanie solcher Ereignisse passen. Wer den Kult um Papst Benedikt erlebt, verliert aus den Augen, dass ihn mit Regensburg vor allem eine Zeit des abgeschiedenen theoretischen Arbeitens verbindet. Das „rechte universitäre Fluidum“ habe er hier vorgefunden für seine Studien als Dogmatik-Professor, schreibt Ratzinger über die Jahre von 1969 bis 1977. Die Atmosphäre an der Universität Tübingen, die der gesellschaftliche Aufbruch in den 60er-Jahren stärker erfasste, war ihm davor zu unruhig geworden.
Allzu heftige Kritik muss das Kirchenoberhaupt auch heute nicht fürchten, wenn es am Abend in der Regensburger Universität mit Wissenschaftlern zusammen trifft. Im Dom findet danach eine ökumenische Vesper statt. Zwischen den einzelnen Etappen zeigt sich Benedikt bei Fahrten im Papamobil den Regensburgern.
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