Ich habe mir am Wochenende noch ein paar Gedanken zu VARTA gemacht.
Ich bin sehr gespannt, wie sich das Working Capital und die Restrukturierungskosten für VARTA im Quartal bis Ende Juni entwickeln. Ich denke die zwei Bereiche werden die Hauptstellschrauben sein, ob VARTA in die Insolvenz rutscht oder nicht. In jedem Fall könnte es knapp werden und ich erwarte eigentlich eine weitere Gewinnwarnung. Auch wegen der weiter verlängerten Kurzarbeit in Nördlingen. Einen so starken Mittelabfluss wie im ersten Quartal erwarte ich aber nicht.
In 2020 und 2021 ist das zweite Quartal bei VARTA, also seit der Konsolidierung von Consumer, das schwächste im Jahresverlauf gewesen. Zudem wurden jeweils die Vorräte aufgestockt, um im vierten Quartal sowohl bei CoinPower, also auch bei Consumer die hohe Nachfrage zu bedienen. Wie man jetzt hier in einer Zeit vorgeht, in der das Geld knapp ist und man noch restrukturieren muss, wird interessant werden. CoinPower ist dabei ohnehin (erstmal) vom Tisch. Bei Consumer könnte man aber genötigt sein, aufgrund das knappen Geldes, weniger Vorräte anzulegen, was dann aber wieder zulasten der Guidance fallen würde.
Die Restrukturierungskosten sind die andere große Unbekannte, im ersten Quartal waren es 5,6 Mio EUR. Da sie da erst angelaufen ist, kann ich mir gut vorstellen, dass die Kosten hier weiter steigen. Der neue Vorstand bringt vielleicht (eher hoffentlich...) mehr Klarheit rein. Das sind aber sicherlich Kosten die sich kaum vermeiden lassen und insofern ein Problem darstellen.
Bei einer ähnlichen Ertrags- und Steuerlage wie im ersten Quartal könnte sich VARTA also mit Restrukturierungskosten und dem Aufbau zusätzlicher Vorräte für das restliche Geschäftsjahr, insbesondere Consumer übernehmen. Falls es hier jedoch spart, stünde uns ein schwächeres zweites Halbjahr ins Haus, da ohne Vorräte die Ziele nicht erreicht werden können. Aus meiner Sicht steckt VARTA also hier kurzfristig in einem Dilemma, zwischen Jahreszielerreichung und Zahlungsfähigkeit (die nach HGB ja nochmal strenger ist als nach IFRS).
Und noch ein paar Gedanken zu Diskussionen um die Energiespeicher und Kursziele:
Was mich bei den Solarspeichern etwas stutzig gemacht hat, ist der phänomenale Anstieg der Marge im ersten Quartal. Skaleneffekte will ich gar nicht kleinreden, aber ein Anstieg von 16 Prozentpunkten in einem rohstoffintensiven Geschäft klingt ein bisschen zu gut, um wahr zu sein. Aber man hat in der Vergangenheit auch die Fördergelder in die Microbattery-Sparte einfließen lassen und so seine Zahlen schöner dargestellt, als sie es eigentlich, operativ, waren.
Kursziele sind immer so eine Sache und hängen extrem stark von Annahmen hinsichtlich Wachstum, Profitabilität und Zeithorizont ab. Ein wichtiger Punkt unabhängig davon ist aber, wenn man bei VARTA auf einen Wert von 1 Mrd EUR kommt, muss man die 550 Mio EUR Nettoverschuldung abziehen, um den Wert des Eigenkapitals, 450 Mio, zu erhalten. Sinkt der Wert des Unternehemens unter 550 Mio, sinkt der Wert des Eigenkapitals unter 0... Bei einer so hohen Verschuldung ist das ein immens wichtiger Punkt und wird gerne mal übersehen. Anders gesagt, bei einer Marktkapitalisierung von aktuell 800 Mio, ist der aktuelle Wert bei 1,35 Mrd.
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