STÖFFEN, ich finde die Argumente von Marc Faber sehr interessant, gut analysiert und womöglich treffend, wie ich bereits schrieb, teile aber seinen Pessimismus nicht ganz - vor allem nicht in Hinblick auf den Dollar. War der Dollar beim Kurs von 1,35 vielleicht noch unterbewertet, wie ja auch der IWF im August (bei Kursen um 1,33) noch feststellte, so ist das jetzt bei knapp 1,50 sicherlich nicht mehr der Fall - zumal die Kaufkraftparität (KKP), wie ja auch Fricke in der FTD schreibt (siehe mein Posting oben), bei 1,14 liegt.
Viele Leute, auch hier im Thread, betrachten den Euro (und Gold, Öl, Rohstoffe) ähnlich wie eine Aktie, die langfristig (zum Dollar) "steigen müsse" (bzw. der Dollar zum Euro fallen). Tatsache ist jedoch, dass Währungen (speziell EUR/USD bzw. früher ECU/USD und DM/USD) in sehr langfristigen Zyklen um eben diese KKP schwanken.
Dabei ist die KKP zugegeben keine Konstante. Aus strukturellen Gründen muss der Dollar (zumindest zur Zeit, da die globalen Ungleichgewichte noch bestehen) sehr langsam zum Euro abwerten - realistisch um 0,5 Cents pro Jahr, d.h. um 5 Cents pro Jahrzehnt. Um diesen Betrag wird sich die KKP nach oben verschieben. Sie wird also im Jahr 2017 bei 1,19 liegen statt jetzt bei 1,14.
Dies lässt sich auch rückwirkend nachweisen. Im Nov. 2000 lag die KKP bei ca. 1,10. Sie ist in den sieben Jahren seitdem um 4 Cents gestiegen. Das entspricht einem Anstieg von 4/7 = 0,57 Cents pro Jahr. QED.
Im Nov. 2000 gab es beim EUR/USD-Kurs von 0,82 eine starke Übertreibung nach unten. Da war der Euro (Einführungskurs: 1,18) um 28 Cents zu billig (1,10 - 0,82, wobei 1,10 die damalige KKP war). Jetzt gibt es eine ähnlich starke Übertreibung nach oben, da der Euro mit 1,49 um 35 Cents zu teuer ist (1,49 - 1,14, wobei 1,14 die jetzige KKP ist). In beiden Fällen wurden Rufe nach Interventionen der EZB laut. Und tatsächlich hat die EZB im Nov. 2000 mehrmals zugunsten des Euros interveniert, was den damaligen Down-Trend beim EURO nachhaltig drehte. Umgekehrt war es 1995, als nur eine globale konzertierte Zentralbanken-Aktien den DOLLAR vor weiteren Verlusten bewahrte und ebenfalls eine langfristige Trendwende einleitete (sie dauerte bis Nov. 2000). Der Dollar notierte 1995 im Tief bei DM/USD = 1,35, was EUR/USD = 1,45 entspricht. Schlägt man den langjährigen KKP-Shift von 0,5 Cents pro Jahr auf, ergibt sich für heute (12 Jahre x 0,5 Cents später) ein äquivalenter EUR/USD-Kurs von 1,51. Ab dem Kurs darf man daher auch jetzt wieder mit EZB-Interventionen rechnen.
Tatsächlich werden bereits Stimmen nach Interventionen laut (siehe mein Posting von Marc Chandler oben), vor allem von Sarkozy aus Frankreich. Er hat kürzlich bei seinem US-Besuch ausdrücklich um Hilfe gegen den starken Euro gebeten. Auch Trichet merkte bereits bei Kursen um 1,40 an, er habe Paulsons Bekenntnis zum starken Dollar "mit großer Aufmerksamkeit zur Kenntnis genommen" und beklagte letzte Woche "brutale Bewegungen". Die Amis tun sich mit Zentralbankeingriffen allerdings nicht leicht. Zum einen wollen sie China zur Yuan-Abwertung bewegen, da wären "eigene Kursmanipulationen" (wie man Zentralbank-Interventionen ja auch bezeichnen könnte), wenig hilfreich, um solcher Forderung Nachdruck zu geben. Zum anderen hilft der schwache Dollar, die US-Defizite zu mindern (schon geschehen dieses Jahr, und dies bereits bei mittleren Kursen um 1,35) und die Bilanzen der US-Konzerne aufzublähen, was in Anbetracht einer drohenden Rezession ebenfalls nicht unerwünscht ist.
Die EZB hat nun jedoch global den Schwarzen Peter zugeschoben bekommen. Während China den Yuan störrisch in einem unrealistisch engen Korridor hält und Japan sogar aggressiv interveniert (wurde jetzt bei USD/JPY von 110 wieder offiziell "angedroht"), ebenso einige osteuropäische Staaten, ließen es die EZB-Hüter bislang bei einem "benign neglect" - aus der falschen Eitelkeit heraus, dass "ihr" damals so geschmähter Euro nun endlich die weltweite Anerkennung erhält, die ihm gebührt.
Nach dem jüngsten Run auf 1,50 änderte sich aber auch dies schlagartig. Airbus hat letzte Woche angedroht, 10.000 Arbeitsplätze in den Dollar-Raum (was auch China sein kann, zumindest jetzt noch) auszulagern, weil beim jetzigen Kurs von 1,50 mit den vielen europäischen Angestellten und Zulieferern nur nach Miese erwirtschaftet werden können. "Das ist lebensbedrohlich", erklärte Airbus-Chef Thomas Enders letzte Woche in einer Brandrede. Mal spannend, wie Sarkozy und Trichet auf die Teil-Abwanderung von "Frankreichs Stolz" reagieren, nur weil sich viele EZB-Bürokraten in falscher Eitelkeit sonnten.
Der bislang ebenfalls "stolze" Bundesfinanzminister Steinbrück rudert bereits zurück, nachdem ihm seine Experten erklärt hatten, dass sich der teure Euro "spürbar nachteilig für Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Beschäftigung in Deutschland" auswirke. Als mögliche Alternative zu einem EZB-Alleingang bei den Interventionen reist Jean-Claude Juncker, der Vorsitzende der Euro-Gruppe, diese Woche nach Peking, um die Chinesen erneut zu einer Aufwertung des Yuan zu bewegen. Auch in Kanada schlägt der starke "Loonie" (zum Dollar seit einiger Zeit unter Parität) auf die Konjunktur, so dass bereits mit Zinssenkungen beim CAD um 0,5 % gerechnet wird. Die Schweiz, von der Subprime-Krise stark getroffen (UBS, Swiss Re), will ebenfalls die Zinsen um 0,5 % senken. Selbst die EZB könnte zu diesem Mittel greifen - als temporäre Hilfe (ähnlich wie nach den September-Attacken). Das ist mit den Grundsätzen der EZB (Gewährleistung von Preisstabilität und Inflationsvermeidung) vereinbar, da in die Inflation auch das wegen des schwachen Dollars teure Öl reinspielt (Ölpreis stieg letztes Jahr prozentual deutlich stärker als der Euro).
Auch muss man den Grund für den starken aktuellen Dollar-Verfall - die Subprime-Krise und ihre Folgen - mal in die richtige Perspektive rücken: Die Subprime-Verluste sind riesig, sie belaufen sich auf schätzungsweise 500 Milliarden Dollar. Doch mindestens ein Drittel davon liegt bei europäischen Banken begraben wie HSBC, UBS, IKB und den unsäglichen deutschen Landesbanken. Und da gilt: Das Finanz-Problem hat nicht der, der diese Schundanleihen rausgab (USA), sondern derjenige, der sie als letzter gekauft hat. So bleiben also "nur" schätzungsweise 350 Milliarden für USA.
Nehmen wir mal an, die würden komplett wertlos. Wie hoch ist der Schaden? Das BIP der USA liegt bei 14 Billionen pro Jahr. 350 Milliarden sind lediglich 2,5 % davon. Wenn es gelingt, die Abschreibungen über zwei Jahre zu strecken, mindert dies das BIP-Zuwachs um jährlich 1,25 %. Geht man von einem mittleren Wachstum von 3 % aus, so fiele das Wachstum in diesen Jahren dann auf 1,75 %. Zweitrundeneffekte wie Konsumzurückhaltung usw. könnten das BIP weiter senken, so dass auch eine US-Rezession (3 Quartale mit Null- oder leichtem Negativ-Wachstum) möglich wäre. Die Chancen dafür liegen laut Greenspan bei 50 %. Doch Rezessionen sind keine Katastrophe, sondern Teil des normalen Wirtschaftszyklus. Keinesfalls sind sie das Ende Amerikas oder des Dollars, wie viele hier im Thread weismachen wollen ("der Chart bestimmt die Wahrnehmung"). Zur Erinnerung: Anlass dieses Threads war die Erwartung fallender US-Kurse infolge der Housing-Krise, die vermutlich eine Rezession auslöst. Es geht hier nicht um unrealistische Doom&Gloom-Phantasien à la Büso oder Goldseiten.
Man kann es auch anders sehen: Ein Verlust von 350 Milliarden ist etwa so, als würden zwei größere DOW-Werte aus dem Dow Jones verschwinden - etwa Microsoft und Intel. Das wäre sicherlich weder das Ende Amerikas noch das Ende des Dollars. Man vergleiche dies nur mal mit der Marktkapitalisierung von Petrochina, der teuersten Firma der Welt, die bereit über 1000 Milliarden liegt! Die Summe aller maximalen US-Subprime-Verluste entspricht daher nur einem Drittel der MK der größten chinesischen AG.
Realistisch scheint mir auch weiterhin, im Gefolge von Subprime-Krise und Credit Crunch mit einer US-Rezession zu rechnen - mit Kursrückgängen in der Größenordnung von 15 bis 50 Prozent (genauer lässt sich dies zurzeit kaum angeben, da viele Unwägbarkeiten bestehen). 10 Prozent sind wir bereits ab ATH runter, der Rest könnte noch folgen.
MALKO, Du widersprichst Dir mMn, wenn Du bei Gold (zu Recht) eine Blase siehst und bei EUR/USD nicht. Beides läuft seit langem parallel. Wenn Gold, wie Du erwartest, deutlich korrigiert, sollte dies auch bei EUR/USD (und Öl) kommen. Aber Du scheinst, zumindest bei Währungen, ein klammheimlicher Chartist zu sein. Als ich beim CHF-Kurs von 1,68 vor sechs Wochen eine Long-Position in Schweizer Franken (gegen Euro) kaufte, kamst ausgerechnet Du mit der KKP und sagtest, der Franken sei immer noch viel zu teuer und hätte an Bedeutung verloren. Das war am 10-Jahreshoch von EUR/CHF. Ich war den Trade (EK hier gepostet) eingegangen, weil ich mit Franken- und Yen-Carrytrade-Rückabwicklungen rechnete. Heute steht der Franken bei 1,63 - was knapp 4 Prozent Gewinn in sechs Wochen entspricht.
Da Du jetzt am von mir vermuteten EUR/USD-Langzeithoch wieder chartistische Trendfolge-Beschwörungen betreibst (obwohl Dir dies bei Gold nicht passiert), sehe ich auch dies gelassen.
Paradoxerweise warst Du es, der im Frühjahr behauptete, das Tief der Subprime-Krise sei im Sommer 2007, und im zweiten Halbjahr, spätestens Anfang 2008, würde es in USA wieder hochgehen. Das entsprach der damaligen - grotesk falschen - Konsensmeinung. Die ist inzwischen auf derb pessimistisch umgeschwenkt und rechnet mit Folgen bis 2009. Ich möchte nicht ausschließen, dass hier wegen der zahllosen Milliarden-Verluste inzwischen zuviel Pessimismus im Spiel ist (was ich in den o.g. Relationen zum US-BIP ja erläutert habe).
Tatsache ist, dass Prognosen schwierig sind, weil sie die Zukunft betreffen (Zitat Malko/Reab), und eine weitere Tatsache ist, dass der Konsens regelmäßig falsch liegt. Erst hatten die Wirtschafts-"Waisen" in Deutschland den Aufschwung nicht gesehen, dann glaubten sie zu lange an seinen Fortbestand, nun wähnen sie einen zu starken Niedergang. Auch beim Dollar.
Da sich Deine Trendvorhersagen nicht wesentlich vom Konsens (und dessen Schwankungen) unterscheiden, geb ich auch auf sie nicht allzu viel. Was nicht heißen soll, dass der Konsens nicht manchmal auch Recht hat. Die Ausnahme bestätigt die Regel ;-)) |