BP schließt Aufspaltung nicht mehr aus Erschienen in Frankfurter Allgemeine Zeitung Seite 14 Erscheinungsdatum 27/07/2011
Nach der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko könnte der Energiekonzern einen Befreiungsschlag versuchen und seine Tankstellen und Raffinerien abspalten. Vorstandschef Bob Dudley nährt Spekulationen.
LONDON - Ein Jahr nach der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko schließt der britische Energiekonzern BP erstmals eine weitreichende Konzernaufspaltung nicht mehr aus. "Es gibt nichts, was uns davon abhielte, auch über radikale Möglichkeiten nachzudenken", sagte BP-Vorstandschef Bob Dudley am Dienstag bei der Veröffentlichung des Halbjahresberichts in London. Auf die Frage, ob für das britische Unternehmen eine Abtrennung seines Raffinerie- und Tankstellengeschäfts von der Öl- und Gasförderung in Frage komme, sagte Dudley: "Wir schließen nichts aus, und wir schließen nichts ein." BP prüfe alle strategischen Optionen, die einen nachhaltigen Wertzuwachs für die Aktionäre versprächen.
Die Äußerungen des BP-Chefs kommen überraschend. Bisher hat Europas zweitgrößter Öl- und Gaskonzern Forderungen nach einer Aufspaltung immer kategorisch zurückgewiesen und argumentiert, Förderung und Vermarktung unter einem Konzerndach zu integrieren bringe Verbundvorteile. Analysten bezweifeln dies schon seit Jahren. Die Investmentbank JP Morgan Cazenove schätzte diesen Monat, dass beide Konzernteile von BP getrennt rund 70 Milliarden Euro mehr wert wären als zusammen. Derzeit wird BP an der Börse mit umgerechnet etwa 102 Milliarden Euro bewertet.
Vor zwei Wochen hat der kleinere amerikanische Konkurrent ConocoPhillips eine Abtrennung seiner Raffinerien und Tankstellen ("Jet") angekündigt. Dieser Schritt hat die Spekulationen neu angeheizt, dass auch andere integrierte Ölriesen wie Exxon-Mobil, Shell und BP sich aufspalten könnten. Das Fördergeschäft ist dank stark gestiegener Ölpreise schon seit Jahren bei den meisten Energiekonzernen hochprofitabel, erfordert aber gewaltige Investitionen. Im margenschwächeren und unter Kostendruck stehenden Raffineriegeschäft gibt es dagegen Überkapazitäten.
Eine mögliche Abtrennung von Tankstellen und Raffinerien würde auch Deutschland betreffen, wo BP rund 2500 Tankstellen betreibt und mit seiner Marke Aral Marktführer ist. Das Unternehmen beschäftigt hierzulande knapp 5200 Mitarbeiter und ist über seine Tochtergesellschaft Ruhr Oel an einer Reihe von Raffinerien beteiligt. Allerdings gibt es keine geschlossene Lieferkette zwischen den Ölquellen und den Zapfsäulen von BP. Die Vertriebssparte kauft ihr Öl vielmehr am Markt ein.
Dudley räumte ein, dass BP nach der amerikanischen Ölkatastrophe von seinen Aktionären unter Druck gesetzt werde. Der Aktienkurs notiert noch immer rund 30 Prozent niedriger als vor der folgenschweren Explosion auf der Bohrplattform "Deepwater Horizon" im April 2010. "Wir sind uns bewusst, dass große Dringlichkeit besteht, und unsere Investoren sind auch ungeduldig", sagte der Amerikaner. Eine von Dudley im Januar angekündigte weitreichende Allianz mit dem russischen Staatskonzern Rosneft ist im Frühjahr am Widerstand anderer Geschäftspartner von BP in Russland gescheitert. Sie hätte dem Unternehmen Zugang zu vermuteten großen Ölvorkommen in der russischen Arktis eröffnet.
Die am Dienstag veröffentlichten Halbjahreszahlen von BP zeigen deutlich die Spuren der Ölpest im Golf: Zwar weist das Unternehmen für das zweite Quartal einen um Wertveränderungen von Lagerbeständen bereinigten Nettogewinn von 5,3 Milliarden Dollar (rund 3,7 Milliarden Euro) aus, während im Vorjahreszeitraum wegen der Ölkatastrophe ein Rekordverlust von 17 Milliarden Dollar aufgelaufen war. Die Quartalsdividende bleibt mit 7 Cent je Aktie unverändert. Analysten hatten aber im Schnitt mit einem Gewinn von 5,9 Milliarden Dollar gerechnet. Der BP-Aktienkurs gab daraufhin im Handelsverlauf in London um 2 Prozent auf 466 Pence nach.
BP profitierte vom höheren Ölpreis, der gegenüber dem Frühjahr 2010 um rund die Hälfte gestiegen ist. Aber zugleich ist die Produktionsmenge im Vorjahresvergleich um 11 Prozent auf 3,43 Millionen Fass Öläquivalente (zu je 159 Liter) geschrumpft. Grund dafür sind Produktionsausfälle im Golf von Mexiko und Beteiligungsverkäufe, zu denen BP gezwungen war, um Geld für die Kosten der Ölpest zu beschaffen. Außerdem kamen ungewöhnlich hohe Ausfälle durch Wartungsarbeiten hinzu, die BP vorgenommen hat, um die Betriebssicherheit zu verbessern.
Der Konzern hat bisher Belastungen von insgesamt 40,7 Milliarden Dollar durch die Ölpest verbucht. Hohe Strafzahlungen könnten allerdings die Kosten weiter nach oben treiben, falls BP und seinen Partnern in der laufenden juristischen Aufarbeitung der Katastrophe grobe Fahrlässigkeit nachgewiesen werden sollte. Das Management hat 2010 den Verkauf von Beteiligungen im Wert von 30 Milliarden Dollar angekündigt. Bisher seien bereits 25 Milliarden Dollar an Veräußerungserlösen verbucht worden, sagte Dudley am Dienstag.
Eine Investmentbank schätzt, dass beide Konzernteile von BP getrennt 70 Milliarden Euro mehr wert wären als zusammen. |