Hauptversammlungen sind nur selten wirklich spannend. Bei Rhön-Klinikum dürfte das Aktionärstreffen am Mittwoch aber wohl einer der wichtigsten Termine in der Unternehmensgeschichte werden. Sollte sich Großaktionär Alecta mit seiner Forderung durchsetzen, ist ein kräftiger Kurssprung fast schon sicher. Wie sind die Chancen? Um das Potenzial der Aktie abzuschätzen, reicht ein Blick in den Rückspiegel. Vor einem Jahr dümpelte der MDAX-Wert bei rund 15 Euro. Völlig überraschend gab Fresenius eine Übernahmeofferte zu 22,50 Euro bekannt. Der Kurs schoss sofort bis auf gut 21 Euro und erreichte in der Spitze 22 Euro, ehe wenige Wochen später der ganze Zauber vorbei war. Erstaunlich damals - merkwürdige Umsätze. Darüber hatten wir zu Zeiten der FTD ausführlich berichtet. Die Spekulation ging für viele aber nicht auf. Denn Fresenius erhielt nur 84,3 Prozent der Anteile und verfehlte somit deutlich die erforderliche Mehrheit von 90 Prozent. Jetzt werden die Karten neu gemischt.
Bereits als die Übernahmeabsichten bekannt wurde, gab es Zweifel, ob der DAX-Konzern die hohe Hürde nehmen könnte. Denn alle wichtigen Hauptversammlungsbeschlüsse müssen bei Rhön mit einer Mehrheit von 90 Prozent des vertretenen Kapitals abgesegnet werden. Firmengründer Eugen Münch wollte mit dieser Regelung seinen Einfluss wahren und sein Unternehmen vor feindlichen Übernahmen schützen. Mit Erfolg, wie sich zeigte.
Am Mittwoch werden die Karten neu gemischt. Der schwedische Pensionsfonds Alecta, mit 9,9 Prozent einer der Großaktionäre bei Rhön, will die Zustimmungsquote zu Fall bringen. Sollten die Schweden Erfolg haben, würde der Kampf über die Übernahme erneut beginnen. Gut möglich, dass die vor einem Jahr von Fresenius gebotenen 22,50 Euro je Aktie dann nur die Untergrenze sind, zu der Rhön den Besitzer wechseln wird. Nicht wenige Investoren erwarten sogar ein Wettbieten zwischen Fresenius und Rhön-Konkurrent Asklepios.
Asklepios als Spielverderber
Klingt zunächst nach einer fast sicheren Wette für die kommenden Tage. Doch die Geschichte hat einen Haken: Für eine Satzungsänderung müssen ebenfalls 90 Prozent des Kapital stimmen. Commerzbank-Analyst Volker Braun sieht daher auch nur geringe Chancen, dass Alecta mit seinem Vorstoß Erfolg hat: "Ich denke, dass Asklepios keine Veranlassung haben wird, dem Vorhaben zuzustimmen", sagte Braun und ergänzte: "Denn die Position von Asklepios würde sich bei einem Fall der Klausel ja nicht verbessern." Der Medizintechnikkonzern B. Braun und Asklepios halte je 5 Prozent der Rhön-Papiere. Zudem erfüllte Asklepios als drittgrößer privater Klinikbetreiber Deutschlands erst vor wenigen Tagen wichtige Auflagen des Bundeskartellamtes, um bei Rhön auf 10,1 Prozent aufstocken zu dürften und faktisch eine Sperrminorität zu erreichen. Fazit: Unter realistischen Bedingungen, dass auf der Hauptversammlung rund 70 Prozent des Kapitals anwesend sind, würden sogar bereits sieben bis acht Prozent der Anteile ausreichen, um die Satzungsänderung zu verhindern.
Gleiches gilt natürlich auch, wenn Asklepios und B. Braun zusammen gegen den Antrag stimmen. Die gemeinsamen Pläne von Fresenius und Rhön, einen bundesweit tätigen Gesundheitskonzern zu schaffen, sind angesichts der fast vorhandenen Sperrminorität von Asklepios eigentlich Geschichte. Was bleibt ist die Hoffnung auf die eingereichte Klage von Fresenius und Rhön gegen das Bundeskartellamt. Ein Funken Hoffnung, mehr nicht. Längerfristig könnte hingegen doch der DAX-Konzern als Sieger hervorgehen. Denn mit einer einfachen Mehrheitsbeteiligung könnte Fresenius erst den Aufsichtsrat und dann den Vorstand beeinflussen und schließlich ein Delisting anstreben.
Börse klar positioniert
Auch an der Börse scheint niemand mit einer Satzungsänderung am Mittwoch zu rechnen. Die Rhön-Aktie hielt sich in den vergangenen zehn Tagen mit einem Gewinn von 2,5 Prozent zwar deutlich besser als der MDAX. Sollte der Markt aber tatsächlich an einen Erfolg von Alecta glauben, wäre die Aktie kaum für unter 20 Euro zu haben.
Ertragskraft als Kurstreiber
Trotzdem gibt es auch fundamental und ganz abgesehen von der HV gute Gründe, bei Rhön investiert zu sein. Konzern-Chef Martin Siebert gab zu Wochenbeginn das Ziel aus, in den kommenden zwei bis drei Jahren eine „Steigerung des Ergebnisses vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) um einen zwei- bis dreistelligen Millionen-Euro-Betrag“ zu erreichen. Zudem sollen in den kommenden fünf Jahren über staatliche Fördergelder und Mittelzufluss rund eine Milliarde Euro in den Bau und die Sanierung von Kliniken und Medizintechnik fließen. Ziel der Maßnahmen: überdurchschnittliches organisches Wachstum. Auch an der Kostenschraube wollen die Franken drehen. Im ersten Quartal lag die EBITDA-Marge bei zehn Prozent, angestrebt werden mittelfristig 14 Prozent. Sicherlich sehr ehrgeizige Pläne, die aber nach der mauen Entwicklung im Vorjahr eindeutig in die richtige Richtung weisen und der Aktie mittel- bis langfristig, auch mit Blick auf eine mögliche Übernahme durch die „Hintertür“, Kursfantasie einhauchen. Zumindest scheint das Risiko auf der Unterseite sehr begrenzt, was auch am Kursbild deutlich wird. Seit 2006 drehte der Kurs bei mehreren Anläufen ab 13,50 bis 14,50 Euro jeweils wieder nach oben. Unter dem Strich eine erstklassige Unterstützung, die sich zur Absicherung anbietet. ----------- Grüne Sterne beruhen auf Gegenseitigkeit! |