Dieter Zetsche - Unternehmer des Jahres (EurAmS) Die Leser von €uro am Sonntag haben gewählt: Dieter Zetsche ist der Unternehmer 2007. Der Daimler-Chef im Interview über Diesel in Amerika, Daimlers Pläne und die Zukunft des Autos
Wer mit Dieter Zetsche einen Termin hat, sollte gut vorbereitet sein. Er ist es auf jeden Fall. Zeitvergeudung ist seine Sache nicht. Dazu gehört, dass der Daimler-Chef eine geradlinige Kommunikation pflegt. Auch bei unbequemen Botschaften redet er nicht drum herum. Das ist manchmal hart. Trotzdem nimmt man es dem Dieter, wie ihn die Werksbelegschaft nennt, nicht übel. Im Gegenteil: Die Mitarbeiter respektieren den Boss als ihresgleichen und würden gar mit ihm nach Feierabend ein Bierchen zischen.
Die Akzeptanz der Basis ist ein Teil dessen, was Zetsche ausmacht. Trotz Glanz und Gloria, die am Posten von Deutschlands Vorzeigeunternehmen, "dem Daimler", hängen, ist der 54- Jährige im Herzen ein schraubender Techniker und Tüftler geblieben. Das hat ihn schließlich 1976 zu Daimler geführt. Schon das Thema seiner Dissertation "Die Anwendung moderner regelungstechnischer Verfahren zur Synthese einer aktiven Federung" zeigt, was Zetsche ist und bleibt: Ingenieur.
Doch der Respekt der Mitarbeiter hätte nicht ausgereicht, um ihn auf den begehrtesten Chefsessel der Republik zu hieven. Nach dem Scheitern der Chrysler-Fusion und zunehmenden Qualitätsverlusten der Kernmarke Mercedes-Benz waren nicht nur technische Probleme zu lösen, sondern neue Ideen und Strategien quer über alle Bereiche gefragt. Ohne Rücksicht auf alte Privilegien.
Das trauten ihm Aufsichtsrat und Aktionäre zu. Und Zetsche war – wie immer – gut vorbereitet. Was folgte: der Vorstandsumzug vom Verwaltungspalast Möhringen ins Motorenwerk Untertürkheim, die Smart-Integration, die Mercedes-Qualitätsoffensive, die Trennung von Chrysler.
Grund genug für die Leser von €uro am Sonntag und dem Magazin €uro Dieter Zetsche, aber auch Peter-Alexander Wacker (Wacker Chemie) und Jürgen Hambrecht (BASF) zu Unternehmern des Jahres zu wählen.
Im Interview spricht Zetsche über Daimlers Aussichten, Diesel in den USA und die Zukunft des Autos.
€uro am Sonntag: Herzlichen Glückwunsch, Herr Zetsche, Sie sind der Unternehmer des Jahres! Dieter Zetsche: Vielen Dank, ich freue mich natürlich über die Auszeichnung und möchte mich an dieser Stelle bei den vielen Tausend Mitarbeitern bedanken, die unser Unternehmen Tag für Tag so erfolgreich machen.
€uro am Sonntag: Das ist auch eine Anerkennung der von Ihnen vollzogenen Trennung von Daimler und Chrysler. Ist sie ein vorläufiges Ende der Expansion? Zetsche: Wir haben die nachhaltige Entscheidung getroffen, dass Daimler mit seiner Marke Mercedes-Benz für Premiumautomobile und mit seinen Nutzfahrzeugen für einen maximalen Mehrwert für unsere Kunden steht. Aber natürlich sehen wir Möglichkeiten – weniger im Pkw-Geschäft, aber ganz sicher auf der Nutzfahrzeugseite –, Wachstum in gewissem Umfang auch über Akquisitionen zu realisieren. Finanziell können wir uns das gut leisten. Auch mit unseren Finanzdienstleistungen haben wir weiter Potenzial.
€uro am Sonntag: Daimler ist noch an Chrysler beteiligt. Für die sieht es momentan eher düster aus. Welche Risiken birgt die Beteiligung? Zetsche: Die Marktbedingungen und der Wettbewerb im Heimatmarkt von Chrysler sind noch einmal erheblich schwieriger geworden. Aber das neue Chrysler-Management hat bisher im Wesentlichen das erreicht, was wir noch gemeinsam im "Recovery and Transformation Plan" beschlossen haben. Wir hoffen natürlich, durch die fortgesetzte Zusammenarbeit mit Chrysler unseren Beitrag leisten zu können. Auch die Verstärkung auf der Managementseite bei Chrysler hilft. Aufgrund der Stärke und Größe von Daimler und der dagegen geringen Größenordnung der Beteiligung an Chrysler sind die Risiken für uns allerdings per se schon sehr limitiert.
€uro am Sonntag: Wachstum ist für die Branche zum Fremdwort geworden. Wie schlimm ist die Lage? Zetsche: Im vergangenen Jahr konnte der automobile Weltmarkt drei Prozent Wachstum verzeichnen, das ist ein sehr ordentlicher Wert. Begrenzte Wachstumschancen in Europa und den USA wurden von der außerordentlichen Wachstumsdynamik beispielsweise in Russland und China begleitet.
€uro am Sonntag: Gilt das auch für Premiumprodukte? Zetsche: Mit Mercedes-Benz konnten wir ausgezeichnet an dieser Dynamik teilhaben: In 2007 haben wir in Russland 65 Prozent mehr Fahrzeuge verkauft als im Vorjahr, in China wuchs Mercedes-Benz mehr als doppelt so schnell wie der Premiummarkt. Außerdem glaube ich daran, dass wir dank der Stärke unserer Marke und unserer hervorragenden und faszinierenden Modelle auch in den eher stagnierenden Märkten Marktanteile für Mercedes hinzugewinnen können.
€uro am Sonntag: Im wichtigsten europäischen Markt Deutschland sah es im vergangenen Jahr zappenduster aus. Wie sind Sie beim Absatz gefahren? Zetsche: In Deutschland konnte Mercedes-Benz den Marktanteil in 2007 auf 10,4 Prozent erhöhen. Und in den USA ist Mercedes-Benz gerade mit über zwei Prozent Absatzsteigerung das 14. Jahr in Folge gewachsen. Überhaupt: 2007 verzeichnete Mercedes-Benz das bislang erfolgreichste Jahr der Unternehmensgeschichte.
€uro am Sonntag: Dennoch wird dem deutschen Markt weiterhin bestenfalls Stagnation prophezeit. Hat das nicht die Konsequenz, dass Arbeitsplätze gefährdet sind? Zetsche: Wie eben beschrieben, sehe ich durchaus gute Chancen für weiteres Wachstum, sodass ich heute von einer relativ ausgeglichenen Beschäftigungssituation ausgehe. Zusätzlich zum Wachstum im Kerngeschäft sehen wir auch Möglichkeiten entlang der Wertschöpfungskette, etwa bei wichtigen Technologien.
€uro am Sonntag: Das Wachstum findet vorrangig in China und Indien statt. Dort sind allerdings eher Billigfahrzeuge geplant. Sind Sie mit Mercedes da richtig positioniert? Zetsche: Wir konnten in China mit Mercedes-Benz im vergangenen Jahr 53 Prozent mehr Fahrzeuge verkaufen als im Jahr 2006. Und in China gibt es inzwischen über 300?000 Dollarmillionäre. Eine interessante Zahl mit Blick auf die Finanzkraft vieler Chinesen – auch wenn man kein Millionär sein muss, um einen Mercedes fahren zu können. Ich bin jedenfalls fest davon überzeugt, dass wir sowohl bei der Rentabilität als auch beim prozentualem Wachstum bessere Chancen haben als ein Volumenhersteller.
€uro am Sonntag: Kann man im Zuge der Globalisierung als "kleiner Autobauer" noch bestehen? Zetsche: Wir sind ein Unternehmen mit 100 Milliarden Euro Umsatz. Mit unserer einzigartigen technologischen Kompetenz, mit Investitionen in Forschung und Entwicklung von 3,7 Milliarden Euro in 2006 und einer Erhöhung um einige hundert Millionen Euro in 2007, mit einem Free Cashflow des Industriegeschäfts von 5,7 Milliarden Euro sowie einer Nettoliquidität von 13,7 Milliarden sind wir gegenüber keinem Hersteller in der Industrie benachteiligt.
€uro am Sonntag: Sie sind und waren immer offen für Zusammenschlüsse. Werden wir bald Neuigkeiten von Ihnen hören? Zetsche: Wir sind bei Daimler und Mercedes bestens unterwegs, um unsere Zukunft erfolgreich eigenständig gestalten zu können. Trotzdem prüfen wir natürlich, ob sich durch die themen- oder projektbezogene Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen zusätzliche Chancen ergeben können. In diesem Sinne laufen Gespräche.
€uro am Sonntag: Was steckt hinter der Kooperation mit BMW? Zetsche: Konkret ist heute unsere Hybrid-Kooperation mit Chrysler, BMW und General Motors. Wir sind aber offen, das Feld der Zusammenarbeit zu erweitern.
€uro am Sonntag: Was ist die größte Herausforderung im Automobilbau in den nächsten Jahren? Zetsche: Das ist unzweifelhaft das Sicherstellen von nachhaltiger Mobilität. Ganz konkret sind die abnehmende Verfügbarkeit von Erdöl, die Reduzierung des Verbrauchs und die notwendige Beschränkung der CO2-Emissionen die größten Herausforderungen für die Automobilindustrie. Daimler und Mercedes-Benz sind dabei aufgrund unserer Technologieführerschaft und der starken finanziellen und technischen Ressourcen in einer hervorragenden Position, diese Herausforderungen zu meistern. Aber auch auf dem Feld der Sicherheit müssen wir weiter führend sein – auch dort investieren wir.
€uro am Sonntag: In den USA hat sich der Wandel zum umweltfreundlichen Antrieb innerhalb von zwei Jahren vollzogen. Sind die Staaten ein Einzelfall, oder muss sich die Branche auf schneller wechselnde Trends einstellen? Zetsche: Wenn man den US-Markt betrachtet, machen Fahrzeuge mit Hybrid- oder Dieselantrieb bislang nur einen kleinen Teil der verkauften Autos aus – insofern ist das Käuferverhalten meiner Ansicht nach in einem schrittweisen Wandel begriffen. Völlig unabhängig davon ist es aber unsere Verantwortung, schnellstmöglich zukunftssichere Technologien weiterzuentwickeln, wie beispielsweise die Brennstoffzelle. Wir haben heute schon rund 100 Brennstoffzellenfahrzeuge in Betrieb und werden ab 2010 eine Kleinserie der B-Klasse F-Cell mit einer neuen Generation unseres Brennstoffzellenantriebs fertigen.
€uro am Sonntag: Sie haben jüngst versucht, den Amerikanern die Dieseltechnologie schmackhaft zu machen. Glauben Sie an einen Erfolg? Zetsche: Auch wenn der Dieselanteil insgesamt in den USA noch sehr klein ist, haben wir bei Mercedes-Benz mit den Modellen, die wir in 45 Bundesstaaten schon mit Dieselantrieb anbieten, bereits 16 Prozent mit Dieselmotor verkaufen können; bei M- und GL-Klasse sind es sogar 20 Prozent. Im letzten Jahr konnten wir unseren Absatz an Dieselfahrzeugen auf dem US-Markt um über 80 Prozent steigern. Wir werden in diesem Jahr Bluetec Dieselmodelle der M-, R- und GL- Klasse in den USA auf den Markt bringen, die die scharfen Anforderungen aller 50 US-Staaten erfüllen. Damit steigern wir erneut die Attraktivität unserer Fahrzeuge für den amerikanischen Markt.
€uro am Sonntag: Die Amerikaner scheinen Gefallen am Smart zu finden. Was erwarten Sie? Zetsche: Das kleinste Automobil der Welt hat im größten Automobilmarkt der Welt einen fulminanten Start hingelegt. Wir sehen überall dort, wo der Smart auftritt, überwältigende Reaktionen, beispielsweise während einer Roadshow durch die USA. Wir haben 50?000 Probefahrten gezählt, und es liegen uns über 30?000 Reservierungen vor, die wir nun in verbindliche Verträge umwandeln – übrigens mit einer Umwandlungsrate von über 70 Prozent.
€uro am Sonntag: Werden Sie künftig mehrere Antriebstechnologien pro Modell anbieten müssen? Zetsche: Wir bieten bereits heute Benziner und Dieselmodelle an und für die B- und E-Klasse zusätzlich auch einen Gasantrieb. Diese Vielfalt wird sich zukünftig noch durch Hybridmodelle in unseren Volumenbaureihen erweitern. Und auch der Schritt zum Brennstoffzellenantrieb oder zum Batteriefahrzeug wird nicht in einer abrupten Ablösung anderer Antriebe stattfinden, sondern sich über einen längeren Zeitraum parallel vollziehen.
€uro am Sonntag: Wäre dies ein Ausweg aus den Emissionsgrenzen, welche die EU vorschreiben will und die vor allem deutsche Autobauer treffen würden? Zetsche: Unsere Antwort auf diese Herausforderung ist ganz klar die Technologie! Wir sehen unsere Verantwortung für einen schnellen Wandel zu nachhaltig umweltverträglichen Fahrzeugen. Die Aufwendungen, die wir dafür aufbringen, sind erheblich, aber auch zielführend. Von der Politik erwarten wir dafür realistische Zeitabläufe und die Förderung neuer umweltfreundlicher Technologien.
€uro am Sonntag: Wie sind Ihre Ziele für dieses Jahr? Zetsche: Wir haben in 2007 trotz der intensiv geführten Umweltdiskussion einen neuen Absatzrekord für Mercedes-Benz erzielen können. Insofern sind wir sehr wohl in der Lage, für unsere Kunden faszinierende Fahrzeuge zu entwickeln und zu verkaufen, wirtschaftlich tätig zu sein und unsere Flotte in Richtung noch mehr Umweltfreundlichkeit voranzubringen.
€uro am Sonntag: Sie leisten sich mit der Gruppe "Gesellschaft und Technik" ein Zukunftsteam aus Wissenschaftlern der verschiedensten Fachrichtungen. Sagen die Ihnen noch eine Zukunft fürs Auto voraus? Zetsche: Alle sprechen heute sehr viel und sehr oft über die Risiken und Belastungen, die von der Automobilindustrie ausgehen. Dabei werden Chancen und Nutzen der individuellen Mobilität erheblich vernachlässigt. In Ländern wie Indien und China beispielsweise unterstützt individuelle Mobilität die gesellschaftliche Entwicklung. Vor diesem Hintergrund ist es unsere Aufgabe, den möglichen Konflikt mit der Umwelt aufzulösen. Und daran arbeiten wir mit voller Kraft! ----------- Gruss Ice Börsengewinne sind Schmerzengeld. Erst kommen die Schmerzen, dann das Geld...(A.K.) |