Lehmans Bilanztricks alarmieren US-Kongress
Im September 2008 brach Lehman Brothers zusammen. Nachdem ein Ermittler fragwürdige Praktiken aufdeckte, muss Ex-Bankchef Fuld erneut aussagen. Der Finanzausschussvorsitzende Frank hat noch weitere Personen im Visier.
22.03.2010, 13:26 "Repo 105" Lehmans Bilanztricks alarmieren US-Kongress Im September 2008 brach Lehman Brothers zusammen. Nachdem ein Ermittler fragwürdige Praktiken aufdeckte, muss Ex-Bankchef Fuld erneut aussagen. Der Finanzausschussvorsitzende Frank hat noch weitere Personen im Visier. Anzeige Der Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers kehrt wieder auf die große Bühne in Washington zurück. Ex-Vorstandschef Richard Fuld wird im April erneut vor dem Kongress erscheinen müssen. Die Anhörung wurde von Barney Frank, dem Vorsitzenden des Finanzausschusses im Repräsentantenhaus angesetzt. Ebenfalls einbestellt werden Finanzminister Timothy Geithner, Fed-Chef Ben Bernanke und Christopher Cox, der ehemalige Chairman der Börsenaufsicht SEC.Mehr zum Thema Lehmanns Abschied von Europa Maulheld statt Mann der Tat Nach Insolvenz Lehman Brothers plant Neustart Auslöser für die neuen Diskussionen ist der Bericht des Ermittlers Anton Valukas, der Anfang März veröffentlicht wurde. Er kommt zu dem Schluss, dass die Investmentbanker mit geschickten Buchungen einen Teil der Risiken aus den Büchern verschwinden ließen. Nach außen hin präsentierte sich Lehman Brothers damit als gesundes Institut. "Die Manipulation der Bilanz war Absicht. Sie zielte darauf ab, die Verschuldungsquote der Bank geringer darzustellen", heißt es in dem Bericht. Der Lehman-Fall rückt wieder ins Zentrum der Politik Ermittler Valukas von der Anwaltskanzlei Jenner & Block stört sich vor allem an "Repo 105"-Transaktionen. Über Repo-Geschäfte finanziert sich eine Bank kurzfristig. Dazu verleiht sie Wertpapiere und erhält im Gegenzug Bargeld. Weil dieser Tausch Wertpapier gegen Bargeld nur kurzfristig aus, bleibt die Transaktion in den Büchern unberücksichtigt Im Fall von "Repo 105" müssen mindestens 105 Prozent der Bargeldsumme als Sicherheit hinterlegt werden, was es dem jeweiligen Unternehmen erlaubt, die Papiere als verkauft zu verbuchen. Valukas' Vorwurf lautet nun: Lehman machte von diesem Buchungskniff Gebrauch, um rund 50 Mrd. $ an illiquiden Vermögenswerten außerhab der eigenen Bilanz zu parken. Dadurch fiel der Verschuldungsgrad geringer aus, was wiederum die Ratingagenturen besänftigte. "Auf diese Weise schraubten Ratingagenturen, Aufsichtsbehörden und der Lehman-Vorstand die Verschuldung künstlich nach unten, ohne dass die Investoren davon wussten", heißt es in dem Bericht.Lehman war am 15. September 2008 unter einem Schuldenberg von mehr als 600 Mrd. $ kollabiert. Der Zusammenbruch war die größte Unternehmenspleite in der Geschichte der USA und gilt als einer der Auslöser für die schwerste Rezession der Nachkriegszeit. Mehrere Behörden sind auf den Fall angesetzt, unter anderem das US-Justizministerium. Valukas beschäftigt sich auch mit der Frage, welche ehemaligen Top-Manager von Lehman über die fragwürdigen Repo-Transaktionen Bescheid wussten. Schlecht schneiden die ehemaligen Finanzchefs Erin Callan und Ian Lowitt ab. Für Callan habe das Thema nicht oben auf ihrer Prioritätenliste gestanden. Warnungen von Martin Kelly, dem obersten Controller zu der Zeit, habe sie ignoriert, heißt es in dem Bericht von Valukas. Callans Nachfolger Lowitt habe sogar "grob fahrlässig" gehandelt. Callan war bisher für einen Kommentar nicht zu sprechen. Lowitt, der heute für Barclays arbeitet, lehnte über seinen Anwalt eine Stellungnahme ab.
Valukas' Bericht förderte auch zu Tage, wie Kritiker innerhalb des Hauses mundtot gemacht wurden. Besonders dramatisch ist der Fall von Matthew Lee. Er war Senior Vice President und zog in einem Brief an das Top-Management Buchungspraktiken in Zweifel. Einen Tag, nachdem er die Mitteilung versandt hatte, wurde ihm gekündigt. In dem Schreiben, das inzwischen von mehreren Medien veröffentlicht wurde, heißt es, Lehman sitze auf "Milliarden an fragwürdigen Vermögenswerten, die sich als wertlos erweisen könnten". "Ich halte die Art und Weise, wie die Bank die Vermögenswerte verbucht für potenziell irreführend gegenüber der Öffentlichkeit und den Aufsichtsbehörden." Ausschussvorsitzender Barney Frank setzt eine Anhörung an Lee wies nicht nur auf Repo-105-Transaktionen hin. In dem Brief vom 15. Mai 2008 beschäftigte er sich auch mit dem Lehman-Büro im indischen Mumbai. "Die Möglichkeit ist da, dass Probleme durch falsche Bilanzierung vertuscht werden", führte Lee aus. Auf mögliche Unstimmigkeiten hatte bereits David Einhorn hingewiesen. Der Hedge-Fonds-Manager von Greenlight Capital gehörte vor dem Kollaps des Wall-Street-Hauses zu den prominentesten Kritikern. Einhorn hatte in einer Rede vom 21. Mai 2008 die Aufmerksamkeit auf ein Kraftwerk in Indien gelenkt. Konkret geht es um KSK Energy Ventures. Lehman schrieb die KSK-Beteiligung im Frühling 2008 hoch, was in einem Buchgewinn von 400 bis 600 Mio. $ resultierte.Begründet wurde das damals mit dem Einstieg eines anderen Investoren, der einen höheren Preis gezahlt hatte. Hedge-Fonds-Manager Einhorn störte sich daran, dass Lehman den Auslöser für den Buchgewinn abwandelte. Später erklärte die Bank, sie habe wegen der "Finanzierung vor dem eventuellen Börsengang und anderen Faktoren" den Wert der Beteiligung nach oben revidiert. Kongressabgeordneter Frank kann sich auch vorstellen, ehemalige Mitglieder des Lehman-Verwaltungsrats auf das Kapital zu rufen. "Meiner Meinung nach wurden die Gremiumsmitglieder bis jetzt nicht ausreichend zur Verantwortung gezogen. (...) Sie hätten vor dem Zusammenbruch etwas tun sollen. Einen Vorstandschef nach einem Desaster zu feuern ist keine gute Sache." |