Interessanter Artikel über Online-Spiele!
FOCUS-MONEY | Nr. 34 (2010) Social Games Bauern und Killer
Mittwoch 18.08.2010, 00:00 · von FOCUS-MONEY-Redakteur Markus Voss
Online-Spiele auf Facebook sind der neue Hype im Netz. Auch Google und Disney mischen schon mit Azeroth leidet unter Inflation. Seit Wochen steigen in der Fantasy-Welt des Online-Spiels „World of Warcraft“ („WoW“) die Preise: für Waffen, Reittiere und andere Ausrüstungsgegenstände. Der Grund sind virtuelle Goldmünzen, die von chinesischen Banden gestohlen oder gefälscht und dann über reale Internet-Seiten gegen bare Dollars und Euros in Umlauf gebracht werden. Plötzlich ist mehr Gold im Umlauf als geplant, und selbst durchschnittlich begabte Spieler fragen teure Waffen nach, die sie sich mangels Guthaben vorher nie leisten konnten.
Facebook-kompatibel. Auch hinter den virtuellen Kulissen werden immer höhere Summen aufgerufen – für Online-Spiel-Plattformen. Im Visier hat die Branche dabei weniger Actionspiele wie „WoW“, sondern virtuelle Bauernhöfe, Fischfarmen oder Mafia-Clans. Es sind virtuelle Spielwelten, die unmittelbar an soziale Netzwerke wie Facebook oder MySpace andocken. Einige laufen auch auf iPhone & Co.
Was plant Google? Mitte Juli soll der Suchmaschinengigant Google für geschätzte 100 bis 200 Millionen Dollar bei Zynga eingestiegen sein, dem Anbieter der Bauernhof-Welt „Farmville“. Google bestätigte den Deal, über den die Tech-Gemeinde seitdem heiß diskutiert, bis heute nicht offiziell. Beobachter glauben aber, dass Zynga der Nukleus einer neuen Plattform namens Google Games werden soll. Noch ist unklar, wie groß Googles Einfluss auf Zynga wirklich ist. Schließlich wird das 2007 gegründete Start-up auf Basis von virtuellen Mitarbeiteraktien bei Zynga bereits auf fünf Milliarden Dollar taxiert. Gemessen daran erhielte Google für 200 Millionen Dollar nicht einmal vier Prozent.
Jüngster Preistreiber im Markt ist der Medienkonzern Walt Disney. Am 27. Juli verkündete das Mickey-Mouse-Imperium den Kauf des Online-Gamers Playdom, der Nummer drei im Markt. Disney zahlt 563 Millionen Dollar. Wachsen Nutzerzahlen und Umsätze von Playdom („Market Street“, „Treetopia“) weiter wie geplant, muss Disney noch mal 200 Millionen Dollar nachschießen. Dagegen erscheinen die 325 Millionen Dollar, die der Computerspielekonzern Electronic Arts im November 2009 für die Nummer zwei, Playfish („Hotel City“), auf den Tisch legte, wie ein Schnäppchen.
Trotzdem nimmt die Börse Disney den Deal nicht übel – im Gegenteil. „Es gibt nur wenige große Anbieter“, erklärt Michael Pachter, Managing Director Equity im Aktienresearch von Wedbush Capital. „Möglich, dass Disney zu viel bezahlt hat. Aber sie haben es getan, weil sie den Deal wollten.“
71 Millionen virtuelle Farmer. 2009 rangierte Playdom mit 50 Millionen Dollar Umsatz hinter Zynga und Playfish. Nach eigenen Angaben lockt das Unternehmen monatlich 42 Millionen Spieler in seine virtuellen Welten, davon allein 11,4 Millionen nach „Social City“, wo sie ein Dorf zur Boomtown ausbauen und dabei die Bewohner bei Laune halten müssen.
Zynga schart allein mit seinem Bauernhof-Kassenschlager „Farmville“ monatlich 71 Millionen User um sich. Mit der ähnlich gestrickten Fischzucht „Fishville“ und den „Mafia Wars“, in denen die Spieler Immobilienbesitz und Clans errichten und zum Killer werden (können), hat das Software-Haus zwei weitere Eisen im Feuer. Sie alle docken an die Community Facebook an, wo mittlerweile Millionen Mitglieder auf virtuellen „Farmville“-Äckern Mais, Weizen oder einfach nur Blumen anbauen.
Nach Angaben des Marktforschers Newzoo spielen von 28,9 Millionen Deutschen, die sich bereits sozialen Netzwerken angeschlossen haben, bereits 17 Millionen Social Games wie „Farmville“, „Mafia Wars“ oder die Rittersaga „Kingdoms of Camelot“. Das ist jeder dritte Internet-Nutzer ab zehn Jahren. In Großbritannien sollen es 42 Prozent sein. Die Zahlen basieren auf der Befragung von 10 000 Internet-Nutzern in den USA, Großbritannien, Frankreich, Italien, Deutschland, den Niederlanden und Belgien. Auch wenn die Ergebnisse womöglich zu hoch gegriffen sind, so deuten sie doch auf ein erhebliches Potenzial hin. Während die Spieler hinter den Avataren in „World of Warcraft“ eine monatliche Abo-Gebühr zahlen müssen, um im Spiel zu bleiben, kann sich jedes Facebook-Mitglied per Mausklick kostenlos eine Parzelle bei „Farmville“ sichern und loslegen. Auf dieser Stufe verdienen die Anbieter lediglich an Bannerwerbung, die sie neben dem Spielplan schalten. Warum entbrennt um so einen Markt ein Bieterkampf?
Tatsächlich kann man bei „Farmville“ glücklich werden, ohne einen einzigen echten Euro zu investieren. Doch auf Dauer, sagen Infizierte, ist das nur der halbe Spaß. Denn der Ertrag lässt sich steigern, indem der Online-Bauer seinen Grund und Boden regelmäßig düngt oder maschinell bewirtschaftet. Dafür gibt es im „Farmville“-Shop allerhand Zubehör: vom Dünger über den Traktor bis zum Mähdrescher. Reichen die Erlöse aus der eigenen Ernte nicht aus, um sie sich leisten zu können, kann der Online-Landwirt ganz real nachhelfen – und sich mit seiner Kreditkarte virtuelle „Farmville“-Münzen und -Dollars erkaufen.
Das Prinzip des „Item-Selling“ hat sich die Branche beim „WoW“-Erfinder Activision Blizzard abgeguckt. Zwar entfällt dort der Löwenanteil auf Abo-Gebühren. Doch ein immer größerer Umsatzanteil der Vivendi-Tochter stammt aus dem hauseigenen Online-Shop, in dem fliegende Pferde, Waffen und andere Utensilien verhökert werden – mit märchenhaften Margen.
Das lässt sich auch an den Umsatzzahlen ablesen, die Newzoo auf Basis der Befragung hochgerechnet hat. Demnach geben die Deutschen in diesem Jahr 180 Millionen reale Euro für den Zeitvertreib in Online-Welten aus. 69 Millionen Euro oder gut 38 Prozent davon entfallen auf Abo-Gebühren, immerhin schon 14 Millionen auf Transaktionen für Ausrüstungsgegenstände (s. Grafik). In den USA wird der Online-Spiele-Markt auf 2,1 Milliarden Dollar (1,6 Milliarden Euro) taxiert.
Von dem Kuchen wollen sich auch andere etwas abschneiden, etwa der deutsche Anbieter Frogster Interactive. Nachdem die Berliner lange ums Überleben kämpften und 2008 sogar in die Insolvenz gingen, feiern sie nun mit Online-Spielen ein glänzendes Comeback. Angetrieben vom Fantasy-Spektakel „Runes of Magic“ („RoM“), gelang 2009 die Rückkehr in die Gewinnzone. Im Gegensatz zu „WoW“ ist bei „RoM“ der Eintritt frei. Frogster verdient erst später: am Devotionalienhandel. Jeder fünfte der 600 000 regelmäßigen Spieler rüstet im Online-Shop auf – und setzt dort im Monat 24 Euro um.
Frogster gefragt. Das blieb der Konkurrenz nicht verborgen, und so bekam Frogster Anfang August einen neuen Großaktionär: Die Karlsruher Gameforge besitzt nun 60 Prozent der Aktien und wird den verbliebenen Frogster-Aktionären voraussichtlich Mitte August 25 Euro je Anteil bieten. Angesichts der jüngsten Erfolgsmeldungen dürfte das nicht das letzte Wort sein. Da Frogster im Juni allein mit „Runes of Magic“ 2,2 Millionen Euro umsetzte, sind die Jahresschätzungen der Analysten von 19 Millionen Euro jetzt schon Makulatur. Zudem lagen ihre Kursziele mit 37 Euro und mehr schon vor der Übernahme weit über dem Gameforge-Angebot.
Die Frogster-Aktie dürfte also noch eine Weile weiterlaufen. FOCUS-MONEY-Leser, die seit unserer Empfehlung im März bereits 28 Prozent im Plus liegen, sollten also dabeibleiben und einen knappen Stopp bei 24 Euro setzen – einen Euro unter dem Gamesforge-Angebot.
Mit einem Börsenwert von knapp 74 Millionen Euro ist Frogster gleichwohl ein Leichtgewicht der Branche. In China, Japan und Korea, wo Millionen Spieler nach Feierabend zu Hause oder in Internet-Cafés um die Wette daddeln, werden an der Börse längst Milliardensummen für die Anbieter solcher Massive Multiplayer Online Games (MMOG) aufgerufen.
„World of Warcraft“ ist dort allerdings weniger gefragt, wie die schwachen Umsätze des chinesischen Lizenznehmers The 9 zeigen. Auch mit Lizenzversionen von „Fifa 2“ oder der koreanischen Manga-Serie „Soul of the Ultimate Nation“ hat The 9 noch nicht die Gewinnzone erreicht.
Chinesen spielen in 3-D. Weit erfolgreicher ist Chinas Shooting-Star Tencent, der seine Kunden mit martialischen Kampf- und Actionspielen oder virtuellen Tanzschulen beglückt, vorzugsweise im Manga-Stil. Der Börsenwert von 27,9 Milliarden Euro entspricht dem elffachen Umsatz – und einem KGV von 23.
400 000 Spieler gleichzeitig. Mit dem 3-D-Spiel „AVA“ setzte Tencent Anfang des Jahres Maßstäbe. Doch nun macht Shanda Games, Tochter des gleichnamigen Entertainment-Konzerns, Tencent die Spitzenposition streitig. Shandas „Dragon Nest“, ebenfalls ein 3-D-Online-Spiel, ist seit 22. Juli auf dem Markt und wird in Spitzenzeiten von 400 000 Spielern gleichzeitig gespielt. Shanda hat seine 88 Server-Farmen gerade um 20 erweitert, um des Ansturms Herr zu werden. Angesichts des Potenzials von „Dragon Nest“ ist die Aktie mit einem Börsenwert von 1,5 Milliarden Euro, einem KGV von neun und einem Kurs-Umsatz-Verhältnis von 0,4 günstig zu haben.
Auch bei Zynga & Co. gehen die Server von „Farmville“, „Mobsters“ & Co. in jüngster Zeit unter dem Ansturm der Massen immer öfter in die Knie. Entsprechend finden sich im Stellenmarkt von Facebook immer häufiger Jobanzeigen für Software-Architekten. Spezialgebiet: „Backend & Performance“. _____ Wer in den Markt für Social Games investieren will, kann sich mit relativ wenig Risiko an die Großen halten oder auf chinesische Überflieger setzen. Werte wie Tencent, Netease oder Shanda Games werden auch in Europa recht rege gehandelt, The 9 eher nicht.
Quelle: http://www.focus.de/finanzen/boerse/...ern-und-killer_aid_542318.html |