Anti-Terror-Paket Zwei räumt Behörden weite Befugnisse ein Der Entwurf zum zweiten Sicherheitspaket aus dem Hause von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) enthält neben den bereits am Dienstag in der Frankfurter Rundschau aufgeführten Bestimmungen noch zahlreiche weitere Vorschläge, die die Befugnisse der hiesigen Behörden stark ausweiten und Bestimmungen des Ausländerrechts klar einschränken würden.
Neben Regeln zur Sicherheitsüberprüfung und zu Fingerabdrücken, zur Hand- und Gesichtsgeometrie in Pässen und Personalausweisen sieht der 110-Seiten-Entwurf zum "Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus" vor, acht weitere Gesetze und drei Verordnungen zum Ausländerrecht zu ändern. Grundsatz: Der Staat müsse Gefahren für die innere Sicherheit nicht nur frühzeitig erkennen, sondern auch alles tun, damit das Risiko solcher Gefahren so gering wie möglich ist und möglichst nicht eintritt. Der Schutz vor Terrorismus beginne nicht erst im Inland.
So soll das Bundeskriminalamt ein eigenes Recht auf Ermittlungen im Vorfeld etwa des Terrorismus erhalten, im Entwurf "Initiativ-Ermittlungskompetenz" genannt. Damit könnte das BKA auch ohne konkreten Anfangsverdacht aktiv werden. Zudem soll es für schwere Datennetz-Kriminalität zuständig sein. Allerdings soll das Recht auf Tatbestände beschränkt sein, die die innere oder äußere Sicherheit gefährden oder zu erheblichen Vermögensschäden führen könnten.
Der Bundesgrenzschutz soll künftig in einem "grenznahen Raum" von 50 Kilometern verdachtsunabhängige Personenkontrollen machen dürfen, bislang ist dieser Raum auf 30 Kilometer von der Grenze aus beschränkt. Die Anwesenheit von Luftpolizisten ("sky marshals") an Bord deutscher ziviler Flugzeuge, die bereits möglich ist, soll gesetzlich geregelt werden.
Auch der Verfassungsschutz soll gestärkt werden und neue Aufgaben erhalten: Alle Geldinstitute sollen verpflichtet sein, ihm Auskunft über Konten, Kontoinhaber und weitere Berechtigte zu geben, um Geldströme zu erforschen. "Es ist sicherzustellen, dass jede Transaktion zurückverfolgt werden kann."
Ebenso soll der Verfassungsschutz Zugriff auf Dateien über Verbindungen der Telekommunikation, der Post und der Luftverkehrsgesellschaften erhalten. Außerdem soll er so genannte "Catcher" ("Fänger") einsetzen können, die aktiv geschaltete Mobiltelefone lokalisieren und jeweilige Geräte- und Kartennummern feststellen können. Zur Begründung heißt es: Logistische Vorbereitungen terroristischer Aktionen erfolgten auch im Inland. Der Verfassungsschutz brauche Informationen über ihre Kommunikationswege.
Über die Mobilfunk-Daten sollen "Bewegungsbilder Verdächtiger" erstellt werden und damit Ruhe- und Vorbereitungsräume internationaler terroristischer Gruppen rechtzeitig analysiert werden können. Die Begründung verweist darauf, dass über das bisherige Maß hinaus (so genanntes G-10-Gesetz) keine Inhalte von Telefongesprächen erhoben werden sollen. "Das Grundrecht des Brief-, Post- und
Fernmeldegeheimnisses … wird insoweit eingeschränkt", heißt es im Gesetzentwurf.
Ebenso sollen das Bundesamt für Flüchtlinge und die Ausländerbehörden dem Verfassungsschutz zur Auskunft und Weiterleitung ihrer Daten verpflichtet werden. Der Verfassungsschutz soll zudem entsprechende Daten länger als bisher (fünf oder zehn Jahre) speichern dürfen, um sich bewusst konspirativ verhaltenden Schläfern auf die Spur zu kommen. Die neue Aufgabe des Bundesamtes für Verfassungsschutz lautet allgemein: "Bestrebungen beobachten, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind."
Was genau in Zukunft in Pässen und Personalausweisen festgehalten werden soll, bleibt - wie berichtet - dem Innenminister überlassen. "Die Einzelheiten über die Aufnahme biometrischer Daten bestimmt das Bundesministerium des Innern… durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf." "Biome-trische Daten" sind "Fingerabdrücke, Hand- und Gesichtsgeometrie" und laufen unter dem Begriff "künstliches Sehen". Diese Systeme beruhen auf mathematischen Verfahren; sie sollen herkömmliche Porträts erkennen und interpretieren können. Zur Begründung heißt es, gerade international tätige Terroristen benutzten häufig falsche Identitäten, um ihre vielen Reisen zu verschleiern.
Die besonderen Regelungen für Ausländer sollen laut Begründung sicherstellen, "dass Personen, die unter dem Verdacht stehen, terroristische oder extremistische Aktivitäten zu unterstützen, einem allgemeinen Einreise- und Aufenthaltsverbot in Deutschland unterliegen".
Ausländervereine sollen leichter verboten werden können, wenn sie unter Extremismusverdacht geraten. Künftig sollen sie verboten werden können, wenn sich ihre Ziele oder Mittel gegen Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung richten oder wenn sie Gewaltanwendung - auch im Ausland - unterstützen. Zudem soll gegen Ausländervereine vorgegangen werden, die hier zu Lande Spenden für terroristische "Mutterorganisationen" sammeln, für sie "Kämpfer" rekrutieren oder sie sonst unterstützen.
Visa und Aufenthaltserlaubnisse sollen bei Terrorismusverdacht versagt werden können. Damit könnte künftig auch ausländischen Ehegatten von Deutschen unter Umständen die Einreise verweigert werden. Auch bei kurzfristigen Aufenthalten sollen die Ausländerbehörden eingeschaltet werden. Bei Visa-Antragstellern sollen "identitätssichernde" Schritte wie Fingerabdrücke und biometrische Daten aufgenommen und gespeichert werden. Eine Liste so genannter Problemstaaten soll erstellt werden. Der Abschiebeschutz für des Terrorismus verdächtige Personen wird eingeschränkt; es reiche der Verdacht aus rechtskräftige Verurteilung solle nicht mehr Voraussetzung sein. Damit solle verhindert werden, dass die Bundesrepublik ein Ruheraum für Terroristen sein könne. Für Asylbewerber sollen fälschungssichere Ausweise eingeführt werden. Außerdem sollen sie sich einer "Sprachaufzeichnung" stellen, damit eine Analyse die Herkunftsregion klären kann. Vier Fünftel aller Asylbewerber kämen (zum Teil absichtlich) ohne Papiere. Fingerabdruck, biometrische Daten und Sprachaufzeichnung sollen zehn Jahre aufbewahrt und auch von der Polizei benutzt werden dürfen.
Das Ausländerzentralregister soll künftig auch Lichtbilder und Fingerabdrücke Betroffener speichern. Auch die Polizei soll "über die Grunddaten hinaus" Zugriff auf die Aufenthaltsdaten, Angaben zum Asylverfahren und Visaentscheidungen haben. Ebenso sollen Daten gespeichert werden über Personen, die gefälschte oder verfälschte Papiere im Visaverfahren vorgelegt haben. Auch die Religionszugehörigkeit von Ausländern soll gespeichert werden. Schon deutsche Botschaften und Konsulate sollen die Daten über Visaerteilungen oder -versagungen speichern. In Deutschland soll eine "Visa-Entscheidungsdatei" angelegt werden. Auch soll festgehalten werden, wer Ausländer eingeladen hat, um so leichter an Hintermänner zu kommen.
Das Bundeskriminalamt soll Fingerabdrücke und andere Daten von Asylbewerbern mit dem Bestand von Tatortspuren abgleichen können. Auch sollen die Dienste den "gesamten Bestand des Ausländerzentralregisters im automatischen Abrufverfahren abrufen" können. Ermittlungen nach den Anschlägen in den USA hätten gezeigt, dass terroristische Gefahren auch Ausländer begehen könnten, die sich hier längere Zeit aufhielten.
Die Kosten der geplanten Änderungen beziffert das Schily-Ministerium bisher nicht. Es heißt nur, "ein finanzieller Mehraufwand" stehe an, der "nicht hinreichend genau abschätzbar" sei, weder für den Bund noch für die Länder. Vor allem das BKA werde "beträchtliche materielle und personelle Mittel" benötigen. |