hier nochmal der Artikel aus der Süddeutschen:
Solar Millennium vor der Zerschlagung Millionen für die Wüste
30.01.2012, 13:05 Von Markus Balser und Uwe Ritzer
Die Pläne klangen phantastisch: Im kalifornischen Blythe sollte das größte Sonnenkraftwerk der Welt entstehen. Inzwischen steht die Betreiberfirma Solar Millennium vor der Zerschlagung. Beim geplanten Verkauf der US-Sparte gibt es viele Ungereimtheiten.
Die Adresse hätte schillernder kaum sein können. Im ehemaligen Berliner Flughafen Tempelhof feierte die Firma Solarhybrid im November eine "Energy Night". Ein pompöser Abend mit 700 Gästen, vielen B- und C-Promis, und Star-Geiger David Garrett als Krönung. "Wir wollen zeigen, dass wir eine große Nummer sind", tönte Tom Schröder, Vorstandschef von Solarhybrid. Zumindest sind es große Worte für ein kleines Unternehmen mit 70 Mitarbeitern aus Brilon im Sauerland, wo es sich einen kleinen, grauen Flachbau mit einem Geschäft für Bodenbeläge teilt.
Besonders hoch hinaus und die größten Sonnenkraftwerke der Welt bauen - das wollte Solar Millennium auch. Bis die Firma aus Erlangen in einem Strudel aus Skandalen versank und kurz vor Weihnachten 2011 Insolvenz anmelden musste. Nun steht die Solarhybrid AG offenbar kurz davor, einen Teil von Solar Millennium zu übernehmen.
Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung steht Solar Millennium vor der Zerschlagung. Zwar haben sich beim vorläufigen Insolvenzverwalter Volker Böhm etwa 70 Kaufinteressenten für das Unternehmen gemeldet, bei dem 30.000 Anleger mutmaßlich einen dreistelligen Millionenbetrag verloren haben. Doch kaum jemand ist ernsthaft an der gesamten, verschachtelten Firmengruppe mit ihren 60 Projektgesellschaften und weiteren Tochterfirmen interessiert. Nur wenige davon scheinen verwertbar; viele angebliche Kraftwerksprojekte, mit denen Solar Millennium Anleger geködert hat, haben sich als Luftnummern entpuppt. Nun sortiert Böhm aus.
Ich kann mir gut vorstellen, dass es zu einer Aufteilung des deutschen, spanischen und nordamerikanischen Geschäftes kommen kann", sagte er auf Anfrage. Auf letzteres spekuliert Solarhybrid. Der Deal könnte sehr schnell gehen. Vorausgesetzt, dem kleinen Mittelständler gelingt es, die von Böhm geforderten Finanzierungszusagen und Bürgschaften für den Kaufpreis herbeizuschaffen, dessen Höhe nicht bekannt ist. "Solarhybrid hat sich schon länger mit dem Thema beschäftigt und hat daher einen Vorsprung", sagt der vorläufige Insolvenzverwalter. Böhm ist vorsichtig, steht aber auch unter Druck.
Solar Millennium hat Unternehmenskreisen zufolge mehr als 50 Millionen Euro in Zusammenhang mit dem im kalifornischen Blythe geplanten, größten Sonnenkraftwerk der Welt ausgegeben. Aufgrund rechtlicher Verpflichtungen sind dort im Februar weitere fast 15 Millionen Euro an Zahlungen fällig. Andernfalls bricht auch das Wenige, das in Blythe tatsächlich geschaffen wurde, zusammen. Denn dem US-Ableger von Solar Millennium, der Solar Trust of America, droht das Geld auszugehen. An eine Finanzspritze aus Erlangen ist wegen der Insolvenz nicht zu denken. Böhm bestätigt, dass in den USA "aufgrund der dortigen Fristen und erforderlicher, größerer Zahlungen tatsächlich ein schneller Verkauf geboten ist."
Ein Insolvenzverwalter verfolgt vorrangig das Ziel, möglichst viel des ihm anvertrauten Unternehmens zu retten und zu verwerten, um für dessen Gläubiger das Maximale herauszuholen. Ein Verkauf an Solarhybrid wirft allerdings viele Fragen auf. Schon seit Monaten buhlt die Firma aus Brilon um das US-Geschäft von Solar Millennium. Ein merkwürdiger Deal. Wie will eine Firma, die 2010 ganze 113,4 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftete, ein Milliardenprojekt wie Blythe stemmen?
Seltsam ist auch die zeitliche Abfolge. Anfang Oktober 2011 wurde die Übernahme des US-Geschäftes von beiden Firmen bereits als perfekt verkündet. Solarhybrid überwies quasi als Vorschuss sieben Millionen Euro an Solar Millennium. Ende Oktober verkündete man, die Verhandlungen liefen plangemäß. Am 20. Dezember hieß es plötzlich, der Kauf verzögere sich. Einen Tag später meldete Solar Millennium Insolvenz an.
Für Irritationen sorgt auch, dass bei Solarhybrid gleich mehrere Teilhaber engagiert sind, die man bereits aus dem Dunstkreis der Pleitefirma Solar Millennium kennt. Das wirft Fragen nach ihren Interessenlagen auf. So sitzt der langjährige Solar-Millennium-Aufsichtsrat Michael Fischer bei Solarhybrid als Investor im Boot. Er soll das Geschäft eingefädelt haben. In die Schlagzeilen geriet zudem Solarhybrid-Aufsichtsratschef Harald Petersen, der als Privatmann und über eine Investmentgesellschaft auch Großaktionär der Firma aus Brilon ist. Der Rechtsanwalt, Unternehmer und Ex-Vorstand der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) beriet Anfang 2010 aber auch den Aufsichtsrat von Solar Millennium.
Damals ging es um eine angebliche Spekulanten-Attacke. Petersens Vorschläge ähnelten frappierend jenen seines SdK-Kumpels Tobias Bosler, der ebenfalls im großen Stil in Solar Millennium investiert hatte. Sowohl Bosler als auch Petersen sind in der SdK-Affäre um Kursmanipulationen im Visier der Ermittler. Bosler steht in München vor Gericht, gegen Petersen erhob die Staatsanwaltschaft Anklage.
Aber auch um das US-Geschäft von Solar Millennium selbst gibt es merkwürdige Konstruktionen. So hatte eine Briefkastenfirma, deren Hintermänner keiner kennt, großen Einfluss auf besagte Solar Trust of America. Die Verantwortlichen bei Solar Millennium ließen sie offenbar gewähren. Anleger fürchten nun, dass mit der Übernahme durch Solarhybrid eine Klärung der dubiosen Geschäfte kaum noch möglich sein wird.
Unabhängig davon ob Solar Millennium in der Vergangenheit Anleger auch mit Luftnummern warb - es gibt durchaus Unternehmensteile, die eine Zukunft haben können. Dies gilt für die Kölner Tochter Flagsol, wo die Projektentwickler sitzen. Oder für spanische Ableger wie jenen um das halbfertige Solarkraftwerk Arenales, an dem Solar Millennium mit 17 Prozent beteiligt ist. Laut Satzung hätten sich die Mehrheitsgesellschafter - der spanische Baukonzern OHL und der Finanzinvestor Reef - nach der Insolvenz diesen Anteil für einen symbolischen Euro unter den Nagel reißen können. Böhm überzeugte sie, dies nicht zu tun. Er will die 17 Prozent verkaufen. "Es haben Gespräche begonnen und ich sehe gute Chancen für einen Verkauf", sagt er. An anderen Teilen von Solar Millennium sollen übrigens Konzerne interessiert sein, offenbar Kraftwerksbauer, die ihr Solargeschäft ausbauen wollen. |