Frankfurt a.M. - Besitzen Sie Aktien der Deutschen Bank? Vielleicht wird es Zeit, sich davon zu trennen. Gut, der Branchenprimus ist ohne Staatshilfen durch die Krise gekommen. Schon wahr: Durch die Übernahme der Postbank verringert das Institut seine Abhängigkeit vom Kapitalmarktgeschäft. Alles in allem ist sie heute wohl eine führende europäische Bank mit starken Wurzeln in Deutschland. Dass aber dafür ihr Chef Josef Ackermann heute Abend bei einem Festakt in Frankfurt als Europäischer Banker des Jahres ausgezeichnet wird, ist ein Indiz, dass der Kurs womöglich bald seinen Zenit erreicht hat.
Die Liste der bisherigen Preisträger lässt jedenfalls Böses ahnen. Zwar zeichnete die Journalistenvereinigung "The Group of 20 + 1" in den beiden zurückliegenden Jahren der Krise gar keine waschechten Banker aus. Euro-Gruppen-Chef Jean Claude Juncker und der Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, sind aber immerhin im Amt, was man von vielen anderen früheren Preisträgern nicht sagen kann.
Da ist zum Beispiel Rijkman Groenink (2004). In seinem Heimatland wegen seiner überzogenen Bezüge von gut 20 Millionen Euro im Jahr nicht minder umstritten als Ackermann, baute er die niederländische ABN Amro Bank zu einem Global Player aus. 2007 verlor er seinen Job, nachdem das Institut zum Ziel einer spektakulären Übernahmeattacke und anschließend von den Käufern filetiert wurde.
Oder Marc Ospel, der den Titel 1998 für die Internationalisierung der Schweizer UBS einheimste. Jahresgehalt: Mehr als 20 Millionen Schweizer Franken. Unter seiner Führung ruinierte sich das Institut am US-Immobilienmarkt nahezu. Trotzdem ging er nur auf massiven Druck der eidgenössischen Bankenkommission von Bord.
Oder Fred Goodwin (2003). Jahreseinkommen: 4,2 Millionen Euro. Unter seiner Führung pumpte sich die Royal Bank of Scotland zum größten Unternehmen der Welt auf. Eine Zeitlang sah es so aus, als ob der knallharte Schotte das Bankgeschäft neu erfunden hätte. Heute ist das Institut verstaatlicht - und Goodwin seinen Job los.
Eigentlich ist der Preis also kein gutes Omen für Ackermann, letztes Jahresgehalt: Knapp zehn Millionen Euro. Aber Balsam für seine Seele. Denn obwohl er das wichtigste Institut des Landes seit gut acht Jahren sehr erfolgreich führt, ist es die erste öffentliche Auszeichnung, die ihm hierzulande zu Teil wird. Vom Ausland gefeiert, musste sich der 62-jährigen Schweizer in Deutschland bislang mit der Rolle des überbezahlten Raubtierkapitalisten begnügen.
Ackermann bewies allerdings auch wenig Geschick darin, sein Bild in der Öffentlichkeit zu pflegen. Im Gegenteil. Immer wieder unterlaufen dem untersetzten Mann mit dem breiten Lächeln Fehler, die jeden Kommunikationsberater die Hände über den Kopf zusammenschlagen lassen. Sowie 2005, als er in einem Atemzug einen Milliardengewinn und den Abbau von Tausenden Arbeitsplätzen verkündet. Schließlich muss das eingesetzte Kapital mit mindestens 25 Prozent verzinst werden. Wahrscheinlich hat der ehrgeizige und strategisch gewiefte Manager bis heute nicht verstanden, was die Öffentlichkeit damals so gegen ihn aufbrachte.
Welches Bild er abgab, als er sich ein Jahr zuvor beim Auftakt des Mannesmann-Prozesses grinsend mit dem Victory-Zeichen fotografieren ließ, schien er dagegen zu erahnen. Jedenfalls entschuldigte er sich und erklärte das Bild aus einem situationsbedingten Scherz heraus. Wer mehr als zwei Sätze aus seinem Munde vernimmt, weiß, dass viel für seine Version der Geschichte spricht. Jedenfalls mehr als die bodenlose Arroganz, die diese Geste zu signalisieren scheint. Denn wenn Ackermann nicht gerade seinen Geschäftsbericht präsentiert, überrascht seine gebildete und gleichzeitig bodenständige Art den voreingenommenen Zuhörer.
Doch diese Details interessieren nicht, wenn es um den Chef der Deutschen Bank geht. Wie keine andere Institution in Deutschland steht diese Bank für das hässliche Gesicht des Kapitalismus. Ob Kommunen mit windigen Finanzwetten Millionen verzocken oder amerikanische Hausbesitzer bei dubioser Rechtslage vor die Tür gesetzt werden: Immer wieder ist die Deutsche Bank mit dabei.
Dazu kommt, dass Analysten noch immer die vergleichsweise geringe Kapitalausstattung bemängeln, obwohl Ackermann bei den Aktionären gerade eine gigantische Kapitalspritze von zehn Milliarden Euro einwarb. In den gut zwei Jahren, die Ackermann noch bleiben, bis sein Vertrag ausläuft, mangelt es also nicht an Gelegenheiten, das Institut noch gegen die Wand zu fahren und damit das Omen zu erfüllen.
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Zur Person
Josef Ackermann wird am 7. Februar 1948 als Sohn eines Schweizer Landarztes. Er wächst mit zwei Brüdern auf, fährt Ski und treibt Leichtathletik. Seine Mutter lehrt ihn die Liebe zur Musik: Wie seine Brüder lernt auch "Seppi" ein Instrument. Laut seiner Biographie spielt er bis heute gerne Klavier und ist ein ausgebildeter Tenor. Nach der Matura geht Ackermann an die renommierten Universität St. Gallen, wo er Wirtschafts- und Sozialwissenschaften studiert und nach seinem Abschluss in Bankwissenschaften als wissenschaftlicher Mitarbeiter promoviert.
Anschließend steigt er bei der heutigen Credit Suisse ein, wo er schnell zum Kronprinzen avanciert. 1996 überwirft er sich mit dem Verwaltungsratschef und muss gehen. Wenig später heuert er als Vorstand der Deutschen Bank an, wo er sich schon bald mit der erfolgreichen Integration der US-Bank Bankers Trust die Meriten verdient. Zur Jahrtausendwende wird er mit Wirkung ab Mai 2002 als Nachfolger von Rolf-E. Breuer zum Vorstandssprecher gewählt. Seit 2006 ist er alleiniger Vorstandschef der Deutschen Bank. Wenn sein Vertrag 2013 ausläuft, will Ackermann nicht in den Aufsichtsrat wechseln, sondern an die Universität zurückkehren. Allerdings hat er es bislang versäumt, einen Nachfolger aufzubauen. Ackermann ist verheiratet und hat eine erwachsene Tochter.
Zum Preis
Der "European Banker of The Year" wird seit 1994 in der Bankenstadt Frankfurt gekürt. Initiiert wurde die Auszeichnung von der Maleki Group, einem Kommunikationsunternehmen, das auf die Finanzbranche spezialisiert ist und unter anderem auch die alljährliche Bankengala in der Alten Oper ausrichtet.
Gewürdigt werden sollen Persönlichkeiten aus der Finanzwelt für herausragende Leistungen. Die Entscheidung trifft die "Group of 20 + 1". Ihr gehören 20 europäischen Wirtschafts- und Finanzjournalisten an sowie Firmeninhaber Nader Maleki. http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/...haft/318796/318797.php |