Ungeachtet der Bedenken seiner europäischen Nachbarn machte der Deutsche Bundestag gegen die Stimmen der Grünen im November 2019 den Weg für die Pipeline frei.
Wirtschaftliche Beurteilung
In einer Studie vom Juli 2018 kam das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung zum Ergebnis, dass die Ostseepipeline Nord Stream 2 zur Sicherung der Erdgasversorgung in Deutschland und Europa unnötig und wirtschaftlich unrentabel ist. Zum einen ist der Verbrauch und die Nachfrage nach Erdgas seit Jahren rückgängig. Auch für die Zukunft gehen energiewirtschaftliche Prognosen davon aus, dass die Erdgasnachfrage in Deutschland und Europa weiter sinken wird. Fossiles Erdgas ist kurzfristig der kostengünstigeren Kohle und langfristig den erneuerbaren Energien mit weiterentwickelten Speichertechnologien unterlegen. Wenn die von der Bundesregierung festgelegten Klimaschutzziele erreicht würden, sänke der Erdgasbedarf zwischen 2008 und 2050 um fast 73 %. Zum anderen stehen auf der Angebotsseite eine Vielzahl von Lieferländern und ein gut ausgebautes innereuropäisches Netzwerk von Pipelines zur Verfügung. Die Erdgasversorgung ist so diversifiziert, dass das bestehende Versorgungssystem ohne Nord Stream 2 krisenfest ist und sogar ein vollständiger Wegfall russischer Erdgaslieferungen in Deutschland und in Europa durch andere Bezugsquellen und mehr Effizienz kompensiert werden kann. Hinzu kommt, dass nur etwa ein Viertel der bestehenden Importkapazitäten für Flüssigerdgas (LNG) genutzt wird und bei Bedarf das Angebot durch LNG-Einfuhr weiter gesteigert werden kann. Ein Indiz für die fehlende Wirtschaftlichkeit des Pipelineprojekts sind die hohen Durchschnittskosten für den Transport des Erdgases, die sich bei der Nord Stream 2 auf etwa 25 % des Erdgaspreises belaufen und die auf dem europäischen Erdgasmarkt kaum durchsetzbar sind. Darüber hinaus müssen wegen der Nord Stream 2 zusätzliche Leitungen wie etwa die Anbindungsleitung EUGAL gebaut werden, deren Kosten in Deutschland pauschal auf die Erdgasverbraucher umgelegt werden. Die Kosten dieser zusätzlichen Leitungen werden auf 500 Millionen Euro geschätzt und müssen von Verbrauchern in Deutschland mitgetragen werden.[99]
Im Mai 2018 veröffentlichte die russische Sberbank eine Analyse, der zufolge Gazprom durch den Bau der Pipeline Nord Stream 2 keinen Gewinn erzielen kann. Den Kosten der Pipeline inklusive der Zuführungsleitung aus dem russischen Erdgasnetz in Höhe von 17 Mrd. US-Dollar plus 2,5 Mrd. US-Dollar Fremdfinanzierung stehen die Ersparnisse aus dem umgangenen Transit durch die Ukraine in Höhe von circa 700 Mio. US-Dollar jährlich gegenüber. Zusätzlich wird angenommen, dass die deutsche Anbindungsleitung EUGAL erst nach 2020 fertiggestellt sein wird, der Erdgasabsatz in Europa nicht steigt und die Pipeline zu 60 % ausgelastet ist. Unter diesen Annahmen ergibt sich für das Projekt ein negativer Barwert in Höhe von sechs Mrd. US-Dollar. Die Autoren der Studie gehen davon aus, dass die Pipeline geopolitischen Interessen dient und Baukonzerne stärken soll, die das heimische Pipelinenetz ausweiten. Mit dem Bau der russischen Zufuhrleitungen für Nord Stream 2 wurde das Bauunternehmen Stroitransgas vom Oligarchen Gennadi Timtschenko beauftragt.[100][99]
Norwegische Ökonomen zeigten in einer Studie aus dem Jahr 2017, dass der Absatz russischen Erdgases in die EU durch den Bau der Pipeline nur geringfügig gesteigert wird. Zwar würde Deutschland mehr Erdgas aus Russland beziehen, gleichzeitig würde der Export nach Mitteleuropa über die Ukraine sinken. Die Forscher schätzen das Projekt als insgesamt unrentabel ein, weil den geringen zusätzlichen Erlösen sehr hohe Baukosten gegenüberstehen.[101][99] |