Zeithorizont der LV: Situation: Typischer Kursverlauf bei Quartalszahlen: Zuerst die pushenden Trader, die ihre Gewinne dann sofort wieder mitnehmen und dann die LV, die jedes positive Momentum deckeln. Gestern versuchten sie mit aller Gewalt teuer und erfolglos, die 120 zu durchbrechen, um die Zahlen so schlecht wie möglich aussehen lassen. Heute war klar, dass sie es bei geringerem Kaufdruck schaffen würden. Nun also die Eindeckungen mit market making. Selbst wenn sich nun einige wie schon zuvor bei 115 auf diese Weise eindecken, wird der Short-Interest hoch bleiben. Tage/Wochen/Monate: Es geht den meisten LV nicht darum, nur intraday zu traden, sondern sie wollen ein Momentum der Schlusskurse erzeugen: Noch immer denken die meisten LV wenigstens in Wochen, wenn nicht in Monaten. Würden sie nur intraday traden, wäre das als ein deutliches Symptom ihrer Schwäche. Für die Zeitplanung der meisten LV sind die Untersuchungsergebnisse entscheidend: 1. Der normalerweise sehr gut informierte Wolfgang Bergland erwartet auf Twitter ein frühes Teilergebnis der Untersuchungen in Dubai. 2. Die IR-Abteilung hat gerade bestätigt, dass die Ausdehnung der KPMG Untersuchung auf Türkei und Brasilien das Ergebnis verzögern wird: Wurde anrufenden Aktionären zuerst noch Mitte Januar in Aussicht gestellt, heisst es nun definitiv: Ende Q1 2020. 3. Singapur: Gestern hat die unsägliche CNBC-Journalistin, die Braun interviewte, auf Twitter behauptet, Braun habe ein Ende der Singapur Untersuchungen noch in diesem Monat angekündigt, was die englischsprachige Presse sofort dankbar aufgegriffen hat. Die Dame von der IR-Abteilung sagte aber gerade, dass Wirecard KEINE Informationen über ein bevorstehendes Ende der CAD-Untersuchungen habe und es sich daher sicherlich nicht um einen, sondern um MEHRERE Monate handeln wird. Als weitere ungefähre zeitliche Orientierung kann trotz aller Unterschiede nach wie vor der Vergleich mit 2016/17 dienen: Erst nach der letzten heftigen Attacke Ende Februar 2017, also ein Jahr nach Zatarra, coverten die LV langsam und kontinuierlich über mehrere Monate.
Kursziele und Limits der LV: Ziele: Falls neue institutionelle Anleger ausbleiben, ist für die LV die über mehrere Tage oder wie im letzten Sommer über mehrere Wochen verlaufende sukzessive Senkung des Kurses auf ca. 115 interessant. Da niemand weiss, wann und wie bei einem trailing limit von -10% des durchschnittlichen SK der letzten 5 Tage das ARP eingesetzt wird, versuchen sie, den Kurs zu drücken bis - wie gesagt, nicht nur intraday - ein nennenswerter Widerstand erkennbar wird. Ein massiver Angriff auf die 110 ist kaum zu erwarten, nachdem sich die LV dort schon einmal bei DWS eine blutige Nase geholt haben. Obere Limits: Die Schmerzschwellen der LV wurden hier ja mehrmals überschlagen, wobei der Verkauf von Jupiter und Artisan leider nicht berücksichtigt wurde. Um diese Limits annähernd einschätzen zu können, hilft kein vermutlicher Durchschnittskurs, zu dem sie abgeworfen haben, sondern die Profit/Loss-Rechnung, die Ihor dankenswerterweise in verschiedene Perioden (pY, pM, pW, manchmal sogar intraday) aufschlüsselt. Um zu erkennen, wo sich die Shorts befinden, bräuchten wir ein P/L-Diagramm für Wirecard von Ihor (er hat das für andere Firmen schon oft gepostet). Da er meistens nur eine Nachfrage pro User auf seine Zahlen beantwortet, wäre es gut, wenn mehrere ihn um ein solches P/L-Diagramm, bitten.
Das “Kapital” der LV besteht nicht nur aus geliehenen Aktien. Es ist v.a. die Verunsicherung der institutionellen Investoren, die wegen der gut gepflegten Drohkulisse abwarten. Solange die gefährliche Szenerie neuer Attacken aufrecht erhalten werden kann, können gute Unternehmensnachrichten den Kurs nur kurzfristig beleben. Das weiss Wirecard und hält sich mit der Bekanntgabe neuer Grosskunden zurück, was wiederum die LV ausnutzen. So inadäquat das Verhältnis von daherspekulierten Beschuldigungen auf lächerlicher Quellenbasis und aufwändigen (und teuren!) Sonderuntersuchungen ist: Solange die Medien die Deutungshoheit haben, zählen in den nächsten Monaten v.a. die Untersuchungsergebnisse. Erst wenn dann Institutionelle investieren, läuft die Sanduhr der LV absehbar (und schnell) ab: Nach Singapur und KPMG werden neue “Enthüllungen” nicht mehr greifen und die LV werden (hoffentlich teuer) covern.
In der Zwischenzeit haben wir neben dem Kursverlauf, Ihors Zahlen, den Stimmrechtsmitteilungen (was für ein Spiel treibt GS?) und Bloombergs Daten über neue Investoren nicht viele Möglichkeiten, auf der Grundlage von Fakten rational die Perspektiven der LV einzuschätzen.
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