News - 22.06.10 22:13Milliardenorder: Astrium quengelt sich in Wettersatellitenauftrag
Europas neue Generation von Wettersatelliten werden jetzt doch mit Beteiligung des Raumfahrtkonzerns Astrium gebaut. Nach monatelangem Streit zwischen Deutschland und Frankreich kommt es zu einem Kompromiss.
Der französisch-italienische Konzern Thales Alenia Space behält unverändert die Gesamtführung bei dem Auftrag für sechs Satelliten im Wert von 1,18 Mrd. Euro. Deutschland bekommt nach FTD-Informationen aber mehr Mitsprache. So werden die beiden technisch anspruchsvollen Sounder-Satelliten jetzt unter der Gesamtführung der Bremer OHB-Gruppe gebaut. Zudem soll der bislang nicht beteiligte Astrium-Konzern einen Unterauftrag in dreistelliger Millionenhöhe erhalten. Dies erfuhr die FTD aus Industrie- und Politikkreisen.
Die Kompromisslösung soll am 30. Juni bei einer Sitzung des Industrieausschusses der Weltraumorganisation ESA endgültig unterzeichnet werden.
Hintergrund für den monatelangen Streit war zum einen die drohende erneute Niederlage von Astrium bei einem Großauftrag. Die ESA wollte den Auftrag für die Meteosat-Satelliten (MTG) komplett einem Konsortium aus Thales Alenia mit OHB als Juniorpartner vergeben, weil deren Angebot billiger als das von Astrium war. Doch das deutsche Verkehrsministerium legte sein Veto ein, weil es die technische Systemführung beanspruchte, zumal sich Deutschland und Frankreich mit je 34 Prozent an dem Projekt beteiligen. Zudem versuchte Astrium Deutschland, noch zum Zuge zu kommen.
Ein Sprecher des Berliner Verkehrsministeriums wollte am Dienstag auf Anfrage keine Details der Kompromisslösung nennen. Wie er aber sagte, "ist es gelungen, hochwertige Arbeitsanteile nach Deutschland zu holen". Ähnlich äußerte sich OHB-Chef Marco Fuchs auf Anfrage. "Es zeichnet sich ein Erfolg für die deutsche Seite ab. Das beharrliche Verhandeln des Verkehrsministeriums hat sich ausbezahlt, sodass auch die Rolle von OHB gestärkt wird. Insgesamt haben sich die Verhandlungen aus deutscher Sicht gelohnt." Einzelheiten könnten erst nach Vertragsunterzeichnung genannt werden.
Wie es heißt, soll OHB die Plattform für die insgesamt sechs neuen Meteosat-Satelliten liefern und hat zudem künftig die Führung beim Bau der zwei Sounder-Satelliten. Sie sollen in der Lage sein, aus dem Weltraum heraus die Temperatur und Feuchtigkeit in Wolken oder allgemein der Atmosphäre zu messen. Dies würde eine noch präzisere Wettervorhersage als mit Fotos aus dem All ermöglichen. An diesen Sounder-Satelliten soll nun auch Astrium Deutschland beteiligt werden. Der Start der ersten Satelliten ist etwa 2016 geplant.
Deutschland drängte seit Jahren auf eine Führungsrolle beim Bau der Meteosat-Wettersatelliten. Die ersten beiden Generationen wurden unter Leitung des französischen Thales-Konzerns gebaut - dem europäischen Hauptkonkurrenten von Astrium. Als die ESA vor rund einem halben Jahr entschied, auch die dritte Meteosat-Generation an Thales Alenia mit OHB zu vergeben, blockierte das Verkehrsministerium die Auftragsvergabe und verlangte mehr Arbeitspakete.
Quelle: FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND |