KEK: Fusion Springer/ProSiebenSat.1 medienrechtlich nicht unbedenklich
Die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) hat am 10.1.2006 entschieden, dass sie dem angemeldeten Zusammenschlussvorhaben der Axel Springer AG mit der ProSiebenSat.1 Media AG die erforderliche medienrechtliche Unbedenklichkeit nicht attestieren kann. In den Verfahren (Az. KEK 293-1 bis 293-5), die der KEK jeweils am 8. bzw. 17.8.2005 vorgelegt wurden, geht es um den Erwerb sämtlicher Anteile an ProSiebenSat.1 durch Springer (s. MMR 1/2006, S. XVI, und MMR 10/2005, S. XV). Die Transaktion war ebenfalls Gegenstand der Prüfung durch das Bundeskartellamt, das eine Untersagung des Fusionsvorhabens am 23.1.2006 ausgesprochen hat.
Die KEK handelt als Organ der zuständigen Landesmedienanstalt, d.h. vorliegend der Aufsichtsbehörden in Bayern (BLM), Berlin-Brandenburg (mabb) und Rheinland-Pfalz (LMK). Nach dem Rundfunkstaatsvertrag (RStV) kommt ihr gem. § 36 Abs. 1 Satz 2 RStV insb. die Aufgabe zu, Veränderungen von Beteiligungsverhältnissen (§ 29 RStV) daraufhin zu überprüfen, ob von diesen Gefahren für die Sicherung der Meinungsvielfalt ausgehen. Solche Beteiligungsveränderungen dürfen nur dann als unbedenklich bestätigt werden, wenn unter den veränderten Bedingungen eine Zulassung erteilt werden dürfte, § 29 Satz 3 RStV. Der Erteilung einer Zulassung steht es nach § 26 Abs. 1 RStV entgegen, wenn das Unternehmen vorherrschende Meinungsmacht erlangt. Entscheidungen der KEK sind gem. § 37 Abs. 1 (ggf. i.V.m. Abs. 3) RStV bindend ggü. den anderen Organen der zuständigen Landesmedienanstalt. Davon unberührt bleibt die Möglichkeit des für die Entscheidung über die Zulassung (bzw. die Genehmigung von Beteiligungsveränderungen) zuständigen Organs der betreffenden Landesmedienanstalt, innerhalb eines Monats nach der Entscheidung durch die KEK eine Entscheidung durch die KDLM herbeizuführen.
Im vorliegenden Fall hat die KEK das Erlangen vorherrschender Meinungsmacht bejaht. Sie stützt sich dabei auf den "materiellen Grundtatbestand" des § 26 Abs. 1 RStV, nachdem sie festgestellt hat, dass auf Grund der ermittelten Zuschaueranteile der zurechenbaren Programme der ProSiebenSat.1 Media AG von 22,06% (im Referenzzeitraum 8/2004 bis 7/2005) eine Anwendung der Vermutenstatbestände nach § 26 Abs. 2 RStV nicht in Betracht kommt. Letzterem entnimmt sie jedoch eine "Leitbildfunktion". Aus dort genannten Tatbeständen gehe hervor, "dass der Zuschaueranteil im bundesweiten Fernsehen zentrales Kriterium dafür ist, ob vorherrschende Meinungsmacht bejaht werden kann". Anschließend prüft sie, ob die Kumulation der Einflusspotenziale von Fernsehen und anderen Medienaktivitäten vorherrschende Meinungsmacht erwarten lässt.
Dazu wird zunächst bestimmt, welche anderen Medienmärkte in die Betrachtung einzubeziehen sind. Voraussetzung für eine solche "Medienrelevanz" sei es einerseits, dass der betreffende Markt entweder für den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung bedeutend ("Publikumsmärkte") oder zur Verstärkung der Meinungsmacht im Fernsehen geeignet ist. Andererseits komme es darauf an, inwiefern dieser Medienmarkt mit dem bundesweiten Fernsehen vergleichbar sei ("Verwandtschaft"). Die jeweilige Verwandtschaftsnähe ergebe sich "aus den vergleichbaren, den potenziellen Meinungseinfluss charakterisierenden Leistungsmerkmalen", d.h. nach der Rspr. des BVerfG "vorrangig" Suggestivkraft, Breitenwirkung und Aktualität.
Die Tagespresse ist nach Ansicht der KEK ein solcher, besonders eng verwandter Markt. Ausdrücklich weicht sie hier von der kartellrechtlichen Betrachtung mit der Begründung ab, dass den Vorgaben des RStV gefolgt werde, der für das bundesweite Fernsehen auf den Zuschaueranteil abstelle - ohne dass es auf das Genre oder den Vertriebsweg ankomme. Hierfür legt die Kommission einen "Umrechnungsfaktor" von zwei Drittel im Verhältnis zu den Zuschaueranteilen im Fernsehen an; die von ihr errechnete Stellung der BildZeitung im betroffenen Printmarkt der gesamten Tagespresse i.H.v. 26% gewichtet sie folglich als einem Zuschaueranteil von 17% entsprechend.
Weitere relevante Stellungen der Axel Springer AG, die hauptsächlich in die Untersuchung einbezogen wurden, sind solche auf den Märkten für Programmzeitschriften, Publikumszeitschriften, Hörfunk und Onlineangebote. Ingesamt errechnet sich damit ein kumulierter Zuschaueranteil von 42%. Eine ausreichende Reduktion der dadurch zu erwartenden Meinungsmacht durch "vielfaltsverstärkende Umstände" finde nicht statt.
Die KEK hält erstens fest, dass die derzeit von Sat.1 ausgestrahlten Regionalfensterprogramme nicht die Voraussetzungen des § 25 Abs. 4 RStV (in der seit In-Kraft-Treten des 8. Rundfunkänderungsstaatsvertrags geltenden Fassung) erfüllten. Selbst wenn man aber dessen Voraussetzungen als erfüllt ansehe und ferner die Einräumung von Sendezeit für Dritte in Ansatz bringe, reichten die dadurch erzielen Bonuspunkte i.H.v. 5% nicht aus, um vorherrschende Meinungsmacht zu verneinen.
Zweitens sei Springer nicht zu einem Verzicht auf den Erwerb von ProSieben oder Sat.1 als den reichweitenstärksten Programmen der zu übernehmenden Gruppe bereit gewesen.
Auch das Ergreifen anderer möglicher vielfaltssichernder Maßnahmen führe drittens nicht dazu, dass die medienrechtliche Unbedenklichkeit bestätigt werden könne. In der Diskussion standen hier verschiedene Modelle der Einrichtung eines Beirats; die von der KEK skizzierte Lösung mit weitreichenden auch wirtschaftlichen Kompetenzen eines solchen Gremiums in Bezug z.B. auf Sat.1 war von Springer nicht akzeptiert worden. Zudem könne weder das in § 32 RStV vorgesehene Modell eines Programmbeirats noch der von Springer angebotene, senderübergreifende Programmbeirat als ausreichend angesehen werden. Wie einleitend angesprochen, besteht die Möglichkeit für eine der zuständigen Landesmedienanstalten, fristgemäß eine Entscheidung der KDLM zu beantragen, die innerhalb von drei Monaten zu treffen wäre, anderenfalls der Beschluss der KEK weiterhin seine Bindungswirkung beibehielte.
https://rsw.beck.de/cms/?toc=MMR.ARC.200602&docid=170036
Hier mal die Entscheidung der KEK zu dem Antrag von Springer aus dem Jahr 2006. |