Patrizia ist der heißeste Börsengang seit langem: schlecht gestrickt von den Banken, mies verkauft vom Unternehmen und dennoch attraktiv für Spekulanten, weil der Markt für Wohnungsverkäufe in Bewegung kommt. Die Gefahr für Anleger ist, daß sie mit Patrizia zu hoch einsteigen.
Ungereimtheiten im Prospekt
Dennoch setzen die Banken und das Unternehmen ihre überzogenen Preisvorstellungen vielleicht durch, weil die Aktien vorwiegend im Ausland hochgejubelt werden. Ausländische Investoren sind von der Idee, deutsche Wohnungen in großen Paketen zu kaufen und einzeln zu privatisieren, leichter zu begeistern. Deshalb sprach Egger vergangene Woche beinahe pausenlos mit Engländern und Amerikanern und vernachlässigte die Inländer.
Ein klares Bild über Patrizia und dessen Zukunftsaussichten können sich private Anleger noch nicht machen. Im Börsenprospekt stolpern sie über eine Reihe von Ungereimtheiten. Die drei Studien der Konsortialbanken dagegen prognostizieren eine Verdreifachung von Umsatz und Gewinn innerhalb von zwei Jahren. Doch diese Analysen werden nur an professionelle Investoren verteilt. Das verlangen die Rechtsanwälte, um nicht mit amerikanischen Vorschriften in Konflikt zu geraten. Die Masse der Anleger wird damit kraß benachteiligt.
Der Börsengang von Patrizia ist daher eine Privatveranstaltung, was wertorientierte Anleger nicht aufregt. Denn die Bilanzen der vergangenen drei Jahre bestätigen nicht, daß Patrizia einzigartig ist. Erfahrene Fondsmanager stolpern über einen Bilanzposten, der „Gewinnvortrag” heißt. Er wird im Börsenprospekt zum Jahresüberschuß addiert und ergibt einen ansehnlichen Konzerngewinn.
Abenteuerlich hohe Bewertung
Börsenhändler ließen sich davon schon beeindrucken, um ein Kurs-Gewinn-Verhältnis auszurechnen. Und lagen völlig falsch. Denn tatsächlich ist nur der niedrigere Jahresüberschuß relevant, wie Konzernchef Egger einräumt. Das ist auf den ersten Blick nicht erkennbar. Der ausgewiesene Gewinnvortrag ist im Grunde Eigenkapital.
Auffällig ist zudem der starke Gewinnanstieg für 2005. Während Patrizia 2003 und 2004 nur 4,5 und 4,4 Millionen Euro verdiente, war es 2005 etwa viermal soviel: 16,6 Millionen Euro. Nimmt man dies als Basis, ergibt sich ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von rund 50. Dieser Gewinn ist jedoch überhöht. Rechnet man allein mit der üblichen Belastung durch Ertragsteuern von 38 Prozent, sinkt der Jahresüberschuß auf etwa 12,5 Millionen Euro. Das ergibt ein KGV von bis zu 75. Vorsichtige Anleger kalkulieren mit dem Durchschnittsgewinn der vergangenen drei Jahre, etwa 8,5 Millionen Euro. Womit das KGV auf mehr als 100 steigt. Alle diese Bewertungen sind abenteuerlich hoch.
„Bilanz suggeriert nicht vorhandene Ertragskraft”
Zu alldem kommt eine Besonderheit: Die Gesamtleistung des Unternehmens wird durch einen Posten „Bestandsveränderungen” aufgebläht. Dahinter steckt folgendes Prinzip: Wenn Patrizia Wohnungen kauft und sie saniert, steigt deren Wert. Theoretisch! Denn solange sie nicht verkauft sind, hat Patrizia damit ja nur Kosten, aber noch keinen Euro eingenommen. Dennoch spiegelt die Bilanz dies nicht wider. Patrizia bilanziert die Renovierungskosten nicht nur als Kosten, sondern auch als „Leistung”. Am Ende belastet die Renovierung also den Jahresüberschuß nicht, obwohl das Geld dafür aus dem Unternehmen fließt.
Schlecht für Anleger, die wissen wollen, wieviel Geld 2005 im Unternehmen hängengeblieben ist. Im Zweifel nichts: Denn die umsatzerhöhenden „Bestandsveränderungen” (Renovierungskosten) betragen 35,8 Millionen Euro, der Jahresüberschuß aber nur 16,6 Millionen. Fondsmanager Hendrik Leber von Acatis: „Die Bilanz suggeriert eine Ertragskraft, die nicht vorhanden ist.”
Die Kehrseite sind die Chancen im Wohnungsmarkt. Diese werden von den Banken herausgestellt. Ohne Zweifel haben viele große Wohnungsbesitzer ein Interesse, ihre Bestände zu verkaufen. Das beste Beispiel war zuletzt die Stadt Dresden. Patrizia ist so gut aufgestellt und hat so viel Erfahrung in diesem Markt, daß große Umsatzzuwächse in den kommenden Jahren drin sind.
Besser Abschläge auf Luftschlösser machen
Doch wie stark der Gewinn mitwächst, ist unsicher. Das läßt sich erst beurteilen, wenn die eingekauften Wohnungen tatsächlich auch wieder verkauft sind. Bis dahin tun Anleger gut daran, an die Luftschlösser der Banken mit ordentlichen Abschlägen heranzugehen. Einfach nur die Gewinne aus 2005 fortzuschreiben wäre zu einfach, weil die Basis in die Irre führt.
Und ob die Margen hoch bleiben, ist fraglich. Es hängt von den Einkaufspreisen ab, die tendenziell steigen; von den Privatisierungserlösen, die womöglich sinken; und von den Zinsen, die anziehen. Vorsicht ist also angebracht, zumal Patrizia wenig Zukunftsaussagen macht. Eine ist bei Sal. Oppenheim zu finden. Danach seien 70 Prozent des Geschäfts in diesem Jahr im Kasten. Patrizia-Chef Egger dazu: „Kein Kommentar.”
Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, |