Investoren melden Interesse an Lufthansa-Aktien des Bundes an – auch Staatsfonds dabei Der Staat könnte schon in diesem Jahr bei der Lufthansa aussteigen. Die Airline-Gruppe denkt wieder an Expansion und will mit dem Kreuzfahrtunternehmen MSC bei ITA einsteigen. Jan Hildebrand Jens Koenen Martin Murphy Arno Schütze24.01.2022 Update: 24.01.2022 - 19:23 Uhr Investoren melden Interesse an Lufthansa-Aktien des Bundes an Quelle: dpa Lufthansa-Jet startet in Frankfurt Europas größte Airline-Gruppe arbeitet mit Hochdruck an einem Einstieg bei der italienischen ITA, dem ersten großen Deal seit der Krise und der Rettung durch den Staat.
Frankfurt, Berlin Das zum Verkauf stehende Lufthansa-Aktienpaket des Bundes weckt das Interesse von potenziellen Käufern. Erste Investoren hätten bei der Bundesregierung vorgefühlt, heißt es in Finanzkreisen. Darunter seien auch Staatsfonds. Weder Lufthansa noch das Bundesfinanzministerium wollten sich auf Anfrage zu den Informationen äußern. Es gebe „bisher keine Entscheidung zum Zeitplan und zu Preisvorstellungen“, heißt es aus Regierungskreisen.
Mit dem Ausstieg des Staates würde Lufthansa die volle Unabhängigkeit zurückbekommen. Das ist auch mit Blick auf ein Vorhaben des Lufthansa-Managements wichtig: der Einstieg bei der italienischen ITA, der Nachfolgegesellschaft von Alitalia. Die Lufthansa steht nach Informationen aus Finanz- und Unternehmenskreisen seit Wochen in einem engen Austausch mit den Verantwortlichen in Italien. ITA und Lufthansa wollten sich nicht äußern.
Am Montagabend wurde dann bekannt, dass die Schweizer MSC, Betreiber einer Kreuzfahrtschiff-Flotte, die Mehrheit an ITA übernehmen will - mit Lufthansa als Partner. Nach eigenen Angaben hat MSC ITA um eine 90-tägige Frist für exklusive Gespräche gebeten.
Zwar darf die Lufthansa-Spitze schon seit der Rückzahlung der Staatshilfen im vergangenen November wieder zukaufen. Doch solange der Bund ein großer Aktionär ist, muss dieser bei Akquisitionen zustimmen. Das würden die Vertreter des Bundes im Fall ITA wohl auch machen, heißt es in Finanzkreisen. Bisher sei das Management in der Sache aber noch nicht beim Bund vorstellig geworden.
Lufthansa hat schon seit Langem Interesse am italienischen Markt. Vor allem das Langstreckengeschäft in Rom ist für den Konzern spannend, mitsamt der Zubringer- und Verteilerverkehre, die zum Teil über Deutschland geleitet werden könnten. Lufthansa ist deshalb seit Jahren im italienischen Markt mit der Marke Air Dolomiti aktiv.
Mehrfach wurde der deutsche Konzern in zurückliegenden Jahren als Investor bei der dauerinsolventen Alitalia gehandelt. Doch beide Seiten – der italienische Staat als Eigentümer und Lufthansa – hatten sehr unterschiedliche Vorstellungen über die notwendige Restrukturierung.
ITA würde gut in den Lufthansa-Verbund passen Mit ITA ist nun seit Oktober vergangenen Jahres eine deutlich schlankere Nachfolgegesellschaft am Start. Diese hat nur jeden vierten Mitarbeiter von Alitalia übernommen, finanzielle Altlasten gibt es nicht. Mit einer geplanten Flotte von 59 Airbus-Flugzeugen würde die neue Airline gut in den Lufthansa-Verbund passen.
ITA-Präsident Alfredo Altavilla hatte vor wenigen Wochen im Gespräch mit dem Handelsblatt ausdrücklich die Lufthansa als Wunschkandidat genannt. Bei Übernahmen wie der von Swiss hat das Management von Lufthansa bewiesen, dass es den Fluggesellschaften die nationale Identität lässt – für die Politik ein wichtiger Faktor.
Allerdings hatte zuletzt auch der Lufthansa-Rivale IAG (British Airways und Iberia) ein Auge auf den italienischen Anbieter geworfen. Air France-KLM hat kürzlich mit ITA vereinbart, die Flugpläne und den Vertrieb gegenseitig abzustimmen, ein sogenanntes Codesharing-Abkommen. Dagegen hat sich die US-Airline Delta nach den Worten von Konzernchef Ed Bastian aus dem Wettlauf um ITA verabschiedet.
Mehrfach wurde die Lufthansa in zurückliegenden Jahren als Investor bei der dauerinsolventen Vorgängergesellschaft Alitalia gehandelt. Quelle: imago images/ZUMA Wire Flugzeug von ITA in Rom Mehrfach wurde die Lufthansa in zurückliegenden Jahren als Investor bei der dauerinsolventen Vorgängergesellschaft Alitalia gehandelt. ) Noch seien einige Fragen offen, heißt es in Finanz- und Unternehmenskreisen. ITA will Eigenkapital, die Rede ist von 15 bis 40 Prozent, die die Lufthansa an ITA übernehmen soll. Die Lufthansa-Spitze will wiederum das finanzielle Risiko so weit wie möglich begrenzen, auch mit Blick auf die eigene hohe Verschuldung. Zudem müsse eine Konstruktion gefunden werden, in der sich der Staat bei ITA weitgehend heraushält, heißt es im Umfeld des Lufthansa-Aufsichtsrats.
Die Aussicht auf einen Einstieg bei ITA könnte wiederum den geplanten Verkauf des Lufthansa-Pakets durch den Bund befeuern. Wie aus Finanzkreisen zu hören ist, verlangen die Verantwortlichen in Berlin bereits eine Prämie auf den aktuellen Kurs. Das wird auch damit begründet, dass sich der Luftverkehr im Sommer wieder deutlich erholt haben dürfte und damit wahrscheinlich auch der Aktienkurs der Airline. „Wer früher einen Zuschlag will, muss das in Betracht ziehen“, heißt es in Finanzkreisen.
Der Bund hält über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) aktuell rund 14 Prozent der Lufthansa-Anteile. Der Staat war Mitte 2020 mit zunächst 20 Prozent eingestiegen. Nach einer Kapitalerhöhung um gut zwei Milliarden Euro im Oktober 2021 hatte sich dieses Paket aber auf 14,09 Prozent reduziert.
Grundsätzlich könnten die Papiere ab April oder Mai abgegeben werden; so ist es zwischen Lufthansa und dem WSF vereinbart. Spätestens im Oktober kommenden Jahres muss der Bund in jedem Fall ausgestiegen sein.
Dabei hat der WSF mehrere Möglichkeiten: Er kann laut Rahmenvertrag seine Aktien breit platzieren, er kann aber auch größere Pakete an „qualifizierte Investoren“ abgeben. Der Verkauf von einzelnen Paketen oder auch eines Komplettpakets hätte gewisse Vorteile. Der Bund könnte etwa einen Paketpreis erzielen.
Dem Bund winkt ein hoher Gewinn Schon jetzt ist klar: Für den Bund und damit letztlich den Steuerzahler wird die Lufthansa-Rettung ein gutes Geschäft. Der WSF war 2020 für 2,56 Euro je Aktie eingestiegen. Bezahlt hat der Bund für die 20 Prozent rund 300 Millionen Euro. Gemessen am aktuellen Aktienkurs ist das verbliebene Paket von 14,09 Prozent gut 1,1 Milliarden Euro wert.
Lufthansa bekäme bei einem Paketverkauf einen neuen Ankeraktionär. Konzernchef Carsten Spohr hat in der Vergangenheit mehrfach Sympathie für einen großen Einzelaktionär geäußert. Kurz vor der Coronapandemie war der erfolgreiche Münchener Unternehmer Heinz Hermann Thiele überraschend in diese Rolle geschlüpft. Er besaß zwischenzeitlich gut 15 Prozent an dem Airline-Konzern und hatte im Sommer 2020 kurzzeitig sogar mit einem Veto gegen die Rettung und den Einstieg des Staates gedroht.
Nach Thieles Tod im vergangenen Februar haben sich die Erben allerdings von fast allen Aktien getrennt und sind mit ihrem Anteilsbesitz unter die Meldegrenze von drei Prozent gerutscht. Mit dem Ausstieg des Bundes würde Lufthansa auch den zweiten großen Aktionär verlieren.
Das Unternehmen hat sogenannte vinkulierte Namensaktien, deren Besitzer sich zu erkennen geben müssen. Der Grund: Lufthansa muss mehrheitlich in der Hand deutscher und europäischer Aktionäre liegen, sonst droht der Verlust der entsprechenden Verkehrsrechte. Ein langfristig engagierter Ankeraktionär sorgt auch an dieser Stelle für zusätzliche Sicherheit.
https://www.handelsblatt.com/unternehmen/...fonds-dabei/28002222.html |